„Ein Zweischlingen für den Kesselbrink“

Bielefeld. Das schwarze T-Shirt, das Dietmar Garling beim achten Mittagsgespräch im Holzhaus trägt, ist ein Statement. Gleich dreimal ist die Silhouette der Sparrenburg zu sehen – in rot, orange und gelb. &bdquo;Es steht dafür, dass ich mit den Jahren zum Lokalpatrioten geworden bin", sagt der 61-Jährige, den es 1977 aus seiner Heimatstadt Witten zum Studium der Soziologie nach Bielefeld verschlagen hatte. Damals habe er sich schwergetan mit der tristen Stadt am Teuto und ihren Menschen, räumt er ein. &bdquo;Die Leute waren so maulfaul." Das sei er aus dem Ruhrgebiet nicht gewohnt gewesen. &bdquo;Dort bist du früher in eine Kneipe gegangen und sofort ins Gespräch gekommen." Doch der Student blieb trotzdem, lernte den hiesigen Menschenschlag langsam zu schätzen und sagt heute: &bdquo;Ich lebe gerne hier." "Die urbane Ausprägung Bielefelds könnte noch stärker sein" Lob gibt es von Garling für das viele Grün, für die kurzen Wege in der Stadt und heraus aus ihr, die vielfältige Kultur, die gute Fernverkehrsanbindung, aber auch für den Gegensatz zwischen dem urbanen Zentrum und den ländlichen Stadtteilen. &bdquo;Ich mag diese Kontraste, allerdings könnte die urbane Anmutung und das Flair, gerade im Vergleich zu anderen Großstädten, noch eine deutlichere Ausprägung vertragen", meint Garling, der seit 2001 als Erzieher in einer Wohngruppe für Kinder und Jugendliche in Bethel arbeitet und vom Leben in diesem Quartier sehr angetan ist. Es gibt aber auch Dinge, die ihn an &bdquo;seiner Stadt" stören. Der Radverkehr werde viel zu sehr vernachlässigt. &bdquo;Wir brauchen ein energisches Umdenken und Umsteuern. Wir müssen weg von der Vorrangpolitik für den Autoverkehr hin zu einem viel besseren öffentlichen Nahverkehr und einem exzellent ausgebauten Radwegenetz. Und das zügig", sagt Garling mit Nachdruck. "Die E-Scooter verstopfen nur den ohnehin schon engen Verkehrsraum" Von den mehr als 500 E-Scootern, die seit wenigen Wochen in Bielefeld ausgeliehen werden können, hält er &bdquo;rein gar nichts". &bdquo;Das sind doch nur Spaßgeräte", sagt er. Einen Beitrag zur Verkehrswende leisteten sie nicht. &bdquo;Sie verstopfen vielmehr den ohnehin schon engen Platz für den Verkehr nur noch mehr", betont Garling, der die von Bielefeld Marketing angebotene Eine-Million-Euro-Wette rund um die Bielefeld-Verschwörung &bdquo;witzig" findet. &bdquo;Alles was uns bekannter macht, ist doch gut", sagt der studierte Soziologe, der mehr als zehn Jahre in Zweischlingen tätig war – als Gläsereinsammler, Zapfer, Kellner und inhaltlich Mitverantwortlicher dieses Gasthaus-Projekts mit seinem einst großen kulturellen Angebot, 365 Tagen-Öffnungszeit und dem Anspruch, &bdquo;ein ganz besonderer, alternativer Treffpunkt für die Menschen zu sein". &bdquo;Es hatte schon etwas von einem Paradies, so anders zu arbeiten und wirken zu können", betont Garling. Und so würde er denn auch gerne eine Art neues Zweischlingen ins Leben rufen. Und zwar am liebsten im grünen Würfel auf dem Kesselbrink. Garling schwebt ein Haus vor, in dem sich die ganze gegensätzliche Vielfalt der Bielefelder Bürger zu Hause fühlen können soll. Ein nicht-kommerzielles Projekt, das Theater, Musik, Kunst, Kultur zusammenbringt. &bdquo;Eine Gastwirtschaft im wahrsten Sinne, die allen offensteht, allen, die sich an die Spielregel halten, die da heißt, einander offen zu begegnen, neugierig aufeinander zu sein und Gegensätze zuzulassen." Das würde dann auch zur Belebung des Platzes beitragen, ist sich Garling sicher, der hofft: &bdquo;Vielleicht lassen sich ja Menschen in Bielefeld finden, die das ähnlich sehen und Interesse haben, eine solche Idee zu realisieren." "Ein Museumsdreieck in der Stadt zu haben, ist einfach nur toll" Sehr angetan ist Garling, der auch in der inklusiven Theatergruppe &bdquo;Götterspeise" mitwirkt (nächste Premiere: &bdquo;Die Nashörner" von Ionesco am 12. Oktober um 15.30 Uhr im Luna-Zentrum, Sennestadt) vom neuen Museumsdreieck und dem Skulpturenpark. &bdquo;Mit der Kunsthalle, dem Kunstverein und dem Kunstforum Hermann Stenner gleich drei Museen und den Skulpturenpark mit Blickachse zur Sparrenburg zentral und auf engen Raum zu haben, ist einfach nur toll." Auch er würde, wie von Holger Sauer im sechsten Holzhausgespräch angeregt, die Straße, die den Skulpturenpark teilt, dichtmachen. &bdquo;Das würde den Park weiter aufwerten und die beiden Hälften zu einer Einheit werden lassen", ist sich Garling sicher, der noch etwas gerne etablieren würde: Stadtführungen durch Bethel. &bdquo;Das würde sich schon allein architektonisch lohnen, hat doch der Architekt und Bauleiter von Bethel, Karl Siebold, ungeheuer vielfältig gebaut", sagt Garling, der sich freut, dass Bielefeld in den vergangenen Jahren Bachläufe wieder sichtbar gemacht hat. Denn Wasser hat dem Lokalpatrioten anfangs auch sehr gefehlt, als er in Bielefeld ansässig geworden war. Nächster Gast im Holzhaus ist Bernd Kegel.

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