"Es hat mir die Beine weggezogen": Zorn und Sorge im Bielefelder Lockdown

Bielefeld. Der von der Bundesregierung verfügte Lockdown &bdquo;light" wird auch in Bielefeld von den davon betroffenen Branchen und Betrieben, Bühnen und Museen mit großer Anspannung betrachtet. Fitnessstudios und Vereinssport, Kneipen, Bars, Restaurants und fast die ganze Kulturszene gehören zu den Leidtragenden. Sportvereine, Theater, Museen und Gastronomie, die aufwendige und auch tragfähige Hygienekonzepte entwickelt hatten, müssen ab Montag ihren Betrieb für die nächsten vier Wochen einstellen. Wir haben in Betrieben, bei Vereinen und bei vorwiegend freien Kulturakteuren nachgefragt, wie sie die Lage beurteilen. SPORTVEREIN Meinhard Schinner vom Vorstand des größten Sportclubs der Stadt – bezogen auf die aktiven Mitglieder –, dem TSVE, &bdquo;geht das Messer in der Tasche auf", wenn er daran denkt, dass die Fußball-Bundesliga fast planmäßig weiterläuft und er seinen kleinen Schützlingen in der Handball-Abteilung mitteilen muss, dass der komplette Sportbetrieb in allen Sportsparten (beim TSVE sind es 20 bei knapp 4.000 Mitgliedern) vorerst ruht. &bdquo;Wie soll ich denen das erklären?" &bdquo;Wir unterstützen jede notwendige Maßnahme, um die Verbreitung des Virus im Schach zu halten." &bdquo;Flatten the Curve" ist für den Sportclub oberstes Gebot. STÄDTISCHE BÜHNEN Das Theater Bielefeld verweist auf seiner Homepage auf den Ausfall aller Vorstellungen in beiden Häusern und in der Oetkerhalle. Es bittet die Abonnenten, für die eine Erstattungs- oder Ersatzlösung für nun ausfallende Termine gefunden werden soll, um Geduld. Die Bielefelderin Silke Reimann und ihre Mutter sind seit vielen Jahren Mitglied der Volksbühne und beziehen hier die meisten ihrer Karten fürs Theater Bielefeld im Abo. Sie sagt: &bdquo;Ich bin unheimlich enttäuscht, weil mehrere Termine für mich ausfallen, nachdem ich im Spätsommer stundenlang an der Theaterkasse angestanden hatte." Am meisten aber tue es ihr für die Mitarbeiter in der Theaterverwaltung, die Schauspieler, Sänger und Musiker leid. &bdquo;Die haben sich echt reingehängt und unter widrigen Umständen ihr Bestes gegeben." Auch jetzt sei das Personal an der Theaterkasse &bdquo;super geduldig" bei der Rückabwicklung. Dass ein so tragfähiges Hygienekonzept, das, soweit sie wisse, keinerlei Infektionsfälle hervorgebracht habe, nun eingefroren werde, mache sie traurig. Ob es bei den vier Wochen bleibt, da hat Reimann Zweifel: &bdquo;Die Leute sind nachhaltig verunsichert und werden womöglich auch in den Folgemonaten Zurückhaltung üben", wenn so eine Ansage von der Regierung komme. Das werde die Kultur weiter stark schädigen. ALARMTHEATER Dietlind Budde, Leiterin des freien Alarmtheaters, scheint eher fatalistisch auf die aktuelle Lage zu schauen: &bdquo;Wir haben schon seit Beginn der Krise mit den fehlenden Eintrittsgeldern und Vermietungsausfällen zu kämpfen", schildert sie, die eine eigene Spielstätte an der Gustav-Adolf-Straße betreibt. Allerdings habe man schnell von der zügigen Auszahlung der Soforthilfe profitiert, zugleich könne die interne Arbeit ja weitergehen. &bdquo;Wir haben Anträge geschrieben ohne Ende, müssen für eine Bewilligung bis Jahresende ein gutes Konzept vorweisen. Dann kommen wir über die Runden", sagt sie. Allerdings bemerkt sie bei den Schülern ihres Jugendensembles: &bdquo;Die geraten immer mehr unter Druck, an vielen Fronten." THEATERLABOR Ralf Würfel vom Theaterlabor gibt das Statement des KulturPacts wieder, dem Zusammenschluss Bielefelder Kulturakteure: &bdquo;Wir alle haben uns bislang sehr flexibel gezeigt, Digitalformate entwickelt, neue Konzepte erdacht. Aber nun geht uns ein bisschen die Puste aus", schildert er. &bdquo;Die Leute bleiben weg, haben Angst, sich trotz ausgeklügelter Hygienekonzepte anzustecken." Auch Projektteilnehmer seien zurzeit schlecht zu gewinnen. Das werde die Branche weit über den November hinaus begleiten, zugleich laufen die Mietkosten weiter. Der KulturPact hofft, dass immerhin die Ausfallhilfen der Regierung greifen und 2021 nicht ganze Strukturen zusammenbrechen. FREIE THEATER Besonders prekär ist die Lage für die freien Theater ohne feste Spielstätte. Exemplarisch dafür steht das &bdquo;Feedback Kollektiv", das in dieser Woche eine Vorpremiere im Club Nr. z. P. zeigte. Die Vorabpremiere war gleichzeitig die letzte Aufführung der düsteren Zukunftsvision. FITNESS-CLUB Kathrin Wittler, Inhaberin des Fitness-Studios &bdquo;The Gym", wurden &bdquo;einfach die Beine weggezogen", als sie von den neuen Einschränkungen hörte. Sie erinnert sich, als nach dem ersten Lockdown im Frühjahr die Leute wieder in die Studios durften: &bdquo;Die haben fast geweint vor Freude, dass sie wieder anfangen konnten, an den Geräten zu trainieren." Und jetzt? Bei Wittler und ihren Kollegen ist noch nicht einmal klar, ob sie wenigstens Reha- oder Präventionskurse anbieten können. &bdquo;The Gym" gehört mit etwa 250 Mitglieder zu den kleineren Anbietern. Einige größere planen, wie Kathrin Wittler verrät, eine Klage gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung.

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