Bielefeld. Qualifikation, Berufserfahrung, Persönlichkeit – bei der Wahl und der Bezahlung von Mitarbeitern spielen viele Faktoren eine Rolle. Wer sieht, dass die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen noch immer 21 Prozent beträgt, könnte meinen, dass auch das Geschlecht ein solcher Faktor ist. Ein neues Gesetz soll für mehr Transparenz bei den Gehältern sorgen. Unternehmer aus OWL sehen das größtenteils kritisch. Frauenförderung ist für sie dennoch ein Thema.
Frauenministerin Manuela Schwesig (SPD) hat das Entgelttransparenzgesetz Anfang des Jahres auf den Weg gebracht. Es sieht vor, dass Arbeitgeber mit mehr als 200 Beschäftigten auf Anfrage erläutern müssen, nach welchen Kriterien sie bezahlt werden. Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern müssen zudem regelmäßig über den Stand der Gleichstellung und der Entgeltgleichheit berichten.
Wie viele Firmen betroffen sein werden, lässt sich nur schätzen. Die Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zählt 379 Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten und 119 mit mehr als 500. Von 21.000 Mitgliedsbetrieben der Handwerkskammer OWL haben weniger als ein Prozent mehr als 200 Mitarbeiter.
Durch Kindererziehung weniger Berufsjahre
Herbert Hanselmann, Chef der dSpace GmbH in Paderborn, hält das Gesetz für eine „skandalöse Bürokratiemaßnahme". Bei seinen 1.000 Mitarbeitern liege der Anteil von Frauen unter 10 Prozent, obwohl er gerne mehr Frauen einstellen würde. Aber noch immer würden nur wenige technische Berufe ergreifen. Auszeiten für die Kindererziehung führten außerdem zu Unterschieden bei den Berufsjahren. Das mache sich dann im Gehalt bemerkbar. Eine geschlechtsspezifische Lücke kann Hanselmann nicht erkennen. Er habe das sowohl für die Facharbeiter als auch für eine große Ingenieursgruppe überprüft. „Wir können es uns gar nicht leisten, gute Leute schlecht zu bezahlen, egal ob Mann oder Frau."
Angelika Thaler-Jung, Landesverbandsvorsitzende für Westfalen im Verband der Unternehmerinnen (VdU), sieht in verschiedenen Beschäftigungsformen eine Chance für Frauen. „Gerade Mini-Jobs können auch ein Sprungbrett sein." Nicht immer sei das der Weg in Altersarmut. „Man muss berücksichtigen, dass viele Frauen nach einer beruflichen Auszeit unsicher sind und gerne langsam wieder einsteigen." Die Inhaberin von Chaps & More in Enger habe selbst oft versucht, Mitarbeiter vom Minijob in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis zu bringen. „Das funktioniert aber nicht, wenn die Frau Steuerklasse 5 wählt." Für viele sei es wichtiger, was aktuell unterm Strich an Geld rauskommt, dabei wäre eine längerfristige Planung besser.
Ulrike Detmers, Mitglied der Geschäftsführung und Gesellschafterin der Mestemacher-Gruppe, versucht auf verschiedenen Wegen, Frauen zu fördern. 63 der insgesamt 157 Beschäftigten in Gütersloh sind weiblich. Die oberste Managementebene besteht aus drei Männern und zwei Frauen. Detmers sieht dem neuen Gesetz gelassen entgegen. „Auf die Kritikphase folgt die Phase des pragmatischen Umgangs mit dem Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen. Das Verhaltensmuster kennen wir von der Einführung der Frauenquote in Aufsichtsräten."
Frauenförderung als Unternehmensziel
Auch bei Miele wird nicht mit einer Gehälterdiskussion gerechnet. Das Unternehmen hat deutschlandweit 10.800 Beschäftigte, davon sind 22 Prozent Frauen, in Führungspositionen 9,5 Prozent. „Grundsätzlich richtet sich die Vergütung nach den Tarifsätzen der IG Metall", sagt Sprecher Carsten Prudent. Die Gehälter höherer Führungskräfte würden frei vereinbart. Frauenförderung sei als Unternehmensziel verankert.
Bei Dr. Oetker arbeiten in Deutschland mehr als 4.500 Mitarbeiter. Der Anteil von Frauen lag 2015 bei rund 48 Prozent, in Führungspositionen bei 30 Prozent. Lohngerechtigkeit gewährleiste das Unternehmen durch die konsequente Anwendung bindender Tarifverträge, die geschlechterunabhängige Einstufungen sicherstellen.
Für die Phoenix Contact-Gruppe aus Blomberg arbeiten weltweit 15.000 Menschen, mehrheitlich Männer. „Als High-Tech-Unternehmen liegt der Schwerpunkt bei technisch orientierten Berufen. Diese finden immer noch mehr Männer interessant", sagt Eva von der Weppen aus der Kommunikationsabteilung. Das Unternehmen engagiere sich aber bei Mentorenprogrammen und informiere zum Beispiel gezielt Töchter der Mitarbeiter über technische Ausbildungen.
Vergütung im Verhaltenskodex festgeschrieben
Bei Bertelsmann ist das Verhältnis von Frauen und Männern in den Abteilungen unterschiedlich. Bezogen auf die Gesamtmitarbeiterschaft von weltweit 116.000 liegt der Frauenanteil aber bei 54 Prozent. Die Gleichbehandlung – auch bei der Vergütung – ist im Verhaltenskodex festgeschrieben. Flexible Arbeitsbedingungen wie das „Home-Office" sollen Familien zu Gute kommen.
Von den weltweit 5.806 Mitarbeitern der Itelligence AG sind laut Personalchef Dieter Schoon 25,6 Prozent Frauen. Der Anteil von Frauen in Führungspositionen betrage 17,8 Prozent. Schoon sagt, die Firma bezahle seit Jahren „marktgerecht".
INFORMATION
Die Themenwoche
Unsere Themenwoche „Weg zur Lohngerechtigkeit" nimmt die Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen in den Blick. Wir fragen: Wie groß ist das Problem? Kann die Politik Abhilfe schaffen? Was sagen Befürworter und Kritiker zum Lohngleichheitsgesetz? Und wie können sich Frauen helfen?
1. Aktionstag Equal Pay Day: Die Lohnlücke zwischen Mann und Frau
2. Interview: Gespräch mit einer Equal-Pay-Beraterin
3. Portrait: Die Probleme einer alleinerziehenden Mutter
4. Altersarmut: Viele Rentnerinnen sind auf Unterstützung angewiesen
5. Frauenförderung: Was machen Unternehmen?
6. Rechtliche Fallstricke: Ein Anwalt klärt auf und setzt sich ein
7. Selbsthilfe: So stärken Frauen ihre Position