Als das erste Monster unter unserem Daumen, das heißt unserer Anfänger-Axt, mit einem Krachen zerspratzt, sind wir wieder 16 und fühlen uns, als hätten wir soeben in "Diablo 2" unser allererstes Monsterblut vergossen. Weggewischt sind die Sorgen, "Diablo Immortal" könnte eine halbherzig hingeschluderte Cash-Cow für Smartphones werden, eine Abkehr von dem, was die Serie groß gemacht hat. Alles, aber kein echtes Diablo. So viel sei verraten: "Immortal" hat seine Probleme. Aber, zum Teufel, alles an diesem ersten Mobile-Ableger der altehrwürdigen Rollenspielserie fühlt sich nach "Diablo" an.
Stärken
"Immortal" ist am 1. Juni etwas früher als angekündigt für iOS, Android und - Tusch - PC erschienen. Es schlägt erzählerisch die Brücke zwischen Teil 2 und 3, setzt also nach der Zerstörung des Weltensteins ein. Dessen Splitter sind nun überall in der Spielwelt verteilt und alles Böse von Sanktuario hat sich der Jagd nach ihnen verschrieben. Könnten ja noch ein paar Missetaten drin sein damit.
Ganz recht: "Immortal" präsentiert uns eine eigene Story, die zum Kanon der Reihe gehört. Die erleben wir wie in den Hauptteilen, indem wir die Spielwelt erkunden, Quests erfüllen und Zwischensequenzen anschauen. Im Querformat steuern wir unsere Helden von Barbar bis Totenbeschwörer mit beiden Daumen. Mit links laufen wir, rechts lösen wir Attacken aus, indem wir die entsprechende Fähigkeit antippen oder in eine Richtung ziehen, in der sie dann ausgeführt wird. Das geht nach ein paar Minuten in Fleisch und Blut über.
Auch das Looten und Verbessern der Ausrüstung funktioniert nach altbekanntem Schema. Und trotzdem muss man loben, wie genau Blizzard das Spielgefühl aufs Handy bekommen hat.
Der Unterschied zu den bisherigen "Diablos": In "Immortal" bevölkern wir mit anderen Spielern quasi eine Multiplayer-Welt. Immer wieder begegnen uns fremde Spieler, die wir aber auch ignorieren können. Cool allerdings: Für Raids und andere Herausforderungen können wir in Windeseile automatisch kleine Gruppen zusammenstellen lassen, mit denen wir dann die Dungeons unsicher machen. Mit Freunden kann man sich zu Clans zusammentun.
Das Schöne: Wer's nicht will, der muss auch nicht. "Immortal" lässt sich von vorne bis hinten solo durchspielen. Und dann ist man wahrscheinlich immer noch gute 20-30 Stunden beschäftigt - wenn das mal reicht.
Schwächen
Fangen wir mit dem an, was sich am ehesten nach Fremdkörper anfühlt: dem Ingame-Shop. In dem kann man zwar nichts kaufen, was einen sofort stärker macht, dafür aber Abkürzungen. Wer echtes Geld in die Hand nimmt, bekommt dafür vor allem Möglichkeiten an die Hand, seinen Charakter zu verschönern oder die Chance, stärkere magische Gegenstände zu erhalten. Darauf kann man eigentlich weitgehend verzichten.
Allerdings hängen mit zunehmender Spieldauer immer mehr Spielmechaniken an Gegenständen, die wir vorrangig mit einer In-Game-Währung kaufen können. Ein Beispiel: Sogenannte "Rifts", also Herausforderungs-Dungeons, können wir mit "Emblemen" betreten, die die Drop-Chance für gute Gegenstände erhöhen. Diese gibt's aber nur sehr selten als Belohnung fürs Spielen - und im Shop kostet eins etwa 1,50 Euro! Wer also an wirklich gute Ausrüstung für seinen Charakter will, der wird am Ende wohl kaum um den Einsatz von Echtgeld herumkommen - zumal es weitere In-Game-Währungen gibt, die uns Zugang zu wieder neuen Teilen des Spiels gewähren.
All das hat dem Spiel in Belgien und in den Niederlanden wegen Glücksspiel-Verdachts prompt den Rausschmiss aus den App-Stores eingebrockt. Das Gute: auch ohne Echtgeld-Einsatz macht "Diablo: Immortal" genug Laune, zumindest in den ersten Stunden und wenn man rein aufs Gameplay schaut. Ob sich das im Endgame ändert, können wir noch nicht abschließend beurteilen. Doch wie Blizzard hier Geld verdienen will und dass es Teile der Spielmechanik am Ende doch hinter die Paywall legt, lässt nicht unbedingt Gutes ahnen.
Noch unschön war das, was Besitzer bestimmter Smartphones zum Launch erlebten. Auf etlichen Samsung-Modellen lief das Spiel nach dem Download nicht, anderswo tauchten fiese Grafikfehler auf und manche Geräte starteten das Programm trotz genug Rechenpower gar nicht erst. Wieder andere Nutzer konnten ihr Battlenet-Konto nicht verknüpfen. Da muss Blizzard also nochmal ran, und zwar dringend.
Letzte Schwäche, die man aber verstehen kann: Ein so umfangreiches Programm hat natürlich einen hohen Festplattenpreis. Lädt man alle zum Start verfügbaren Gebiete und Assets herunter, belegt "Diablo Immortal" rund 15 Gigabyte Speicherplatz. Deutlich mehr also, als die meisten sonstigen Mobile Games. Auf dem PC fallen die 23 Gigabyte weniger unangenehm auf. Und dann hat man ja immer noch ein brandneues Diablo für den PC!
Fazit
Sagen wir's, wie es ist: "Diablo Immortal" ist das beste Spiel, das Blizzard seit langer Zeit produziert hat. Das "Warcraft 3 Reforged"-Desaster hatte Fans für den Mobilen-Ableger Übles ahnen lassen, aber die Zweifel waren - zumindest in Bezug auf das Gameplay - unbegründet. Ja, technisch läuft das Ding vielfach noch unsauber, mancher Server wackelt schlimmer als Andariels Giftstacheln und die Samsung-Probleme sind fies. Den Ingame-Shop braucht "Immortal" natürlich, um sich finanziell zu rechnen. Als Purist, der nur ein bisschen schnetzeln, looten und die Story erleben will, braucht man "Battle Pass" und andere Bezahl-Kinkerlitzchen aber nicht, auch wenn das Spiel einen immer wieder darauf hinweist, dass man das tun sollte.
Blizzard hat hier aber insgesamt keine halben Sachen gemacht, sondern ein waschechtes "Diablo". Die Kämpfe sind wunderbar wuchtig, der Soundtrack gewohnt überragend und die Spirale aus Ausrüstung sammeln, Questen und Monster verdreschen funktioniert so gut wie eh und je - die Daumensteuerung braucht kaum Eingewöhnungszeit. Und obendrauf gibt es einfach eine ganz neue "Diablo"-Story.
Kurzum: Das Paket, das Blizzard hier geschnürt hat, ist teuflisch gut. Einzig die Bezahlmechaniken und wie Blizzard sie vor das eigentliche Gameplay platziert, machen uns ein wenig Sorgen. Fans können aber definitiv zugreifen.
"Diablo Immortal" ist kostenlos auf Android, iOS und PC spielbar und ab 16 Jahren freigegeben. Durch In-Game-Käufe können Kosten entstehen.
Edit: Wir haben uns für eine Aktualisierung die genaue Funktion des In-Game-Shops noch einmal genauer angeschaut. Der Absatz "Schwächen" wurde daraufhin überarbeitet.