Hilft den Bettlern mein Geld? Experten sagen: Nein.

Bielefeld. 47.000 Bielefelder gelten als arm. Viele davon sind bereits weit aus den Hilfsnetzen gerutscht. Allein in den städtischen Wohnungslosenunterkünften leben aktuell 400 Personen ohne eigenes Dach über dem Kopf. Weitere leben in anderen Unterkünften, manche meiden selbst diese Angebote und schlafen unter Brücken oder in Zelten. Entsprechend viele Bettler sind tagsüber in der Innenstadt zu sehen. Hilft ihnen eine kleine Spende? Die Experten der Bielefelder Wohnungslosenhilfe warnen. Ist Kleingeld eine Hilfe für den Bettler? Andrea Knoke, Regionalleiterin von &bdquo;Bethel.regional", ist sich sicher: &bdquo;Sie verbessern die Situation dieser Menschen mit dem Kleingeld nicht." Dorothee Engelbrecht, Streetworkerin beim Bethel-Sozialdienst, erklärt: &bdquo;Wenn die Betroffenen beim Betteln gutes Geld verdienen, dann nehmen viele die vorhandenen Hilfen nicht an." So habe es Fälle gegeben, da waren die Wohnungslosen so zufrieden mit dem bescheidenen Einkommen auf der Straße, dass sie alle anderen nötigen Hilfen links liegenließen. &bdquo;Oft sind diese Menschen dann nicht einmal krankenversichert", betont Engelbrecht. Bielefelds Sozialpfarrer Matthias Blomeier ist beim Bielefelder Tisch engagiert, der pro Woche bis zu 1.000 Menschen versorgt. An der Heeper Straße gibt es dreimal die Woche eine warme Mahlzeit, für eine Lebensmitteltüte zahlen Bedürftige 1,50 Euro, Brot- und Brötchentüten gibt es für 1 Euro. Trotzdem sagte dem Sozialpfarrer mal ein Bettler, wenn er zum Essen an die Heeper Straße käme, hätte er einen Einnahmeausfall. Die Stadt kennt ähnliche Beispiele, bei denen die Großzügigkeit der Bürger die Hilfe der Behörden verhindert hat, sagt Sozialdezernent Ingo Nürnberger. Einige Wohnungslose sind in der Stadt seit Jahren bekannt und genießen daher ein großes Vertrauensverhältnis. Betteln für Alkohol ist erlaubt Particia Frommer, Leiterin der städtischen Abteilung &bdquo;Wohnungsnotfälle" will die Einschätzung der Profi-Helfer deshalb auch nicht als Verbot verstehen: &bdquo;Wenn Bettler ehrlich sind, finde ich eine Geldspende ok." Oft werde Bettlern vorgeworfen, sie fragten nach Geld für einen Kaffee oder Brötchen und kauften sich dann doch nur Schnaps. Frommer gibt zu bedenken: &bdquo;Für viele Menschen auf der Straße ist Alkohol auch eine Hilfe – auch als Schmerzmittel." Lebensgefährliche Kälte Gefährlich sei Alkohol dafür aber, weil er die Unterkühlung beschleunigt. Wer also im Freien schläft, begibt sich im Rausch schnell in Lebensgefahr. &bdquo;Ab 6 Grad Celsius wird es gefährlich", sagt Hendrik Arend von der Abteilung &bdquo;Soziale Wohnungsnotfälle" beim Sozialamt. Wie viel Kälte ein Mensch aushält, hängt von mehreren Faktoren ab: Wind, Feuchtigkeit und Schlafsack auf der einen Seite, aber auch die körperliche Verfassung und Muskelarbeit auf der anderen. Aktue Not auf der Straße melden Immer wieder erreicht die Experten der Wohnungslosenhilfe im Winter eine Frage: &bdquo;Was kann ich tun, wenn ich einen Obdachlosen auf der Straße sehe?" Patricia Frommer: &bdquo;Wenn Personen offenkundig auf der Straße leben und schlafen, dann sollte man mit uns Kontakt aufnehmen." Die Sozialarbeiter für Wohnungslose bei der Stadt sind von 8 bis 18 Uhr erreichbar (Tel. (05 21) 51 34 26 oder 51 22 06) und informieren umgehend die Streetworkerin. &bdquo;Diese nimmt möglichst schnell Kontakt zu dem Obdachlosen auf und klärt, ob akute Hilfe und eine Notunterkunft nötig sind." Denn freie Unterkunftsplätze stehen genügend zur Verfügung: &bdquo;Aber man kann keinen zwingen", sagt Frommer. Geschlossene Räume stellen für manche ein Problem dar. Oft seien mehrere Besuche und viel Zeit nötig, um Überzeugungsarbeit zu leisten, sagt Engelbrecht: &bdquo;Wenn wir zu aufdringlich werden, ziehen sie sich in den Wald zurück. Alle Hilfe ist eine Frage der Beziehung." Hilfe in der Nacht In den Abend- und Nachtstunden sollte man Rettungsdienst (112) oder Polizei (110) informieren, sagt die Stadt. Die Leitstellen informieren dann den Bereitschaftsdienst des Sozialamts. Soll ich die Betroffenen selbst ansprechen? Bevor ich einfach Hilfe rufe, sollte man die Betroffenen ansprechen. Das gebietet die Höflichkeit. Streetworkerin Dorothee Engelbrecht sagt aber auch: &bdquo;Oft liegen in so einem Schlafsack multiple, auch psychische Problemlagen. Deshalb rate ich, sich noch einen Helfer dazu zu holen." Ingo Nürnberger ergänzt: &bdquo;Keiner muss ein Held sein. Wer ernste Sorgen, dass es jemandem nicht gut geht, aber Angst hat, ihn anzusprechen, der sollte lieber einmal zu viel, als einmal zu wenig anrufen." Dorothee Engelbrecht betont: &bdquo;Die meisten kennen wir. Ein Großteil derjenigen, die draußen Platte machen, können wir versorgen. Nur Vereinzelte sperren sich." Lesen Sie auch: Immer mehr junge Obdachlose prostituieren sich für ihren Schlafplatz Lager von Bielefelds bekanntestem Obdachlosem zwangsgeräumt Nach der Zwangsräumung: Sie nahmen mir mein Zuhause Seine Eltern sind Banker - doch er lebt auf der Straße

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