Aktivisten verärgert: Bielefeld ignoriert seine Fußgänger - anders als Kopenhagen

Bielefeld. Radfahrer. Autofahrer. E-Scooter. E-Roller. Mehr Busse. Leih-Räder. Neue Stadtbahnstrecken. Die Verkehrswende kennt viele Stichwörter. Nur eines taucht extrem selten auf, findet Günter Hölling. Zu selten. Es lautet: Fußgänger. Das stört ihn. Denn: "Es gibt keinen Weg, an dem nicht das Gehen seinen Anteil hat." Lange sei das Gehen als notwendiges Übel angesehen worden - "weil es ja so viele technische Hilfsmittel gibt". Die Menschen seien fußfaul geworden. Doch wenn nun der Anteil der zu Fuß zurückgelegten Wege um fast 50 Prozent auf ein Viertel aller Wege in Bielefeld gesteigert werden solle, dann müsse die natürlichste aller Fortbewegungsmethoden auch in den Fokus gerückt werden. Ignorante Gutachter Doch egal welches Gutachten zur Verkehrswende geschrieben werde, zum Thema Fußgänger heiße es immer nur: ",Da müsste man sich mal kümmern' oder ,Da bräuchten wir mal Zahlen' oder ,Das stellen wir erst einmal zurück'." Fördertöpfe würden so natürlich nicht erschlossen. Das aber sei zu wenig, sagt Hölling. Aus dem Verein Gesundheitsladen heraus hat er nun eine Initiative gegründet, an der die Uni, Krankenkassen, Ärzte, Elternvertreter und Bürger teilnähmen. "Gesund unterwegs - von 8 bis 80" nennen sich die zwölf Aktiven. Ihr Ziel: bis zum Jahresende Impulse setzen. Begehung am Sonntag Erster Impuls: Am Sonntag, wenn die Herforder Straße autofrei ist und mal wieder Tausende Radfahrer und Skater im Mittelpunkt stehen, geht die Gruppe zu Fuß bis zur Radrennbahn, vielleicht auch bis Heepen. "Begehung" nennt Hölling das - "wir wollen aufarbeiten, wie es auf dieser Strecke für Fußgänger aussieht". Die Ergebnisse sollen aufgearbeitet und präsentiert werden. Auch arbeite die Gruppe an einer Vorlage für die kommunale Gesundheitskonferenz im November - und auch in den Stadtentwicklungsausschuss will Hölling das Thema tragen. Es sei Zeit für solche Vorstöße, denn: "Es gibt in Bielefeld keinen einzigen Verband, der vorrangig die Fußgänger im Blick hat." Räume für Fußgänger Für ihn steht fest: Fußgänger brauchen ihre Räume, brauchen für sie gestaltete Räume, in denen sie auch geschützt unterwegs sein können. Vorbild Kopenhagen: Hier gibt es abgetrennte Fußgängerwege. "Wir sollten unsere Gehwege vom Achtjährigen aus denken - und vom 80-Jährigen; dann kommen alle gut klar." Fakt sei: Das Zu-Fuß-Gehen dürfe nicht als "Restgröße" behandelt werden, der Gehweg eben keine "Restgröße" sein, wenn Auto- und Radfahrer um Verkehrsflächen stritten. Nein, Gehwege müssten attraktiver werden: breiter, mit Bänken, kleinen Spielangeboten für Kindern, ausladenden Begegnungsbereichen. Gehwege seien das "Rückgrat der Infrastruktur", nur sie seien durchgängig in der Stadt vorhanden. Nun gehörten sie aufgewertet. Der Stadtraum gehöre neu diskutiert. Stadtraum neu diskutieren Hölling: "Warum nicht Parkhäuser in der Altstadt nur noch für Anwohner? Warum nicht die Parkplätze nur noch für den Lieferverkehr und Handwerker?" Freies Denken schade nicht. Dabei nimmt er mehr den Auto- als den Radverkehr ins Visier: "Wir wollen ja nicht gegen den Radverkehr sprechen." Seine Vision: In der Altstadt könnte alles zur Fußgängerstraße werden, was hieße, dass Autos und Räder nur noch ein Mitnutzungsrecht hätten, aber eben nachrangig. Masterplan Gehen Der Einsatz für Fußgänger nütze dabei allen, so Hölling. Argumente? Keine Emissionen. Gut für die Gesundheit. Kann quasi jeder. Braucht wenig Platz. Ist kostengünstig. Ist immer verfügbar. Deshalb sei es an der Zeit, einen "Masterplan Gehen" ins Leben zu rufen. Mit Bürgerbeteiligung - und das möglichst schnell.

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