
Bielefeld. Endlich: die ARD hat es geschafft! Ein knappes halbes Jahr nach der BBC-Premiere folgt die deutsche Fassung der vierten Sherlock-Staffel. Deutlich zu spät in Zeiten digitaler Verfügbarkeit von Originalversionen und hoher Taktung von Serienevents. Wermutstropfen: die vierte Staffel war nicht ganz so stark wie der Hype um sie. Mit "Der lügende Detektiv" gab es allerdings ein echtes Highlight und eine bedrohlich gnadenlose Folge in "Das letzte Problem".
Fraglich ist, warum es bei der ARD so lange gedauert hat, die Staffel, die bereits zum Jahresanfang in der BBC ausgestrahlt wurde, mit fünf Monaten Verspätung ins deutsche Fernsehen zu bringen. Eine kleine zeitliche Verzögerung für eine optimale Synchronisation wäre verständlich, aber fast ein halbes Jahr und dann noch mit Schwächen bei Wortspielen, das ist mehr als schade.
Zeitspanne sollte zumindest perfekte Synchronisation bedeuten
Zünden im Original Wortspiele oder sprachliche Nuancen, bleiben sie in der Synchronfassung teilweise auf der Strecke. Zumindest dann, wenn offensichtliche Alltagsmomente zwar keine Erklärungen bräuchten, aber es auffällt, wenn sie nicht akkurat angepasst sind. Englisch und Deutsch sind dann doch zu verschieden, da sind es die Chips, während es hier die Fritten an der Bude sind. Sicherlich Feinheiten, aber wenn es bei Sherlock um messerscharfe Kombinationen geht, dann sollte doch auch die Übersetzung scharf formuliert sein.
Filmisch dagegen überzeugen die Sherlock-Produktionen durch zeitgemäße Schnitte und Szenen, die wie die "Sitzungen" des Culverton Smith und die verschwimmenden Erinnerungen der Teilnehmer richtig Eindruck machen. Genauso wie die Verknüpfung zur digitalen Welt in den Schnitten zu Watsons Blog, den Mails der ratlosen Polizeiermittler und den Textnachrichten Sherlocks. Ebenso wie Sherlocks Arbeit in seinem Gedankenpalast, wo Realität, Ideen und Schlussfolgerungen des exzentrischen Detektivs verschwimmen und optisch in Szene gesetzt werden.
Gesamtzusammenhang im Vordergrund
Sieht man die Folgen jeweils als Einzelwerk, so tun sich Lücken auf, die zwar kurz erläutert werden, jedoch wirkt das Große und Ganze besser zusammen. Abstriche muss man da besonders bei "Die sechs Thatchers" machen. Diese Folge scheint mehr aus der Not heraus entstanden zu sein, um eine Brücke zur dritten Staffel schlagen zu können.

Richtig stark hingegen: "Der lügende Detektiv". Ein unter Drogen strauchelnder Sherlock gegen einen diabolischen Serienmörder, dem der Meisterdetektiv ausgeliefert scheint. Ein ähnlicher Ansatz folgt in "Das letzte Problem", jedoch eher, weil Sherlock reichlich spät beginnt, sich effektiv seines Verstandes zu bedienen. Den brutalen Plan seiner Schwester Eurus hätte der scharf denkende Ermittler schneller stoppen können. Hier scheint der wohl doch vorhandene weiche Kern dem Scharfsinn im Wege zu stehen. Die angespannte Gefühlslage des Ermittlers hätte man vielleicht stärker herausarbeiten können. Dafür werden an anderer Stelle Aspekte der Geschichte erzählt, die nicht ganz in die Art der BBC-Serie passen.
Neue Story-Aspekte wirken unterschiedlich
Die Agentenjagd um die Welt in der Auftaktfolge etwa. Sie wirkt wie der bereits erwähnte Füllstoff. Arthur Conan Doyles Literaturvorlage lässt sicherlich solche Freiheiten, doch in der Machart dieser Serie wirkt das Story-Element zu gewollt. Im Gegensatz dazu gleiten die beiden anderen Folgen in dunkle bedrohliche Szenarien ab. Toby Jones als mordender Philantrop ist brilliant. Die eiskalte und gnadenlose Eurus und die düstere Gefängnisinsel sind von der Idee her brutaler angelegt und bieten eine andere dunkle Seite, die die Serie so noch nicht gezeigt hat. Der Schwachpunkt hierbei fand ja bereits Erwähnung.
Durch die Verknüpfung der Einzelfolgen wirkt die vierte Staffel schlüssig, weicht allerdings deutlich von den ersten dreien ab, da sie die Konsequenz der Figuren etwas zu sehr in Frage stellt.
Das Warten beginnt
Das Ende dieser Staffel könnte auch den Abschluss der Serie bedeuten, denn ob und wie Sherlock fortgesetzt wird, ist offen. Am Team soll es wohl nicht scheitern. Dem Vernehmen nach haben die Hauptdarsteller Benedict Cumberbatch und Martin Freeman Verträge für eine fünfte Staffel. Den Produzenten Mark Gatiss und Steven Moffat liegt die Sache am Herzen, und sie liefern Top-Arbeit ab.

Allerdings sind alle Beteiligten nicht nur mit Sherlock erfolgreich unterwegs, entsprechend eingeschränkt ist ihr Zeitbudget. Auch wenn das Ende des "letzten Problems" die Option lässt, die Serie an diesem Punkt zu beenden. Es wäre sehr schade, denn es gibt reichlich Motivvorlagen aus der Literatur, es gibt eine riesige Fangemeinde, die Produktion setzt Maßstäbe auch hinsichtlich der großen Konkurrenz der Streaming-Produktionen.
Es ist zu hoffen, dass eine fünfte Staffel nicht wieder ein halbes Jahr braucht, um nach der Originalpremiere einen Sendeplatz im Fernsehen freizumachen. Denn das hat diese Serie nicht verdient. Das große Warten beginnt, beziehungsweise es läuft für viele schon wieder seit fünf Monaten, darauf, dass das Spiel beginnt.