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Dürre, Hitze, Borkenkäfer: Bielefelds Wälder kämpfen ums Überleben

Die Stadtförster bekommen zusätzliches Geld und Personal, damit sie den Kampf gegen die Auswirkungen der Klimakrise vielleicht doch gewinnen. Mitten im Baumsterben gedeihen grüne Hoffnungsschimmer.

17.08.2020 | 17.08.2020, 04:00
Künstliche Lichtung. - © Barbara Franke
Künstliche Lichtung. | © Barbara Franke

Bielefeld. Früher sah man an dieser Stelle des Hermannweges den Teutoburger Wald vor lauter Bäumen nicht. Doch seit ein paar Monaten schweift der Blick am Ebberg ungehindert in die Weite. Schwer gezeichnet durch die andauernde Dürre und den Angriff der Borkenkäfer knickten unter den Sägen der Forstarbeiter fast alle Fichten ein.

Die Stadtförster Thomas Busche (l.) und Herbert Linnemann (r.) erklären OB Pit Clausen die verschiedenen Methoden der Aufforstung. - © Barbara Franke
Die Stadtförster Thomas Busche (l.) und Herbert Linnemann (r.) erklären OB Pit Clausen die verschiedenen Methoden der Aufforstung. | © Barbara Franke

Es sei eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, bis der stattliche starke Nadelbaum vollständig aus dem heimischen Wald verschwinde, sagt Bielefelds Chef-Förster Herbert Linnemann. Während einer Safari durch die dürstende Natur zwischen Stieghorst und Senne erläuterte er das ganze Ausmaß der sich abzeichnenden Katastrophe. Von den rund 1.700 ha Stadtwald sei eine Fläche von 130 ha definitiv verloren und weitere 20 ha siechen noch dahin: „Die vom Borkenkäfer befallenen Bäume sind schon tot, bloß wissen sie es noch nicht."

Aufforstung an steiler Stelle. - © Barbara Franke
Aufforstung an steiler Stelle. | © Barbara Franke

Fast 10 Prozent des Stadtwaldes liegen im Sterben. Die gleiche Größenordnung gelte auch für den Wald der Stadtwerke (rund 600 ha) und die 3.000 ha der privaten Waldbesitzer. Vor einem Jahr sei man beim Stadtwald noch von einer Schadens-Fläche von 80 ha ausgegangen, nun habe sie sich fast verdoppelt, sagt Pit Clausen. Der Oberbürgermeister begleitete seine Ranger auf der Ausfahrt durch den südlichen Teuto.

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Überlebenskampf des Stadtwaldes im Teuto

Deswegen sei es auch so wichtig, dass sich die Bielefelder weiter für ihren Wald engagieren. Bisher habe die Spendenaktion „Ein Stück Bielefelder Wald" rund 160.000 Euro eingesammelt, durch die bereits 20.000 neue Bäume für den Stadtwald gepflanzt werden können. Das ambitionierte Ziel laute jedoch 80.000 neue Setzlinge.

Linnemann und sein Kollege Thomas Busche zeigen, wie die Aufforstung auf den kahlen Flächen funktioniert: Auf annähernd ebener Fläche gedeihen die kleinen Hainbuchen und Traubeneichen und Douglasien, kollektiv umzingelt von einem Zaun oder an steiler Stelle individuell geschützt durch bissfeste Kunststoffhüllen. Dort stehen die dürren Bäumchen und hoffen auch diesen Sommer auf Wasser. Eigentlich müsste es den Rest des Jahres durchregnen, um das neuerliche Defizit zu kompensieren, sagen die Profis und wissen um die Unwahrscheinlichkeit ihres Wunschdenkens.

Wo früher dichte Fichten standen, blickt der Wanderer jetzt bis in die Sennestadt. Doch die Aufforstung hat begonnen.  - © Barbara Franke
Wo früher dichte Fichten standen, blickt der Wanderer jetzt bis in die Sennestadt. Doch die Aufforstung hat begonnen.  | © Barbara Franke

Auf dem Weg zu Bielefelds höchster Erhebung namens Auf dem Polle (320 Meter) säumen Stapel von Fichtenstämmen die sandige Piste. Das einst edle Bauholz tauge in dem Fall nur noch für die Spanplatte oder lande als Hackschnitzel im städtischen Heizkraftwerk. Ließ sich früher mit dem Holz noch gutes Geld verdienen, so seien die Märkte gesättigt, und der Wert des Festmeters liege mit 25 Euro knapp bei den Erlösen von vor 70 Jahren.

Herbert Linnemann zeigt die Baumrinde mit Spuren der Borkenkäfer. - © Barbara Franke
Herbert Linnemann zeigt die Baumrinde mit Spuren der Borkenkäfer. | © Barbara Franke

Und zu den sinkenden Einnahmen kommen steigende Kosten. Den höchsten Posten verursache die Verkehrssicherung, sagt Thomas Busche: Auf einer Straßenlänge von rund 460 Kilometern sowie an 650 Einzelflächen müssen Mitarbeiter der Umweltbetriebe die Sicherheit der Bielefelder gewährleisten. Denn die Buche als neuer Problembaum mache seit drei Jahren enorm viel Arbeit. Deswegen will Clausen das bisherige Team um eine weitere Forstkolonne von drei Mitarbeitern aufstocken und den Etat für die Arbeiten der kommenden zwei Jahre verdoppeln, von ursprünglich 270.000 Euro auf 600.000 Euro.

Do es gibt auch gute Nachrichten aus dem Wald: Das seit Ende der 80er-Jahre konsequent praktizierte Aufforsten von jungen Bäumen im Schutz des lichten Bestandes zeigt Wirkung. „Der Wald wächst am besten im Wald", bringt Herbert Linnemann seine Philosophie auf den Punkt. So wachsen Birken und Douglasien im Schatten der sterbenden Fichten, verschont vom Wildwuchs der Brombeeren und Traubenkirschen. Ein grüner Hoffnungsschimmer.

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