Bielefelder Skandal-Haus: Stadt räumt Fehler ein und schießt gegen Vermieter

Bielefeld. Die Geschichten rund um das Brackweder Skandal-Haus sind auch an Sozialdezernent Ingo Nürnberger nicht spurlos vorbeigegangen. Auf die Frage, inwieweit auch die Stadt Verantwortung für die zum Teil unmenschlichen Wohnumstände in dem Mietkomplex im Zentrum des Stadtbezirkes trägt, zeigt sich durchaus nachdenklich. "Es ärgert mich, dass wir hier offensichtlich nicht richtig agiert haben", sagt der Dezernent, "wir werden daher schauen, wie wir Prozesse besser machen können. So etwas darf uns nicht noch einmal passieren." Anfang August waren Mieter in den Häusern an der Berliner Straße 9-11 und Hauptstraße 29-33 Sturm gelaufen gegen ihre Wohnumstände. Die NW hatte die Mängel öffentlich gemacht: Schimmel, Wasserschäden, Löcher in den Wänden, nicht funktionieren Rollläden, wiederkehrende Probleme mit Heizung und Warmwasserversorgung, Müllproblematik, defekte Klingel- und Haustüranlagen ... Eine Mieterin musste rund sechs Monate auf eine Dusche verzichten, lebte mehr als drei Monate ohne Terrassentür. Einige Mieter erklärten übereinstimmend, sie hätten vergeblich versucht, vor allem das Jobcenter auf ihre Lage aufmerksam zu machen. Dünne Personaldecke Die Stadt ist innerhalb des Jobcenters vor allem verantwortlich für die Kosten der Unterkunft und für das Jobcenter Partner bei der Versorgung von Menschen in schwierigen Lebenslagen. Laut Lebenslagen-Bericht der Stadt war zum Jahresende 2017 jeder neunte Bielefelder Haushalt auf SGB-II-Leistungen - Grundsicherung für Arbeitssuchende - angewiesen. In diesen Haushalten lebten zu diesem Zeitpunkt fast 38.600 Personen. Vorrangige Aufgabe sei es, so Nürnberger, jedem pünktlich die Sicherung zum Lebensunterhalt zukommen zu lassen, was angesichts dünner Personaldecke schon keine leichte Aufgabe sei. Gleichwohl wolle er dies nicht als Ausrede verstanden wissen. "Trotzdem müssen wir uns kümmern." "Können nicht alles mitkriegen" Grundvoraussetzung sei, dass den Behörden oder dem Jobcenter die Probleme bekannt würden. Nürnberger: "Die Mitarbeiter können nicht alles mitkriegen." Falls die Darstellungen der Mieter richtig seien und die Probleme in Brackwede nicht richtig wahrgenommen worden seien, "ist das für uns Anlass, unsere Arbeit zu überprüfen", erklärt der Sozialdezernent deutlich. Denn es sei keinesfalls die Haltung, dass die Probleme der Leistungsempfänger nicht interessierten, wie einige Brackweder es empfunden haben. Warum gerade die laut Mieterbund Ostwestfalen-Lippe unrechtmäßigen Mieterhöhungen nicht aufgefallen sind, darauf hat Ingo Nürnberger keine Antwort. Die Hausverwaltung, die Adler Wohnen und Service, hatte den Mietern im Oktober 2018 eine Erhöhung bis zum Maximum von 15 Prozent zugemutet, obwohl die Vorgängerfirma Centuria dies gerade im Februar 2017 schon einmal getan hatte. Nach Auskunft von Mieterbund-Geschäftsführer Ralf Brodda hätte Adler frühestens zum 1. Februar 2020 wieder eine Mieterhöhung verlangen dürfen - wenn es denn der Mietspiegel so hergeben würde. Nürnberger verweist auf neue Richtlinien für die Kosten der Unterkunft, es habe bereits Schulungen in den Grundlagen des Mietrechtes gegeben. Aber auch diesen Aspekt gelte es aufzuarbeiten. Grenzen der Beratung Unnötig Geld ausgeben möchte nämlich auch die Stadt nicht. "Ich sehe nicht ein, dass sich Vermieter auf Kosten von bedürftigen Menschen und damit auf Kosten der Stadt bereichern", bezieht der Sozialdezernent Stellung. Es gebe zweifelsohne Vermieter, "die Häuser und Wohnungen als Gelddruckmaschinen nutzen und wenig Verantwortung für ihre eigenen Immobilien und die Mieter übernehmen". Auf ein großes Aber weist Nürnberger in diesem Zusammenhang jedoch hin: "Es gibt für uns Grenzen der Beratung." Und Mietkürzungen seien ein absolut sensibles Thema, da bei Fehlern schnell auch die fristlose Kündigung das Ergebnis sein könne. Daher sei der Mieterbund erster Ansprechpartner für die Mieter, die dann auch Prozesskostenbeihilfe erhalten könnten. Druck ausüben möglich Indirekt habe die Verwaltung aber schon Möglichkeiten Druck auszuüben, räumt er ein. Beispielsweise indem die Wohnungsaufsicht eingeschaltet wird oder durch Gespräche mit Eigentümern. Dies habe es während seiner Amtszeit erst einmal gegeben. Im Fall eines Mietkomplexes im Bielefelder Norden habe die direkte Ansprache dazu geführt, dass sich der Wohnungskonzern tatsächlich bewegt habe. Im Hinblick auf die Adler Wohnen und Service sei dies aktuell aber keine Option, "weil jetzt schon Druck reingekommen ist".

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