Lebensmittelverschwendung

Trend "Containern": OWL-Marktleiter halten Legalisierung für fragwürdig

Hamburgs Justizminister will das Wühlen im Abfall legalisieren. Er wirft damit ethische Fragen auf

Brötchen und andere Lebensmittelabfälle landen jeden Tag in Mülltonnen und Containern. Wenn es nach dem Willen von Hamburgs Justizsenator Till Steffen geht, könnte es bald erlaubt sein, sie dort rauszuholen. | © picture alliance/dpa

05.06.2019 | 06.06.2019, 18:34

Hamburg/OWL. Hamburg will auf der bis Donnerstag in Lübeck tagenden Justizministerkonferenz der Länder für eine Entkriminalisierung des sogenannten Containerns werben. Dabei holen sich Menschen Lebensmittel aus dem Abfall von Supermärkten und Fabriken. Diede landen dort wegen eines abgelaufenen Mindesthaltbarkeitsdatums oder Druckstellen. Supermarktleiter aus OWL sehen die Legalisierung aus ethischen Gründen kritisch.

Rainer Quermann, Inhaber eines Rewe-Center in Bielefeld, sagt: "Ich kontrolliere nicht, ob jemand meine Container durchwühlt hat. Gut geht's mir aber nicht, wenn ich daran denke. Ich würde die abgelaufenen Lebensmittel lieber anders anbieten, zum Beispiel in sozialen Einrichtungen." Jeden Tag blute ihm sein Herz, wenn er sehe, wie viele Lebensmittel im Müll landen. "Diese Verschwendung sucht seines gleichen. Wir sollten uns wieder mehr auf unseren Instinkt verlassen", bekräftigt der Supermarkt-Betreiber.

In seinem Markt gebe es schon ein automatisches Bestellsystem, durch das weniger Abfall anfalle. Quermann wünscht sich trotzdem mehr Unterstützung von der Politik: "Wir arbeiten mit der Tafel zusammen, müssen aber gewährleisten, dass keiner durch die Lebensmittel, deren Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten wurde, zu Schaden kommt. Ich bin also dann in der Haftung - das kann doch nicht sein!" Deswegen würden seine Mitarbeiter Brot schon zwei Tage vor dem aufgedruckten Datum aus den Regalen nehmen, um es der Tafel zur Verfügung zu stellen.

Es gibt auch Food-Saving-Gruppen

Thorsten Rumpsmöller, Edeka-Marktleiter in Paderborn, hat eine andere Möglichkeit gefunden, weniger wegzuschmeißen: "Seit Februar stellen wir abgelaufene Lebensmittel einer Food-Saver-Gruppierung zur Verfügung." Dreimal die Woche kämen die Mitglieder vorbei. Seither lande kaum noch etwas im Müll, so dass sich das Containern bei Rumpsmöller gar nicht lohnen würde. Haften muss er trotzdem, falls etwas passiert. Daher sieht auch Rumpsmöller den Gesetzgeber gefordert, andere Wege zu finden, der Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken. Dass Bürger in Mülltonnen rumwühlen müssen, halte er jedenfalls für menschenunwürdig, würde es aber nicht zur Anzeige bringen.

Abfall kann Krankheiten auslösen

Hamburgs Senatorin für Gesundheit und Verbraucherschutz Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) lehnt den Vorstoß von Justizsenator Till Steffen (Grüne) zum Containern ab. Der Verzehr weggeworfener Lebensmittel aus Abfallbehältern könne Krankheiten auslösen und bis zum Tod führen. "Besonders problematisch sind dabei Lebensmittel, die auf dem normalen Wege beispielsweise gefroren angeboten werden oder der Kühlpflicht unterliegen, wie Fisch und Fleisch, und Lebensmittel, die ein Verbrauchsdatum tragen", erklärte Sprecher Dennis Krämer. Nicht alle entsorgten Lebensmittel seien noch genießbar.

Till Steffen (Grüne) meint jedoch, es sei sinnvoll, wenn Menschen etwas verwendeten, was andere weggeschmissen hätten. Auf der Konferenz will er deshalb einen Vorschlag einbringen, das Mitnehmen von weggeworfenen Lebensmitteln aus Supermarkt-Müllcontainern künftig straffrei zu machen. Bislang gilt dies als Diebstahl und kann strafrechtlich verfolgt werden. Steffen sah seinen Vorstoß dabei als Teil einer breiter angelegten Strategie gegen Lebensmittelverschwendung. "Es geht auch darum, dass die Supermärkte sich anders organisieren, damit nicht so viel Überschuss entsteht, und zum Beispiel die Lebensmittel für andere Zwecke, wie die Tafeln für Bedürftige, zur Verfügung stellen."