Jahnplatz-Opfer: „Fühle mich nicht mehr als Frau“

Bielefeld. Unter Tränen betrat die 43-jährige Bielefelderin den Gerichtssaal. Das erste Mal seit dem 20. September sollte die fünffache Mutter auf ihren Peiniger treffen. Ihr Ex-Partner (46) steht seit gestern wegen versuchten Totschlags vor dem Bielefelder Landgericht. Mit zahlreichen Messerstichen ins Gesicht und auf ihren Kopf soll er damals im Jahnplatz-Tunnel versucht haben, seine Ex-Partnerin umzubringen. Das jedenfalls sagt die Staatsanwaltschaft. &bdquo;Ich wollte sie zu keinem Zeitpunkt töten", widerspricht der Angeklagte. Nur eine mobile Sichtschutzwand verhindert, dass sich Opfer und Täter ins Gesicht blicken können. Die Wand ist zum Schutz der Frau aufgestellt worden. Während er zuhört, aber nicht zusehen kann, berichtet sie von einer jahrelangen Tortur in einer gewalttätigen Beziehung, aus der jahrelang kein Entrinnen möglich war. Die damals lebensgefährlich Verletzte ist bis heute sichtlich gezeichnet – nicht nur durch die zahlreichen Narben im Gesicht, am Kopf und an den Armen, auch die Verletzungen an ihrer Seele sind spürbar. Alpträume, Unruhe, Panikattacken begleiten sie seither. Wenn er die Medikamente nicht nahm, wurde er aggressiv Mit zitternder Stimme berichtet sie, wie sich die beiden im Jahre 2000 kennenlernten. Der Vorsitzende Richter Christoph Meiring will verstehen, wie aus einer Liebe so viel Hass entstehen konnte. &bdquo;Er hat mir nach meiner Trennung beigestanden, er war immer bei mir, wenn es mir schlecht ging", berichtet die 43-Jährige von früher. Doch nachdem sie in eine gemeinsame Wohnung ziehen und vier gemeinsame Kinder bekommen, ändert sich alles. &bdquo;Manchmal nahm er seine Medikamente nicht. Er sagte, die seien zur Beruhigung", sagt die Bielefelderin. &bdquo;Dann wurde er aggressiv." Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte psychisch krank ist und die Tat am 20. September im Zustand verminderter Schuldfähigkeit beging. Schon früh soll der in Istanbul und Gütersloh aufgewachsene Türke, der seit den 1990er Jahren einen deutschen Pass hat, seine Partnerin gedemütigt haben. Er soll Frau und Kinder verängstigt und geschlagen haben. Er geriert sich als unantastbarer Familienpatron: &bdquo;Er hat mich nie als Frau gesehen, sondern immer als Sklavin." "Machst Du das noch einmal, ziehe ich Dir die Haut herunter" Laut Vorstrafenregister wurde der 46-Jährige dreimal wegen Körperverletzung zu Geldstrafen verurteilt. Alle drei Fälle beziehen sich auf Vorfälle außerhalb der Familie. Die Anzeigen seiner Lebenspartnerin blieben ohne Folgen – auch, weil sie die Vorwürfe selbst wieder zurückzog. Nach einer ihrer Strafanzeigen soll er ihr gedroht haben: &bdquo;Mach das noch einmal und ich reiße Dir die Haut runter", berichtet die 43-Jährige. Sie macht die Erfahrung, dass ihre Hilferufe ungehört bleiben. Weder die alarmierte Polizei noch der gerufene Krisendienst noch die psychiatrische Klinik, die den Angeklagten kurz aufnahm, erkannten die Gefahr, die von dem Mann ausgeht: &bdquo;Ich hatte keine Wahl: Ich dachte, ich kriege sowieso keine Unterstützung", erinnerte sie sich. Auch nach der Trennung des Paares soll er noch jeden ihrer Schritte kontrolliert, die Kinder nach ihren Aktivitäten ausgequetscht haben. &bdquo;Er war trotzdem jeden Tag bei mir. Ich habe keine Luft mehr bekommen, weder zu Hause, noch draußen." "Das bin nicht mehr ich" Schließlich erhält sie von ihm Morddrohungen – per Kurznachricht, per Telefon, über die Kinder. Immer wieder wirft der Angeklagte ihr vor, seine Ehre und die der Kinder verletzt zu haben. &bdquo;Ich habe ständig in Angst gelebt", sagt sie. Das Gericht zeigt Chatprotokolle und handgeschriebene Drohungen mit übelsten Beleidigungen und Beschimpfungen. Drei Tage vor der Tat legt der 46-Jährige Blumen und eine Versöhnungskarte vor ihre Tür, obwohl er sich ihr seit Mai nicht mehr als 20 Meter nähern darf. Zwei Tage später kündigt er wieder eine Bluttat an. Tags darauf wird seine Drohung wahr – auf dem Bahnsteig. Der Angeklagte zieht laut eigener Einlassung ein Küchenmesser aus seiner Hosentasche – angeblich hat er es immer zum Obstschälen dabei – und sticht immer wieder zu. Als die 43-Jährige von der Attacke berichtet, bricht sie in Tränen aus: &bdquo;Ich fühle mich nicht mehr als Frau. Ich kann mich nicht mehr im Spiegel ansehen. Das bin ich nicht mehr." Der Prozess wird fortgesetzt.

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