Wenn die Schuldenfalle zuschnappt: Wie die Höxteraner Verbraucherzentrale Betroffenen hilft

Kreis Höxter. Sie hilft kostenlos, wenn man bei Verträgen nicht mehr durchsieht: die mobile und digitale Verbraucherzentrale NRW im Kreis Höxter. Ein zukunftsweisendes Modellprojekt. Auch bei einem der gravierendsten Probleme unserer Zeit steht sie an der Seite der Verbraucher: Wenn die Schuldenfalle zuschnappt. Wie es mit der Beratung und Hilfe ganz genau läuft, erklärt Leiterin Ute Delimat. Der tiefe Absturz in Schulden kann jeden treffen. Auslöser seien oft Schicksalsschläge wie Krankheit, Arbeitslosigkeit und Trennung, sagt Delimat. Das betreffe vorrangig Menschen mit geringerem Einkommen. Aber auch Jugendliche seien sehr gefährdet. &bdquo;Jugendlichen wird es tatsächlich inzwischen sehr leicht gemacht, in die Schuldenfalle zu tappen“, sagt Delimat. Sie seien als Konsumenten sehr umworben, können teure Handy-Verträge abschließen und mit dem &bdquo;Buy now – pay later“-Konzept sei es leider gefährlich leicht, sich zu verschulden. &bdquo;Diese Art der Kleinkredite haben ein hohes Verschuldungsrisiko.“ Mehr noch: Das Konsumverhalten habe sich in den vergangenen zwei Generationen vollständig verändert. Früher wurde gespart, bevor man sich etwas geleistet hat. Heute gebe es unverhältnismäßig viele Möglichkeiten – auch durch Angebote der Kreditinstitute – an Geld zu kommen. &bdquo;Die Bedürfnisbefriedigung ist heute sehr leicht zu bekommen. Und das wird heute so vorgelebt.“ Viele Jugendliche können die Konsequenzen nicht überblicken Wenn Jugendliche in ihren Familien dann auch noch einen problematischen Umgang mit Geld vorgelebt bekommen, ist es für sie ganz schwer, aus der Spirale herauszukommen. Für viele ist Geld völlig egal, sie können die Konsequenzen einer Verschuldung gar nicht überblicken. Hinzu komme, dass vielen inzwischen das Gefühl für Geld fehle. Früher hatte man das Geld im Portemonnaie und wusste, wie viel Geld man in der Woche ausgeben kann. Das ist mit der Digitalisierung völlig verschwunden. &bdquo;Deshalb wäre es manchmal sinnvoll, ein Haushaltsbuch zu führen, um sich alle Einnahmen und Ausgaben bewusst zu machen“, sagt Delimat. &bdquo;Das geht auch digital.“ Und ist damit schon mittendrin bei den Tipps. Sie rät, sich so schnell wie möglich Hilfe zu suchen, wenn &bdquo;am Ende des Geldes noch viel Monat“ da ist. Tipp zwei lautet deshalb: Keinesfalls versuchen, die Probleme auszusitzen – weil sie sich eben nicht aussitzen lassen. &bdquo;Präventiv. Das ist unser Ansatz“, sagt Delimat. Ist das Konto in den tiefroten Zahlen gelte generell, dass Miete und Energiekosten immer Vorrang haben. &bdquo;Die sollten als Erstes bezahlt werden. Denn werden diese Schulden zu hoch, beginnt die Spirale. Der Strom wird abgestellt, man verliert die Wohnung. Da kommt man kaum mehr wieder raus.“ Der schnelle Kontakt zur Verbraucherzentrale Damit es nicht so weit kommt, hilft es, sofort die Verbraucherzentrale zu kontaktieren, wenn man merkt, dass man mit dem Geld nicht mehr hinkommt. Am schnellsten geht das via Telefon unter Tel. 0211 54222211. Montags bis Freitags von 9 bis 17 Uhr sind die Mitarbeiter erreichbar. Delimat verspricht, dass es keine langen Wartezeiten in Telefonschleifen gibt. Auch eine E-Mail schreiben geht. Vor allem wenn man am Wochenende den Impuls hat, endlich handeln zu wollen. &bdquo;Man muss nicht mal vom Sofa aufstehen“, sagt Delimat. Alle Kontaktdaten der Verbraucherzentrale sowie sehr viele weitere hilfreiche Tipps gibt es unter www.verbraucherzentrale.nrw/höxter. So schnell wie möglich wird dann ein Beratungsgespräch vereinbart. Dort werden gemeinsam Verträge durchgesehen und Ausgaben besprochen, um das eigene Budget besser zu planen. Ziel ist es, so schnell wie möglich die Ausgaben zu reduzieren. Und oft helfen dabei Vertragsänderungen oder die Kündigung von unsinnigen Abos oder Versicherungen. Aber: Eine &bdquo;klassische“ Schuldner- und Insolvenzberatung bietet die Verbraucherzentrale im Kreis Höxter nicht an. Das übernimmt dann beispielsweise die dafür spezialisierte Diakonie. Auch Caritas und andere Partner bietet spezialisierte Beratungen an – je nach dem, was konkret gebraucht wird. In diesen Fällen vermittelt die Verbraucherzentrale weiter. Denn das wichtigste sei, dass die Menschen mit ihren Sorgen und Problemen nicht allein gelassen werden, sagt Delimat. Wer den Schritt wagt, und die Verbraucherzentrale kontaktiert, könne mit Geduld auch größere Schuldenberge abtragen. Verbraucherschutz im ländlichen Raum für junge Menschen Am besten sei es aber, wenn es gar nicht so weit kommt, sagt die Chefin der Verbraucherzentrale im Kreis Höxter. Vor allem mit Jugendlichen versucht die Verbraucherzentrale deshalb, präventiv zu arbeiten. So gab es jetzt zwei Jahre lang ein Projekt &bdquo;Verbraucherschutz im ländlichen Raum für junge Menschen“. &bdquo;Da gab es präventive Angebote beispielsweise in Jugendtreffs. Es ging dabei um Fragen zur ersten eigenen Wohnung aber auch die Frage, wie gehe ich mit Geld um.“ Auch Schulen seien ein besonders guter Ort, junge Menschen zu erreichen. Deshalb bietet die Verbraucherzentrale schulformübergreifende Angebote ab der 7. Klasse in Form von Projekttagen oder Workshops. Zu verschiedenen Themen wie beispielsweise ein bewusster Umgang mit digitalen Konsumangeboten, Finanzen, Versicherungen und die erste eigene Wohnung. Schulen könnten die Angebote anfragen – müssen es aber nicht und machen es aus Sicht von Ute Delimat bisher zu wenig. &bdquo;Gerade Jugendliche kennen leider die Verbraucherzentrale und ihre anbieterunabhängigen und fachlich geprüften Angebote kaum.“ Schulen sollten &bdquo;Verbraucherbildung“ unterrichten Sie wünscht sich deshalb ein Schulfach &bdquo;Verbraucherbildung“, in dem die Jugendlichen auf wichtige Bereiche des Lebens praktisch vorbereitet und sensibilisiert werden. &bdquo;Die jungen Menschen bewegen sich täglich in der digitalen Welt, kennen oft aber die Fallstricke nicht, die dort auf sie lauern. Die Seite www.verbraucherschutz2go.de bietet hier hilfreiche Infos zu aktuellen Verbraucherthemen, von A wie Algorithmus, über O wie Online-Shopping, bis Z wie Zinsen.“ Und sie wünscht sich mit Blick auf die Verschuldung vieler Menschen mehr Verantwortung von den Banken. &bdquo;Tatsächlich machen es die Banken oft zu einfach. Es wäre wichtig, dass Banken bei Kreditvergaben noch genauer hinschauen und eine gewisse Vorsicht walten zu lassen. Sie müssten viel mehr in die Pflicht genommen werden, Finanzkompetenzen gerade bei jungen Menschen aufzubauen.“

Meistgelesen