So will die Bielefelder SPD die Kommunalwahl gewinnen

Bielefeld. Die SPD hat den Kommunalwahlkampf in Bielefeld am Samstag in der Stadthalle mit ihrer Wahlkreiskonferenz offiziell eröffnet. Oberbürgermeister Pit Clausen führt seine Reihen wohlgeordnet und runderneuert ins Feld. Der Wahlkampf ist klar auf den Amtsinhaber zugeschnitten: Die SPD ist Clausen und Clausen ist die SPD. Mit einer kämpferischen Rede eröffnete der Oberbürgermeister die Veranstaltung, die ob des Abstandes zwischen den einzelnen Tischen scheinbar das Ausmaß eines Bundesparteitages der Genossen annahm. Clausen präsentierte sich als Krisenmanager, der in seinen Amtszeiten den Haushalt der Stadt saniert und auch die Flüchtlingskrise 2015/2016 gemeistert hat. Die Folgen der Corona-Krise will er mit einem Investitionspaket von 500 Millionen Euro lindern. &bdquo;Die beste Antwort, die wir auf Corona geben können." Investiert werden soll in Breitbandausbau, Schulen, Kanäle, Straßen, die Hauptfeuerwache, Radwege, ÖPNV und das Kombibad Jöllenbeck. Bekannte Genossen, wie die Bundestagsabgeordnete Wiebke Esdar, Fraktionschef Georg Fortmeier oder die Bezirksbürgermeister Regina Kopp-Herr und Hans-Jürgen Franz haben sich höheren Aufgaben zugewendet, sich von der politischen Bühne verabschiedet, sind ins zweite Glied zurückgetreten oder sind verdrängt worden. So stellten sich viele neue Gesichter als Kandidaten für die 33 Wahlkreise zur Kommunalwahl in kurzen, erfrischenden Videos auf der Leinwand in der Stadthalle vor. Mit einer paritätisch besetzten Mannschaft und einer guten Mischung aus Erfahrung und frischem Wind will die SPD punkten. Zudem sind einige Kandidaten mit Zuwanderungsgeschichte vertreten. Als Stratege hinter dem sogenannten Bielefeld-Plan gab sich Riza Öztürk, der sowohl für den Wahlbezirk 01 kandidiert, als auch über die Reserveliste auf Platz eins abgesichert ist. Der designierte Fraktionschef stellte klar, dass die SPD seit knapp zwei Jahren auf die kommende Wahl hinarbeitet und als Kernziele Mobilität, Wohnen, Bildung und die soziale Stadt Bielefeld als Themen, die in dieser Stadt wichtig sind, ausgemacht hat. Einstimmig wurde das Programm angenommen. Wer soll die SPD wählen? Im Gegensatz zur Bundes-SPD haben die Bielefelder Genossen klare Botschaften und eine klar definierte Zielgruppe: die sogenannten kleinen Leute, die mit Rad, Bus oder Bahn zur Arbeit fahren und bezahlbaren Wohnraum brauchen. Lehrer, Polizisten, Erzieher oder Facharbeiter sollen es sich leisten können, in dieser Stadt zu wohnen. Zudem haben die Genossen die Wähler mit migrantischen Wurzeln im Blick. Wie stehen die Chancen der SPD? Derzeit sehr gut. Der Oberbürgermeister kann den Bonus des Amtsinhabers voll ausspielen. Zusammen mit seinem Parteifreund Ingo Nürnberger hat er Bielefeld auch gut durch die Corona-Krise geführt. Entscheidender Vorteil: Clausen kann Dinge entscheiden und umsetzen, die den Menschen wie gerade Kita-Eltern offensichtliche Vorteile bringen. Und die Zeit spielt für ihn. Während die Herausforderer Mühe haben, sich den Bielefeldern bis zum 13. September bekanntzumachen, ist der Oberbürgermeister seit über einem halben Jahr im Wahlkampfmodus, lässt sich blicken und steht in der Zeitung. Zusammen mit seinen Genossen präsentiert er eine Einheit – auch eine Tugend, die den überregionalen Genossen abgeht. Wie sind die Herausforderer aufgestellt? Nach 28,15 Prozent bei den Europawahlen vor einem Jahr, sahen viele schon einen Grünen als künftigen Rathauschef. Aber die Umweltschützer haben es versäumt, Britta Haßelmann die Aufgabe als mögliche Oberbürgermeisterin schmackhaft zu machen. Die viel geschätzte Bundespolitikerin hat in Bielefeld im Gegensatz zur aktuellen Kandidatin Kerstin Haarmann eine sehr starke Basis und hätte als Herausforderin Pit Clausen sehr gefährlich werden können. So müssen sich die Grünen darauf verlassen, dass den Menschen das gefährdete Klima bald wieder verstärkt ins Bewusstsein rückt, denn auch die Friday-for-Future-Bewegung hat gerade Coronapause. Die CDU hat in Bielefeld bei den vergangenen Wahlen arg geschwächelt und sich nach langem Ringen vielleicht zu spät neu aufgestellt. 21,70 Prozent bei den Europawahlen waren sicherlich der Tiefpunkt. Wieder stärkste Partei in der Stadt zu werden, ist eine große Aufgabe. Dem unermüdlichen Kämpfer und kenntnisreichen Kommunalpolitiker Ralf Nettelstroth ist das durchaus zuzutrauen, aber Clausens Vorsprung im Wahlkampf ist riesengroß. Und die Schützenhilfe für die Christdemokraten aus dem bürgerlichen Lager, das Rathaus zu erobern, ist doch eher übersichtlich. Die Linken haben mit Barbara Schmidt ihre Galionsfigur verloren, zudem fischt die SPD ganz gewaltig in deren Klientel. Tausendsassa Jan-Maik Schlifter und sein sympathisches Team bringen mit der FDP viele frische Ideen in die Kommunalpolitik, sammeln aber eher fleißig kleine Punktsiege. Die BfB hat sich in den vergangenen Jahren selbst zerlegt, OB-Kandidat Rainer Ludwig macht derzeit eher durch sein Bemühen um die Verlegung des Wahltermins von sich reden, als mit politischen Inhalten, mit denen die Bielefelder etwas anfangen können. Der rhetorisch begabte Mehrheitsbeschaffer Michael Gugat ist weiterhin im Blickfeld, scheint aber seinen Instinkt für populäre politische Nischen verloren zu haben. Die AfD ist die große Unbekannte im Rennen. Sie wird im Stadtrat vertreten sein. Wahrscheinlich aber im bunten und weltoffenen Bielefeld nicht so stark.

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