Bielefelds Integrationsrats-Chef warnt: "Wählt keine Migrantenparteien!"

Herr Ölmez, sechs Jahre waren sie Vorsitzender des Integrationsrates. Warum kandidieren Sie nicht für eine weitere Periode? Mehmet Ali Ölmez: Ich bin jetzt 61 Jahre alt und muss auf meine Gesundheit achten. Jetzt müssen andere ran. Außerdem vermisse ich bei einigen Mitgliedern des Integrationsrates eine klare Haltung zur Integration. Ein Beispiel dafür war zuletzt die Diskussion über ein Jubiläumsgeld für alle Migrantenvereine, von denen wir etwa 70 haben in der Stadt. Die sollten städtisches Geld bekommen, obwohl wenige gezielt etwas für Integration tun, im Gegenteil bilden manche sogar Parallelgesellschaften. Ergibt ein Integrationsrat überhaupt noch Sinn? Ölmez: Aufgrund der Wahlbeteiligung muss man sich diese Frage wirklich stellen. Sie lag 2010 bei 9,8 Prozent, 2014 etwas höher. Und wenn Menschen, die hier geboren sind oder schon ewig hier leben, zur Wahl des Integrationsrates aufgerufen werden, werden sie statt als &bdquo;normale" Bielefelder wieder als Sondergruppe Migranten angesprochen. Der Integrationsrat in dieser Form ist nicht mehr zeitgemäß. Viele der 88.000 potenziellen Wählerinnen und Wähler wollen das nicht und verstehen das auch nicht. Jetzt sind auch viele Aussiedler dabei, die mich anrufen und fragen, warum sie überhaupt den Integrationsrat wählen sollen und was habe ich mit &bdquo;Integration" zu tun? Ich bin Deutscher. »Da kann ich nur sagen: Guten morgen, endlich aufwachen« Was wäre die Alternative? Ölmez: Ich denke an das System, wie ich es aus großen Betrieben kenne: Alle, die dort arbeiten, haben ein Wahlrecht für den Betriebsrat. Fertig. Bis 1974 durften Ausländer in Betrieben ihren Betriebsrat nicht wählen, danach schon. So sollte es auch auf kommunaler Ebene sein. Also Wahlrecht für alle, die hier gemeldet sind, unabhängig von der Nationalität? Ölmez: Natürlich. Es geht nicht, dass jedes Mal vor einer Wahl die Menschen daran erinnert werden: Du bist Migrant, also anders. Zur jetzigen Kommunalwahl treten auch zwei explizit migrantische Parteien an. Was halten Sie von BIG und BBZ? Ölmez: Nichts. Wo landen wir denn, wenn alle ihr eigenes Süppchen kochen wollen? Ich rufe alle Migrantinnen und Migranten auf: Wählt diese Parteien nicht. Sie liefern keine Beiträge für das Zusammenleben, sondern eher dagegen. Es gibt ein klares Nein zu solchen Parteien von mir. Außerdem gibt es, wenn das einem wichtig sein sollte, in fast allen Parteien auch migrantische Kandidaten. Das stimmt. Die Grünen stehen aber unter Druck, weil sie einen Kandidaten aus der fundamentalistischen Milli-Görus-Islamorganisation aufgestellt haben. Was halten Sie vom Fall Selvet Kocabey, der in Brackwede antritt? Ölmez: Wenn jemand als das mal liest, was diese Vereinigung namens Milli Görus in den vergangenen Jahren veröffentlicht hat und dann trotzdem noch einen ihrer Vertreter aufnimmt und aufstellt, dann kann ich nur sagen: Guten Morgen, bitte endlich aufwachen! Nichts verstanden! Die sind nicht nur islamistisch, über Milli Görus sind Millionengelder von Mitgliedern abhanden gekommen, auch durch die Moschee in Brackwede, wo der Kandidat Vorsitzender ist. Und er selbst gibt zu, dass er in dieser Moschee groß geworden ist. Auch wenn es von bestimmten Seiten gleich wieder heißt, ich sei islamophob, weil ich das sage, so lasse ich mich doch nicht von dieser Kritik abhalten. Kultivieren manche Vereine einen Opferstatus? Ölmez: Ja, und das ist überhaupt nicht hilfreich. Im Gegenteil. Es nützt weder ihnen und auch sonst niemanden etwas. Wo stehen wir bei Integration? Ölmez: Mehr Migrantinnen und Migranten und ihre Vereine müssen Verantwortung übernehmen, ob in der Kommune, im Stadtteil und anderswo. Sie sollten nicht in ihren Parallelgesellschaften verharren. Das trifft zum Glück längst nicht für alle zu, und wir müssen Engagement auch ehrlich anerkennen. Welche Positiv-Beispiele sind das? Ölmez: Ich war in den vergangenen sechs Jahren bei vielen Migrationsvereinen. Besonders bei den Tamilen , Griechen und den Jesiden wurde gute Arbeit geleistet bei der Integration. Mit ihnen gibt es einen offenen Austausch. Und sie haben oft im Schulbereich, also bei ihren Kindern, gute Erfolge vorzuweisen. »Sie sollten nicht in Parallelgesellschaften verharren« Was muss die aufnehmende Gesellschaft noch lernen? Ölmez: Vor allem müssen alle lernen, dass Migrantinnen und Migranten fester Teil dieser Gesellschaft sind. Kinder, die hier geboren sind, haben ähnliche Biografien, wie Kinder einer einheimischen deutschen Familie. Wertschätzung und Anerkennung muss sich zu einer lebendigen Kultur entwickeln. Kein Mensch darf aufgrund seiner irgendwie zugeschriebenen Andersartigkeit Ausgrenzung erfahren. Das ist eine wichtige Botschaft an die aufnehmende Gesellschaft. Unsere Stadtgesellschaft hat sich verändert. Viele Zugewanderte leben in vierter Generation hier. Hat die Integration der Flüchtlinge, die vor allem 2015 und 2016 in größerer Zahl kamen, funktioniert? Ölmez:Dank des Einsatzes unzähliger Ehrenamtlicher hat die Stadt Bielefeld tatsächlich enorme Leistungen zur Integration von Geflüchteten erbracht. Sprachlich und schulisch sind sie gut eingegliedert. Defizite sehe ich bei der Ausbildung und Arbeit. Im Bau- und Pflegebereich haben wir freie Stellen. Da können noch viele Anstrengungen unternommen werden. Berufliche Zukunft für Jugendliche muss im Fokus der stätischen Beratungsstellen stehen. Die Jugendlichen müssen besser vermittelt werden. Was machen Sie demnächst? Mischen Sie sich weiter ein? Ölmez: Ich werde mich weiter hier und da aktiv beteiligen und die Integrationsarbeit von einigen Vereinen unterstützen.

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