Bielefeld Bielefelder Parteien unter Druck: So bremst Corona den Wahlkampf aus

Bielefeld. Die Corona-Krise ist über die Bielefelder Parteien in einer heißen Phase des Kommunalwahljahres hereingebrochen. Eigentlich müsste jetzt eine Versammlung, eine Sitzung, eine Bürgerveranstaltung die nächste jagen. Wahlprogramm und Listen müssen aufgestellt, Kandidaten fürs Oberbürgermeisteramt nominiert Wahlkampftermine geplant werden. Doch Corona setzt neue Themen, torpediert Zeitpläne, hält die Wähler auf Abstand und zerrt an Demokratie und Nerven. SPD stimmt auf desinfizierten Tablets ab Eigentlich wollte die Bielefelder SPD-Vorsitzende Wiebke Esdar im Mutterschutz ihr Parteiengagement zurückfahren. &bdquo;Aber wir mussten in zu vielen Bereichen umdisponieren." Die Wahlkreiskonferenz am 25. April zur Kandidaten-Aufstellung. Abgesagt. &bdquo;Schon aus Rücksicht auf unsere älteren Delegierten." Die ausstehenden Aufstellungsversammlungen, bei denen alle Parteien über ihre Listen für Bezirksvertretungen und Stadtrat abstimmen, sind als demokratische Notwendigkeit zwar erlaubt. Doch Raumsuche und Hygiene stellen vor neue Herausforderungen. &bdquo;Zusätzlich zu Mundschutz und Bestuhlung auf Abstand wird es bei der SPD keine Stimmzettel geben", so Esdar. Jeder bekomme einen desinfizierten Tablet-Computer für die wahlkonforme Stimmabgabe. &bdquo;Wir arbeiten mit einem Unternehmen zusammen, das auch die Jahreshauptversammlungen bei großen Bundesligavereinen begleitet." Als Partei, die den Oberbürgermeister und mit Ingo Nürnberger den städtischen Krisenstabschef stelle, sei man noch mehr im Krisen- als im Wahlkampfmodus, sagt Esdar. In die Wahlvorbereitungen war die SPD früh gestartet: Pit Clausen ist als OB-Kandidat formal nominiert. An das eigentlich fertige Wahlprogramm muss die SPD noch einmal ran. Die Corona-Krise setze neue Prioritäten, so Esdar. Grüne tagen und debattieren jetzt digital Im Wahlkampf angekommen sind wohl am ehesten die Grünen: Sie stehen vor der schwierigen Aufgabe, ihre in Bielefeld noch unbekannte OB-Kandidatin Kerstin Haarmann vorzustellen. &bdquo;Zu den Leuten zu kommen ist jetzt komplizierter", sagt Haarmann. Über digitale Formate, bei denen auch Interaktion möglich ist, sucht sie bereits den Austausch mit den Bürgern. &bdquo;Unsere Social-Media-Kanäle haben zudem seit Beginn der Krise an Reichweite gewonnen", sagt Grünen-Sprecherin Schahina Gambir. Intern setzen die Grünen wie alle Parteien auf Videokonferenzen. Auch die nächste Mitgliederversammlung wird digital ablaufen, das Wahlprogramm online debattiert werden. Doch das Digitale hat Grenzen: Die Listenaufstellung und die Bestätigung der OB-Kandidatin seien rein digital nicht wahlrechtskonform möglich, bedauert Gambir. Den Termin für die notwendige Versammlung wollen die Grünen je nach Corona-Lage kurzfristig ansetzen. CDU: Persönlicher Kontakt fällt weg Unter Zeitdruck steht die CDU: Für die noch ausstehenden Nominierungsparteitage in drei Bezirken müssen größere Räume gefunden werden. Der zentrale Parteitag mit Kandidatenaufstellung könne wohl erst Mitte Juni stattfinden, so der Fraktionsvorsitzende und designierte OB-Kandidat Ralf Nettelstroth. Bis zum 16. Juli müssen die Wahlvorschläge der Parteien beim Wahlamt vorliegen. Videokonferenzen sieht Nettelstroth kritisch. Sie funktionierten zwar, könnten den Austausch mit den Mitgliedern aber nicht wirklich ersetzen. &bdquo;Es gibt viele Leute, die nicht digital unterwegs sind und einbezogen werden müssen." Das treffe auch auf die Wähler zu. Plakatwerbung und die Ansprache über etablierte Medien würden in diesem Wahlkampf wichtiger werden. Dass der persönliche Kontakt derzeit nicht möglich sei, sei für die Kommunalpolitik &bdquo;eine schlimme Sache": &bdquo;Die unmittelbare Ansprache und die unmittelbare Reaktion bei Veranstaltungen fallen weg." FDP findet Wahlkampf noch nicht angemessen Laut Jan-Maik Schlifter, Parteichef und OB-Kandidat der Bielefelder Liberalen, will seine Partei nicht stärker plakatieren. &bdquo;Das Plakat ist sicherlich das Leitmedium, um sich Menschen vorzustellen, aber es kann nicht die argumentative Schiene ersetzen." Die FDP setzt auf Flyer und klassische Medien. Digitale Formate könnten Live-Veranstaltungen nicht ersetzen, sagt auch Schlifter. &bdquo;Klassische Formate sind viel niederschwelliger." Die Aufstellung der FDP-Kandidaten, die für den 28. März geplant war, wird jetzt am 6. Juni stattfinden. Um alle Formalien über die Bühne zu bringen, sei die Frist am 16. Juli knapp, sagt auch Schlifter. Anders als das Organisatorische soll der Wahlkampf bei der FDP noch zurückstehen. Schlifter: &bdquo;Mitten in der Krisensituation einzusteigen, finde ich nicht angemessen." Linke: Versammlung ist notwendige Zumutung Am 16. Mai wollen die Linken groß tagen. Das sei für die Mitglieder jedoch eine Zumutung, sagt Dirk Schmitz vom Kreisvorstand: &bdquo;Als kleine Partei wählen wir alle Listen und Kandidaten auf einmal. Das kann bis zu acht Stunden dauern, während der Stadtrat wegen Corona maximal 15 Minuten tagen darf." Mitglieder, die älter seien oder Vorerkrankungen hätten, würden abgeschreckt. &bdquo;Demokratische Prinzipien sind so nicht mehr gewährleistet", sagt Schmitz. Auch Video-Formate könnten nicht für die nötige Teilhabe im Wahljahr sorgen. &bdquo;Viele Menschen haben nicht das technische Wissen, nicht jeder kann sich Flatrates und schnelles Internet leisten. Andere bleiben aus Datenschutzgründen weg." Die Linken wollen ebenfalls auf Plakatierung setzen: &bdquo;Wie sollen wir sonst an die breite Öffentlichkeit kommen."

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