Bielefeld

Proteststurm der Banken gegen Null-Zins-Politik

Bielefelder Sparkassen-Chef sieht die Grundpfeiler der Gesellschaft gefährdet

Gegen die Null-Zins-Politik protestieren die Banken. | © dpa

Stefan Schelp
12.03.2016 | 12.03.2016, 08:00

Bielefeld. Leitzinsen bei null Prozent, noch mehr Anleihenkäufe, schärfere Strafzinsen sowie supergünstige Kredite für Banken: Mario Draghi, Chef der EZB, erntet vor allem in Deutschland heftige Kritik für seine jüngsten Geldpolitischen Entscheidungen.

„Die EZB gefährdet die Grundpfeiler der deutschen Gesellschaft", schimpft Dieter Brand, Chef der Sparkasse Bielefeld, im Interview mit der Neuen Westfälischen. Er spricht von der „kalten Enteignung" der Sparer, vielen Menschen drohe Altersarmut, Stiftungen und Lebensversicherer gerieten in Gefahr, Betriebsrenten stünden auf der Kippe.

„Es muss Widerspruch gegen diese kopflose Krisenpolitik geben", fordert Brand. Es sei Zeit, sich von der „Droge billiges Geld" zu befreien. Draghi solle endlich einräumen, dass die Geldpolitik die wirtschaftlichen Probleme nicht länger lösen könne. Auch Johannes Hüser, Chef der Kreissparkasse Wiedenbrück, hält die EZB-Beschlüsse für problematisch. Der Sparwille der Verbraucher werde torpediert, die Altersvorsorge sei in Gefahr, warnt er. „Und was ist dann in 30 Jahren?"

"Medikament zu stark für Deutschland"

Schritte, die für südeuropäische Krisenstaaten durchaus Sinn machen könnten, seien für Deutschland verheerend. „Die Dosis macht’s", sagt der Herforder Sparkassen-Chef Peter Becker, „für Deutschland ist das Medikament viel zu stark."

Alexander Krüger, Chefvolkswirt des Bankhauses Lampe, stößt ins gleiche Horn. Er stellt die Frage, ob die EZB-Medizin überhaupt die richtige ist. „Unseres Erachtens hat die Geldpolitik die Grenze schon länger überschritten, an der sie für Wachstum und Inflation substanziell noch etwas bewirken kann", urteilt Krüger. Durch die Geldpolitik der EZB ließen sich weder Strukturprobleme beseitigen noch die Inflationsrate erhöhen. Mithin stehe die Glaubwürdigkeit der EZB auf dem Spiel. Scharfe Kritik übt der Präsident des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn. Dass die EZB Geld zum Negativzins von bis zu 0,4 Prozent an Banken verleihe, sei eine verbotene Subventionspolitik zur „Stützung von Zombie-Banken und konkursgefährdeten Staaten".

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sieht gar das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Draghi habe sich eine Hintertür offengelassen, um die Anleihe-Käufe erneut auszuweiten.

Anders als in Deutschland urteilen Experten in Spanien und Italien. Römische Zeitungen etwa loben die Entschlossenheit des aus Italien stammenden Notenbankchefs. Draghi mobilisiere „die gesamte währungspolitische Artillerie", lobt die spanische Zeitung El Pais.