Merz’ Stadtbild-Debatte führt zu Kritik an Bielefelds Integrationsrat-Chefin

Bielefeld. Die umstrittenen Aussagen von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) über nicht näher benannte Probleme &bdquo;im Stadtbild“ und die deutsche Abschiebepolitik sind der Anlass für eine Protestaktion, die am Freitag, 24. Oktober, um 17 Uhr auf dem Bielefelder Bahnhofsvorplatz beginnen soll. Das &bdquo;Bündnis gegen Rechts“ ruft zu der Demo auf. Unterdessen führt die Veränderung der politischen Landschaft – der mit dem Erstarken der AfD verbundene Rechtsruck – auch auf lokaler Ebene verstärkt zur Polarisierung. Unter Druck droht dabei jetzt Murisa Adilovic zu geraten, die Vorsitzende des Bielefelder Integrationsrates. Kritisiert wird sie diesmal, weil sie etwas nicht gesagt hat. Auf lokaler Ebene nämlich hatte sich Adilovic bisher nicht öffentlich zu den Aussagen des Kanzlers geäußert. &bdquo;Während bundesweit wieder über Migration, Zugehörigkeit und Stadtbilder debattiert wird, bleibt ausgerechnet die Stimme derjenigen aus, die () an vorderster Stelle Verantwortung trägt, wenn es um Repräsentation und Schutz migrantischer Interessen geht“, beklagt der Bielefelder Unternehmer Osman Atmaca in einer Mail, die Adilovic ebenso erreicht hat wie die Redaktion dieser Zeitung. Atmaca unterstellt der Integrationsratsvorsitzenden dabei Kalkül angesichts veränderter Mehrheitsverhältnisse im Bielefelder Rathaus: &bdquo;Gerade jetzt, kurz vor den anstehenden Neuwahlen des Vorsitzes“ im Integrationsrat sei es &bdquo;das Schweigen einer Amtsführung, die ihre eigene Position sichern will, anstatt Verantwortung zu zeigen.“ CDU-Strategie: Merz bleibt bei Stadtbild-Satz Sprecher der muslimischen Gemeinden: &bdquo;Merz Aussagen sind ausgrenzend“ Unterstützt wird die Kritik von Cihad Kefeli, dem Vorstandsvorsitzenden des Bündnisses islamischer Gemeinden (BIG) in Bielefeld, der selbst auch Mitglied des Integrationsrates ist. &bdquo;Ich bin der Meinung, dass der Integrationsrat sich in solchen Fragen zu Wort melden sollte“, sagt er auf Nachfrage. Kefeli äußert grundsätzliches Verständnis für Merz’ Absicht, auf bestehende Herausforderungen in der Migrations- und Integrationspolitik einzugehen. &bdquo;Es ist jedoch brandgefährlich, wenn dabei ganze Bevölkerungsgruppen stigmatisiert werden“, warnt Kefeli. &bdquo;Das trifft nicht nur Menschen muslimischen Glaubens, sondern all jene, die seit Jahrzehnten selbstverständlicher Teil dieses Landes sind.“ Formulierungen wie die von Merz seien ausgrenzend und vermittelten Zuwanderern das Gefühl, trotz aller Bemühungen nie wirklich dazuzugehören. Murisa Adilovic vermutet, dass sie in bestimmten Kreisen – und speziell auch bei konservativen Kräften – &bdquo;nicht so beliebt“ sei. Grundsätzlich fordere sie von Politikern aller Couleur im Hinblick und Zuwanderung und Integration seit Langem, die bestehenden Probleme im Bildungs- und Sozialbereich zu lösen: &bdquo;Denn es hat Konsequenzen, wenn man diese Probleme nicht in den Griff bekommt.“ Über 100.000 Wähler: Neuer Bielefelder Integrationsrat wird gewählt Was den Integrationsrat angeht, den manche nach ihrer Überzeugung für eigene Zwecke instrumentalisieren möchten, verweist Adilovic darauf, dass sie sich noch gar nicht festgelegt habe, ob sie erneut für den Vorsitz kandidieren will. Sie erwarte, dass der Rat sich voraussichtlich im Dezember erstmals zusammensetzen wird. Adilovic empfindet Merz-Äußerungen als &bdquo;schrecklich“ Ihre Bewertung der pauschalen Kanzler-Äußerungen ist hingegen sehr entschieden: &bdquo;Die finde ich schrecklich.“ Erneut würden Menschen stigmatisiert, die vermeintlich nicht-europäisch aussehen“, so Adilovic. Als Mitglied im Vorstand des Landesintegrationsrates trage sie längst auch eine entsprechende Stellungnahme mit. Dass sie sich noch nicht auf lokaler Ebene geäußert habe, hänge auch mit ihren hauptberuflichen Verpflichtungen zusammen: &bdquo;Die Arbeit im Integrationsrat der Stadt wird ehrenamtlich geleistet.“ Lesen Sie auch: Mehr Einbürgerungen denn je in der Stadt Tatsächlich hat der Integrationsrat des Landes NRW schon vor einer Woche erklärt, die Merz-Aussagen über &bdquo;ein Problem im Stadtbild“ seien &bdquo;erschütternd“. Es offenbare ein &bdquo;rassistisches Denkmuster“, wenn Zugehörigkeit und soziale Probleme an phänotypische Merkmale geknüpft würden, also rein äußerliche Merkmale wie etwa Haut- und Haarfarbe. Rund 30 Prozent der Menschen in Deutschland hätten eine internationale Familiengeschichte, so NRW-Integrationsrats-Chef Tayfun Keltek. Viele seien hier geboren: &bdquo;Ihre Lebensleistung wird entwertet, wenn Zugehörigkeit über Hautfarbe oder Herkunft definiert wird.“ Türkischstämmiger Unternehmer fordert &bdquo;hartes Durchgreifen“ Der NRW-Integrationsrat warnt, dass &bdquo;ethnische Grenzziehung“ in Fragen der Zugehörigkeit schon im Nationalsozialismus eine Rolle gespielt habe. Der Hinweis erinnert an den von Adilovic im Frühjahr 2025 bei Facebook gezogenen Vergleich zwischen der gemeinsamen Abstimmung von CDU und AfD zur Migrationspolitik und der Machtergreifung Adolfs Hitlers im Jahr 1933. Adilovic erntete dafür heftige Kritik von mehreren Seiten, viele Beobachter fanden, sie habe übers Ziel hinausgeschossen und mahnten zur Besonnenheit. Nazi-Vergleich: Facebook-Post sorgt für Wirbel Es gibt allerdings auch in den Zuwanderer-Communities sehr wohlwollende Auffassungen der Äußerungen von Bundeskanzler Merz. Denn auch die in Deutschland geborenen Zuwanderer litten bisweilen unter kriminellen Entwicklungen, die auf nicht integrierbare Flüchtlinge zurückzuführen seien. &bdquo;Wegen solcher Krimineller leiden auch wir – zugewanderte Ausländer, die hier schon in zweiter, dritter oder vierter Generation leben“, sagt etwa ein türkischstämmiger Unternehmer, der nicht namentlich genannt werden will. &bdquo;Wir leiden unter dem Generalverdacht, der im Alltag immer deutlicher wird.“ Er selbst und viele seiner Bekannten forderten daher, die Politik müsse &bdquo;endlich hart durchgreifen.“ Lesen Sie auch: Wahl der Integrationsräte: AfD siegt bei vielen Migranten in OWL Information zur Kundgebung Das Bielefelder Bündnis gegen Rechts ruft für Freitag zu einer Demo und Kundgebung unter dem Motto &bdquo;Wir sind das Stadtbild“ auf. Anlass sind umstrittene Äußerungen von Bundeskanzler Friedrich Merz: &bdquo;Wir haben natürlich im Stadtbild immer noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen“, hatte er gesagt und später noch einmal bekräftigt. Er habe damit eine Meinung kundgetan, &bdquo;die menschenfeindlich und offen diskriminierend ist und die wir nicht akzeptieren wollen und werden!“, erklärte Klaus Rees vom Bündnis gegen Rechts. Die Demo soll am Freitag um 17 Uhr auf dem Bahnhofsvorplatz beginnen und dann durch die Bahnhofstraße und über den Jahnplatz zum Rathaus führen. Dort ist eine Abschlusskundgebung mit mehreren Redebeiträgen geplant.

Meistgelesen