Erschreckende Ergebnisse

Sexismus in der Werbung: Pinkstinks-Studie belegt Tausende Fälle

Sexismus in der Werbung ist immer noch weit verbreitet. Und das Unrechtsbewusstsein, gelinde gesagt, unterentwickelt.

Gauloises steht besonders im Fokus von Konsumenten, die die Werbung des Zigarettenhändlers sexistisch finden. | © picture alliance / Rolf Haid

Björn Vahle
27.09.2019 | 27.09.2019, 15:31

Hamburg. Sexismus in der Werbung ist immer noch weit verbreitet. Das hat eine Auswertung der feministischen Organisation Pinkstinks ergeben. Pinkstinks engagiert sich gegen Sexismus und Homophobie und hatte über die App „Werbemelder.in" zwei Jahre lang (Oktober 2017 bis Juni 2019) Hinweise auf entsprechende Werbeanzeigen gesammelt.

Das Ergebnis: Von fast 3.500 von Pinkstinks ausgewerteten Werbeanzeigen sind nach Angaben der feministischen Organisation mehr als die Hälfte (57 Prozent) als sexistisch einzustufen. "Das ist nicht Dessouswerbung, sondern die halbnackte Frau neben Autoreifen, Angelhaken oder Toilettenpapier", erklärt Stevie Schmiedel von Pinkstinks.

Pinkstinks-Sprecherin Stevie Schmiedel. - © picture alliance/dpa
Pinkstinks-Sprecherin Stevie Schmiedel. | © picture alliance/dpa

Mehrzahl der Beschwerden über Werbung des Handels und Handwerks

So erklärt die Organisation den Unterschied: Nacktheit, weil Dessous-Werbung: Kein Sexismus. Nacktheit, weil sieht zum Sessel gut aus: Sexismus. - © Pinkstinks
So erklärt die Organisation den Unterschied: Nacktheit, weil Dessous-Werbung: Kein Sexismus. Nacktheit, weil sieht zum Sessel gut aus: Sexismus. | © Pinkstinks

Von den App-Einreichungen wurden des weiteren rund 800 (23 Prozent) als stereotyp klassifiziert. Dazu zählt die Organisation unter anderem Werbung, die mit einem „hoch limitierten Geschlechterbild" daherkommt, beispielsweise wenn Mode nur an Models mit niedrigen Kleidergrößen gezeigt wird. Rund 100 Beschwerden fielen in eine Grauzone, 589 wurden als nicht sexistisch angesehen (17 Prozent). 1.000 weitere, eingegangene Hinweise fielen nicht unter die Auswertungskriterien von Pinkstinks.

Vorrangig sei Sexismus auf Plakaten und Druckmaterialien zu sehen, so die Verfasser. Die Mehrzahl der Beschwerden habe Werbung für Produkte aus dem Handel betroffen, gefolgt von solcher für Dienstleistungen und Handwerk. Dessen Werbung sei besonders häufig als sexistisch bewertet worden, ebenso wie Reklame für Fahrzeuge, sagt Schmiedel. "Da waren wir sehr schockiert, wie häufig die ist."

Nicht alles, was im Shitstorm steht, ist juristisch Sexismus

Oftmals sei diese Werbung auf Firmenfahrzeugen angebracht und sehr unprofessionell produziert. "Jemand aus dem Unternehmen hat dann wahrscheinlich einfach eine halbnackte Frau neben das Logo der Firma gebastelt", vermutet Schmiedel. Sie wisse aber, "dass das Problem bei den Kammern bekannt" sei.

Große Marken hätten dieses Problem seltener, arbeiteten dafür häufig mit Stereotypen. Eine Kampagne von Media Markt mit Sophia Thomalla, die sogar vom Werberat wegen Sexismus gerügt wurde, hat Pinkstinks beispielsweise nicht so eingestuft. "Aber auch da ist noch viel Sensibilisierung dafür nötig, dass überholte Geschlechterstereotype nicht so wahnsinnig gut für unsere Gesellschaft sind", sagt Schmiedel.

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Die Reaktionen: Unverständnis und eine Drohung

Ernüchtert haben Pinkstinks die Reaktionen der oft kleinen Firmen, die für die Werbung verantwortlich waren. Häufig sahen sie kein Problem damit oder sahen sich außerstande, "das Problem aufgrund damit verbundener Kosten zu beheben", heißt es in dem Bericht. Ein bayrischer Konservenhersteller soll demnach sogar in einem Telefonat geantwortet haben: "Für so ein Schmarrn ist mir die Zeit zu schade, dass ich mich mit so einem Mist abgebe. Aufhängen sollt’s ma euch!"

Pinkstinks hat nach eigenen Angaben zwischen Januar 2018 und Juli 2019 neunmal so viele Einsendungen bekommen, die als geschlechtsdiskriminierend oder sexuell anstößig angesehen wurden, wie der Deutsche Werberat, teilte die Organisation mit. Die Selbstkontrolle der Werbewirtschaft müsse daher bekannter werden.

Außerdem sollte eine Gesetzesnorm in das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb aufgenommen werden, die sexistische Werbung verbietet, fordern die Verfasser. "Wir haben bewiesen, dass die meisten dieser Anzeigen durch eine Reform, die wir vorgeschlagen haben, über Nacht beseitigt werden könnten." Jetzt liege es an der Politik zu entscheiden, wie mit dem Vorschlag umgegangen wird.

Mit Material der dpa.