Satire

Kleiner Turm, was nun?

Flottmanns Gedanken: Die Wahrheit über das Wahrzeichen der Stadt erschüttert die Region.

Der geschrumpfte Turm der Sparrenburg. | © Sarah Jonek

15.02.2020 | 15.02.2020, 16:55

Bielefeld. Das Leben ist voller Überraschungen. Häufig glauben wir, die Welt genau zu kennen und uns unserer Sache ganz sicher zu sein, bis plötzlich und unerwartet unser Weltbild wie eine Seifenblase zerplatzt. Lange Zeit waren die Menschen tatsächlich fest davon überzeugt, die Erde sei eine Scheibe, Spinat habe einen besonders hohen Eisenanteil oder die Rente sei absolut sicher.

Jetzt müssen wir auch noch damit fertig werden, dass die Höhe unseres geliebten Sparrenburgturmes nicht, wie uns immer Glauben gemacht wurde, 37 Meter, sondern nur 31,5 Meter beträgt! Ein ganz herber Schlag für alle, die ihr Selbstwertgefühl an die Turmhöhe gekoppelt haben, schließlich ist ein Minus von fast 15 Prozent nicht so leicht zu verkraften.

Kein Eiffelturm in der Eifel

Viele fragen sich nun, wie so etwas möglich ist in einer Welt, in der man lückenlose Bewegungsprofile erstellen, Konsumverhalten punktgenau voraussagen und Menschen gezielt aus Hunderten von Kilometern eliminieren kann? Menschliches Versagen? Mangelndes Qualitäts-Management? Internationales Desinteresse? Gezielte Desinformation?

So tragisch der geschrumpfte Turm auch für das Stadt-Image sein mag, was Irrtümer betrifft, befinden wir uns damit in guter Gesellschaft. Auch der Fünf-Meter-Raum im Fußball ist weder fünf Meter breit noch tief, ’Der beste Mix’ klingt eher wie akustisches Rührei und nicht mal der Eiffel-Turm steht in der Eifel!

Ist der Kesselbrink wirklich ein Platz?

Darum sollten wir uns ob der Turmverkürzung nicht zu sehr grämen. Solche Krisen sind auch immer ein Chance, ein Angebot des Schicksals zur inneren Reinigung, das wir dazu nutzen können, unser Selbstbild von Grund auf zu überprüfen. Schließlich gibt es viele Dinge, die man von Zeit zu Zeit hinterfragen sollte. Ist der Kesselbrink wirklich ein Platz? Stehen East- und Westend-Tower eigentlich geografisch richtig? Ist die Entgleisung Heepens für die Ewigkeit? Hat Bielefeld für den Titel ’Großstadt’ vielleicht noch nicht die nötige Reife? Aber auch im persönlichen Bereich gibt es möglicherweise einige langlebige Irrtümer aufzudecken.

Manchmal hilft schon einfaches Nachmessen: Sind die Wege, die mir das Leben auferlegt, tatsächlich so weit, dass ich sie mit dem Auto zurücklegen muss? Bin ich – abgesehen vom Körperumfang – wirklich so groß und wichtig wie ich glaube? Ehrlich gesagt, habe ich die leise Vermutung, dass einigen 15 Prozent weniger sicherlich nicht schaden würden.