Sinkt die Zahl der Krätzefälle in OWL durch Corona?

Dortmund. Die Anzahl der Krätze-Fälle ist in Westfalen-Lippe im Jahr 2019 weiter gestiegen. Das geht aus einem Bericht der AOK Nordwest hervor. Demnach wurden im Vorjahr mehr als 43.800 Fälle verzeichnet, etwas mehr als im Vorjahr mit 43.400 Fällen. 2017 lag die Zahl der Krätze-Fälle demnach noch bei rund 31.500, 2016 sogar nur bei 18.200. &bdquo;Der Anstieg wird auch bei den Medikamenten-Verordnungen deutlich", sagt Christoph Vauth, stellvertretender AOK-Vorstandsvorsitzender dem Bericht zufolge. So sei die Anzahl der Verordnungen für Medikamente wie Salben und Tabletten, die üblicherweise bei der Behandlung von Krätze eingesetzt werden, allein bei den AOK-Versicherten in Westfalen-Lippe im Jahr 2019 gegenüber dem Vorjahr um gut acht Prozent angestiegen. Dies sei im Vergleich zum Jahr 2016 fast das Dreifache. "Der Anstieg von Scabies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass der von Skabies-Milbe befallene Mensch nicht rechtzeitig erkannt und behandelt wird. Durch die hohe Ansteckungsfähigkeit können dann viele Menschen innerhalb kurzer Zeit auch von der Milbe mitbefallen werden", erklärt Isaak Effendy, Chefarzt der Hautklinik des Klinikums der Stadt Bielefeld. Er beobachtet einen Anstieg in Wellen. Auch in OWL steigende Fallzahlen bis 2019 Auch im Kreis Minden-Lübbecke sind die Infektionszahlen seit 2017 gestiegen. "Für das Jahr 2017 sind dem Gesundheitsamt 126 Fälle bekannt gegeben worden. Bis Herbst 2017 wurden nur vereinzelt Ausbrüche mit Skabies gemeldet. Die Zahlen beliefen sich immer auf weniger als zehn pro Jahr", sagt Janine Küchhold, Sprecherin des Kreises Minden-Lübbecke. 2018 wurden 243 Einzelerkrankungen in Gemeinschaftseinrichtungen gemeldet, bei denen es sich überwiegend um Erkrankungen von mehreren Familienmitgliedern beziehungsweise Personen aus Gemeinschaftseinrichtungen und um Rezidiv- (also Rückfall-) Erkrankungen handelte. Für das Jahr 2019 sind dem Gesundheitsamt 274 Fälle gemeldet worden. Die Dunkelziffer dürfte allerdings höher sein, denn eine Erkrankung ist nicht meldepflichtig. "Nur Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen wie zum Beispiel Pflegeheime oder andere Betreuungseinrichtungen haben das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich zu benachrichtigen", so Küchhold. Weniger Erkrankungen in der Pandemie-Zeit Die Corona-Pandemie scheint diesen Trend jetzt allerdings in einigen Teilen OWLs zu unterbrechen: "Aktuell sind die Krätze-Zahlen eher rückläufig, was mit den Schließungen vieler Gemeinschaftseinrichtungen zusammenhängt. Von Januar bis März sind dem Gesundheitsamt 61 Fälle gemeldet worden, von März bis Ende Juni nur noch 7", sagt Küchhold. Ähnlich sieht es im Kreis Herford aus: Wurden dort im Jahr 2019 bis Ende Juli 64 Erkrankungen gemeldet, waren es in diesem Jahr bislang 48. "Ob dieser Rückgang jedoch auf die Corona-Pandemie zurückzuführen ist, kann nicht abschließend beurteilt werden", schränkt Kreissprecher Patrick Albrecht das Ergebnis ein. Eine mögliche Erklärung des Rückgangs ist laut Isaak Effendy, dass derzeit weniger Menschen aufeinander treffen. "Aber es kann auch dadurch bedingt sein, dass betroffene Patienten aufgrund der Pandemie-bedingten Einschränkungen die Arztpraxen oder Kliniken kaum beziehungsweise schwer noch aufsuchen können." In Bielefeld gehen die Infektionszahlen allerdings nicht zurück, sondern steigen weiter. "In 2020 sind bis heute 243 Skabies-Fälle angezeigt worden", sagt Stadtsprecherin Margit Schulte Döinghaus. Bis Ende Oktober 2019 waren es 45 Fälle weniger. Bis 2019 lässt sich zudem auch der von der AOK beschriebene Anstieg erkennen. Von sieben Fällen in 2012 stiegen die Zahlen auf 125 im Jahr 2018. Wie erkennt man, ob man sich infiziert hat? "Krätze ist eine ansteckende Hautkrankheit, die durch Parasiten, so genannte Krätzmilben, ausgelöst wird. Lange Zeit schien diese Erkrankung vergessen zu sein", schreibt die Kasse in ihrem Bericht. "Skabies betrifft Menschen jeden Alters. In Mitteleuropa sind pflegebedürftige Senioren sowie abwehrgeschwächte Menschen häufiger betroffen. Typischerweise häufen sich Scabies-Fälle aber in Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindergärten bzw. Pflegeheimen", ergänzt Effendy. Typische Symptome sind starker Juckreiz, vor allem bei Bettwärme. Durch den starken Juckreiz wird die Haut "infolge des intensiven Kratzens entsprechend oft verletzt, was zusätzlich zu einer bakteriellen Superinfektion führen kann", so Effendy. Wie steckt man sich an? "Das Risiko einer Ansteckung ist umso höher, je mehr Krätzmilben sich auf der Hautfläche befinden." Direkt von Mensch zu Mensch sei die gewöhnliche Krätze nur dann ansteckend, wenn ein enger, großflächiger Haut-zu-Haut-Kontakt über einen Zeitraum von mindestens fünf bis zehn Minuten besteht. Dementsprechend seien Handschütteln, Umarmungen oder eine Untersuchung der Haut von Patienten mit gewöhnlicher Skabies ohne Risiko. Auch eine indirekte Übertragung über Kleidung, Handtücher oder Bettwäsche ist dem Bericht zufolge möglich. Um sich zu schützen, sollte man laut Effendy "Hautkontakte mit Erkrankten beziehunsgweise deren engen Kontaktpersonen für vier bis sechs Wochen meiden". Was tun, wenn man sich doch infiziert hat? "Beim ersten Befallszeichen umgehend den Arzt aufsuchen", rät der Chefarzt aus Bielefeld. Um Krätze schnell wieder loszuwerden, sei im Erkrankungsfall eine Behandlung mit Salben und gegebenenfalls auch mit Tabletten notwendig. Diese zielten vor allem darauf ab, die Milben mitsamt Larve und Eiern abzutöten. "Kleidung, Unterwäsche, Handtücher sowie Bettwäsche müssen einmal täglich bei mindestens 60 Grad gewaschen werden", sagt Effendy. Gehe dies bei bestimmter Kleidung nicht, dann könne diese laut AOK für mindestens zwei Stunden im Gefrierschrank bei mindestens minus 25 Grad aufbewahrt werden. Nicht waschbares Spielzeug solle zwei Wochen lang luftdicht verpackt werden. Außerdem sollten Polstermöbel und Matratzen täglich abgesaugt werden.