Vergewaltigungen in Bielefelder Klinik: Führte der Arzt eine Liste mit Dutzenden Frauennamen?

Bielefeld. Zuerst die Nachricht vom möglichen Serienvergewaltiger, der als Assistenzarzt des Evangelischen Klinikums Bethel (EvKB), mindestens zwei seiner Patientinnen betäubt und anschließend vergewaltigt haben soll. Und dann zwei Tage nach der Inhaftierung des Beschuldigten kommt die nächste Hiobsbotschaft: Der 32-Jährige hat sich in seiner Zelle getötet. Wie berichtet, beendete der Bielefelder sein Leben selbst in der Untersuchungshaft. Am Donnerstagmorgen fanden Bedienstete der Justizvollzugsanstalt den jungen Arzt in seiner Zelle. Anstaltsleiter Uwe Nelle-Cornelsen berichtet, dass er sich erstickt habe, wofür der Arzt seine fachlichen Kenntnisse als Mediziner genutzt habe. Erste Vergewaltigungsermittlungen bereits 2016 Indes wurde jetzt bekannt, dass gegen den jungen Arzt schon 2016 wegen des Verdachts der Vergewaltigung ermittelt wurde. Eine Patientin im niederrheinischen Kreis Viersen hatte damals Strafanzeige erstattet, weil sie den Verdacht hatte, betäubt und dann vergewaltigt worden zu sein. In dem Krankenhaus soll der damalige Medizinstudent seine ersten Berufserfahrungen im Klinikalltag gemacht haben. Laut Axel Stahl, Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft Krefeld, wurde das Verfahren aber im Herbst 2017 eingestellt. Dem Vernehmen nach scheiterten die Ermittlungen an den fehlenden Erinnerungen des vermeintlichen Opfers. In dieser Zeit soll der junge Arzt die Gegend schon verlassen haben, heißt es aus seinem Umfeld. Nach einem Australienaufenthalt kehrte er dann im Februar 2018 nach Deutschland zurück und nahm eine neue Stelle an - als Assistenzarzt im EvKB in Bielefeld – bis er wegen der Kripo-Ermittlungen im April 2020 freigestellt wurde. Als die Ermittlungen dort andauerten, kündigte er selbst seine Anstellung. Arzt soll eine lange Liste von Frauennamen bei sich gehabt haben Doch was bedeutet der Suizid des mutmaßlichen Täters für die Fortsetzung der Ermittlungen? Werden weitere Opfer überhaupt noch über die Taten aufgeklärt? Rein juristisch stellt der Tod für den Strafprozess ein unbehebbares &bdquo;Verfahrenshindernis" dar. Die Staatsanwaltschaft müsste das Verfahren also entsprechend ergebnislos einstellen. Ob damit auch die sieben Kripo-Beamten der &bdquo;Ermittlungskommission Medicus" die Auswertungen des Beweismaterials einstellen, ist noch unklar. Immerhin geht man davon aus, dass in den sichergestellten Datenmengen des Arztes weitere Beweisvideos von Vergewaltigungen zu finden sein könnten. Und damit auch weitere Opfer identifiziert werden könnten. Großes Interesse der Ermittler an Liste mit Frauennamen In der Hoffnung, diese schwierigen Ermittlungen abzukürzen, war bei den Ermittlern auch eine Liste mit Dutzenden Frauennamen auf großes Interesse gestoßen. Die Liste war bei der Wohnungsdurchsuchung des 32-Jährigen im Frühjahr sichergestellt worden. Ist es die Liste der Opfer? Die Ermittlungsbehörden geben weder Auskunft zu dieser Liste noch zum Inhalt der verschiedenen Abschiedsbriefe, die der junge Arzt in seiner Zelle hinterlassen hat. Oberstaatsanwalt Martin Temmen ließ alle diese Fragen am Donnerstag noch offen. Im EvKB ist der Schock inzwischen doppelt groß. Matthias Ernst, Geschäftsführer des Klinikums, hatte am Mittwoch noch von einer Schockwelle gesprochen, die die Belegschaft erreicht hatte, nachdem die Vergewaltigungsvorwürfe gegen einen beliebten Kollegen bekanntgeworden waren. Nach der neuen &bdquo;unfassbaren Nachricht" vom Tod des Arztes zeigte sich Ernst &bdquo;erschrocken". Klinikleitung hofft sehr auf Aufklärung der Taten Er hoffe sehr, dass die Aufklärung der Straftaten dennoch schnell vorangetrieben werde: &bdquo;Die Opfer brauchen Gewissheit über die Geschehnisse", sagte Ernst. Bleibt die Frage: Wie konnte sich der 32-Jährige töten? Weder nach dem Aufnahmegespräch noch bei der ärztlichen Befragung habe es Hinweise auf eine Krise des Untersuchungshäftlings gegeben, sagt Anstaltsleiter Uwe Nelle-Cornelsen: &bdquo;Wenn es jemandem nach außen hin gelingt, nicht aufzufallen, und er sogar zukunftsorientierte Fragen stellt – etwa zum Arbeitsangebot oder den Freizeitmöglichkeiten in Haft –, dann sind wir schnell mit unserem Latein am Ende." "Es gibt keinen normalen Haftraum, in dem man sich nicht umbringen kann" Denn einen normalen Haftraum, in dem man sich nicht umbringen kann, gebe es nicht, betont er. Die JVA sehe zwar vor, &bdquo;akut Suizidgefährdete" in einem besonders gesicherten Haftraum unterzubringen, der dauerhaft überwacht sei. Dort gebe es weder scharfe Ecken noch Möbel oder Bettwäsche. Doch das sei nur für die Akutphase vorgesehen. Längere Zeit könne man dort keine Häftlinge unterbringen. &bdquo;Latent Suizidgefährdete" würden in ihrem Haftraum immerhin regelmäßig kontrolliert – mindestens alle 15 Minuten, auch nachts. Doch im aktuellen Fall habe es keine Veranlassung für solche Kontrollen gegeben. Lesen Sie hier alle Berichte zu dem Fall.

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