
Kreis Höxter. Viele Betriebe trifft die Corona-Krise hart, vor allem die Gastronomie, körpernahe Dienstleister und das Hotelgewerbe haben zunehmend Probleme, Nachwuchs zu finden. Auch die Azubis sind verunsichert: Wie läuft sie ab, die Ausbildung in Corona-Zeiten? nw.de hat verschiedene Betriebe und Azubis im Kreis befragt.
Regina Matt macht im Hotel Germanenhof in Steinheim-Sandebeck ihre Ausbildung zur Köchin. Für sie ist es ein Traumberuf: "Ich koche auch privat gerne und probieren viele neue Rezepte aus." Im Lockdown fehlt ihr allerdings der Trubel, die Gäste, "einfach die Erfahrung, für viele Menschen zu kochen, die kann ich gerade nicht machen", sagt sie.
Kommentar: Höhere Löhne werden die Azubis nicht locken
Erleichtert sei sie, dass sie, im Gegensatz zu den anderen Mitarbeitern, nicht in Kurzarbeit müsse: "Ich soll die Arbeit hier vor Ort kennenlernen." Die 24-Jährige übernimmt Hilfsarbeiten und kümmert sich um das Frühstück für die Hausgäste, die berufsbedingt im Hotel unterkommen dürfen. "Ich bin froh, dass ich arbeiten kann, aber ich wünsche mir die Normalität zurück", sagt Matt.
Keine Gäste, aber Praxisbeispiele
Auch zwei weitere Azubis aus Kirgistan, die eine Ausbildung zur Hotelfachfrau machen, dürfen vor Ort sein. Sie lernen ebenfalls unter veränderten Bedingungen: "Manchmal spielen wir verschiedene Praxisbeispiele durch, wie der Tisch eingedeckt- oder der Wein serviert wird. Nur die Gäste fehlen", sagt Sabrina Wierzgan, die sich im Hotel Germanenhof um die Azubis kümmert. Das sei schon eine komische Situation.
Das Hotel Germanenhof hat sich trotz Krise im vergangenen Jahr dazu entschieden, die Azubis einzustellen - in der Gastronomie und im Hotelfachgewerbe. "Uns ist es sehr wichtig, den Nachwuchs zu fördern, vor allem in den Berufsfeldern, wo es eh schon an Kräften mangelt." Zunehmend schwierig sei es geworden, neue Azubis zu gewinnen, sagt Wierzgan. Für 2021 hat sich noch keiner beworben: "Wir müssen uns moderner aufstellen, präsenter an den Schulen sein", sagt Wierzgan. Schon jetzt habe sich das Hotel entschlossen, die Vergütung höher anzusetzen als es in der Branche üblich ist.
Auch bei Dachdeckermeister Christoph Bonk mangelt es momentan an Bewerbungen. Mit einer Anzeige über die sozialen Medien hatte er versucht, junge Leute mit Humor für seinen Betrieb zu gewinnen: "Außer dem lieben Gott habt ihr keinen über euch und ihr bedient die Urbedürfnisse der Menschheit, ein Dach über dem Kopf zu haben", schrieb er darin. Gebracht hat ihm das viele Likes und Zuspruch, aber bislang keine neuen Bewerber.
Das Handwerk hat ein Imageproblem
Samuel Matzat ist 18 Jahre alt und ist gerade in den letzten Zügen seiner Ausbildung im Betrieb des Dachdeckermeisters. Corona habe ihn in seiner Ausbildung kaum beeinflusst: "Wir haben trotz Pandemie weiter Aufträge gehabt", sagt er. Nur in der Berufsschule seien ihm die Auswirkungen der Pandemie bewusst geworden. "An den Online-Unterricht musste man sich erst einmal gewöhnen. Weil ich in der Abschlussklasse bin, darf ich jetzt aber auch am Präsenzunterricht teilnehmen." Für die Prüfungen, die bald stattfinden, habe er nun ein besseres Gefühl.
Der 18-Jährige hat in seinem Umfeld kaum Leute, die sich wie er für einen Beruf im Handwerk entschieden haben: "Die körperliche Arbeit und angeblich schlechte Bezahlung schreckt viele ab. Dabei habe sich vieles getan, die Löhne seien lange nicht so schlecht wie alle denken. Laut Matzat reiche das jedoch nicht aus, um das Handwerk attraktiver zu machen. Er wünscht sich ein höheres Ansehen für seinen Beruf: "Wir sind keine Untermenschen, wir arbeiten hart."
Azubine fordert faire Löhne
Lea Stiefenhöfer hat sich für eine Ausbildung zur Friseurin entschlossen. Schon als Kind habe sie von diesem Beruf geträumt. Nun wird ihr Wunsch Wirklichkeit. Aufgrund des Lockdown konnte sie viele Monate jedoch nur Modellpuppen frisieren. "Ich habe zuhause geübt und bei Fragen meinen Chef angerufen", sagt die Azubine. Zwei mal die Woche hätten sie zusammen im Salon Stenner in Steinheim Haare geschnitten, gefärbt und frisiert.
In Zeiten der Isolation habe ihr der Kundenkontakt gefehlt, "es ist was anderes, ob man echte Menschen frisiert oder Puppen, irgendwann schlaucht alles", sagt sie. Auch die theoretischen Zwischenprüfungen in der Berufsschule wurden verschoben. "Wir hatten schon alles im Kopf und müssen jetzt noch einmal von vorne anfangen", kritisiert sie.
Stiefenhöfer wünscht sich ein höheres Ansehen für ihren Beruf: "Erst jetzt merken die Menschen, was sie an uns Friseuren haben", sagt sie. In der Berufsschule seien sie nur zu zehnt, auch hier spürt die 18-Jährige den Fachkräftemangel. "Viele finden die Bezahlung zu niedrig, denn es ist schon ein Knochenjob", sagt sie.