
Bielefeld. Wegen der Trockenheit mussten die Kartoffeln dieses Jahr besonders leiden. Im Gegensatz zu den Vorjahren konnte der Agrarbetrieb Upmeyer zu Altenschildesche deshalb nur die Hälfte einfahren. Weil die Upmeyers keine Pflanzenschutzmittel gegen Schädlinge einsetzen, waren viele Kartoffeln zudem "krank wegen der Ungeziefer", sagt Landwirtin und Ernährungsratmitglied Karin Upmeyer zu Altenschildesche.
"Wir können dankbar sein", sagt sie, "dass wir im Norden Bielefelds liegen, wo die Böden schwerer sind und mehr Feuchtigkeit speichern können." Auch die anderen heimischen Landwirte hatten jenseits der Kartoffeln Ernteeinbußen. Überraschenderweise aber nur leicht. Durch die Hitze wurden größere Verluste erwartet. Dennoch herrscht bei ihnen eine bedrückte Stimmung.

Die Lebensmittel in den Läden sind nicht selbstverständlich
Bedrückt ging es allerdings am Donnerstag, 26. September, im Alten Rathauses nicht zu: Viele Landwirte und Ernährungsratmitglieder feierten gemeinsam mit dem Oberbürgermeister das Symbol des Erntedankfestes - die Erntekrone. Umringt von Früchten und Lebensmitteln wurde sie eigens für Pit Clausen im Foyer aufgebaut wurde. Der Landwirtschaftliche Kreisverband Herford-Bielefeld und der Kreislandfrauenverband Bielefeld nutzen diese Tradition, um auf die Wichtigkeit der heimischen Landwirtschaft aufmerksam zu machen.

Anne-Katrin Nolting-Obermann vom Landfrauenverband bemerkte, dass die Gesellschaft die Lebensmittel, die ihnen zur Verfügung ständen, viel zu selbstverständlich nehme: "Erntedank ist somit ein Anlass, über die Herkunft unserer Produkte nachzudenken und das eigene Konsumverhalten kritisch zu hinterfragen."
Agrarpaket bedroht Landwirtschaft
Der Vorsitzende des Kreisverbands, Hermann Dedert, erzählte von einem Gespräch mit einem Jungbauern, der sich entschieden hatte, keine Landwirtschaft mehr zu machen, weil er es, wirtschaftlich gesehen, zu schwer fände.
Die ganzen Auflagen, wie zum Beispiel das jüngste Agrarpaket der Bundesregierung, würde es jungen Landwirten nicht mehr erlauben einen einigermaßen anständigen Ertrag und somit Profit zu erwirtschaften. Zudem würde der gesellschaftliche Druck, wie zum Beispiel bei der Schuldfrage zum Klimawandel oder zum Insektensterben, viele Jungbauern abschrecken.
Das dürfe so nicht weiter gehen, appelliert Dedert. "Das, was die regionale Landwirtschaft leistet, muss mehr in den Vordergrund rücken!" Auch in der Politik. Das Agrarpaket schwäche die internationale Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Bauern und sorge langfristig dafür, dass die Landwirtschaft in Deutschland nicht mehr möglich sei.
Wohnungsbau versus Ackerbau
Ein weiteres Thema, das die Landwirte beschäftige, sei der zunehmende Flächenverbrauch in Bielefeld. Flächen, die schon einmal bebaut waren, könnten nicht mehr als Agrarfläche genutzt werden, so der Vorsitzende.
Der symbolisch erhobene Zeigefinger ging in Richtung Clausen. Wie berichtet plant die Stadt im Gebiet Babenhausen mehr als 4.000 neue Wohneinheiten, zum großen Teil auf landwirtschaftlich genutzten Flächen. Insgesamt habe die Bielefelder Landwirtschaft in den vergangenen Jahren knapp zehn Prozent an Flächen verloren.
Der Oberbürgermeister nahm den symbolischen Zeigefinger zu Kenntnis, erwiderte aber auch, dass dieses Thema noch viel Streitpotenzial beinhalte. Der meiste Flächenverbrauch sei nicht der Wohnbebauung, sondern dem Verkehrsausbau geschuldet. Dass die Stadt wachse und dafür Lösungen her müssten, sei nicht von der Hand zu weisen, so Clausen.