Wie öko ist der Ökostrom wirklich?

Bielefeld. Etwas Gutes für die Umwelt tun und zum Ökostrom wechseln - das denken zumindest viele. Denn: Wenn da öko drauf steht, kommt auch öko aus der Steckdose - oder etwa doch nicht? Ein bisschen komplizierter ist es nämlich doch. Viele Stromanbieter werben auf ihrer Internetseite mit einem sauberen, grünen Strom. Ein Strom, der nur minimal teuerer ist, als der herkömmliche graue. Und der Preis ist das Problem, sagen Experten. Sowohl Christina Wallraf, Energieexpertin von der Verbraucherzentrale, als auch Sonya Harrison vom Landesverband für Erneuerbare Energien sehen nur einen geringen Mehrwert: "Mit einem Ökostrom-Tarif trägt der Verbraucher wenig zur Energiewende in Deutschland bei", sagen sie. Zwar zahle jeder der Grünen Strom bezieht, indirekt in den Ausbau von Erneuerbaren Energien, wie zum Beispiel in in Solar-, Windkraft- oder Wasserkraftanlagen ein, aber um mehr zu erreichen, müsste es mehr sein. Und solange die Herkunftsnachweise so günstig gehandelt werden, fließe das Geld in die Anlagen von beispielsweise Norwegen und nicht Deutschland, so Harrison. Herkunftsnachweise sind zu günstig zu bekommen In Deutschland kann der Ökostrom demnach nur dann direkt vermarktet werden, wenn er nicht aus Anlagen stammt, die über das EEG gefördert werden. Entsprechend klein sei das Angebot an Produkten mit 100 Prozent in Deutschland erzeugtem Ökostrom. Um trotz der restriktiven Vorgaben in Deutschland Ökostromprodukte anbieten zu können, nutzen die meisten Anbieter den europäischen Markt für Herkunftsnachweise. Sie kaufen Herkunftsnachweise, etwa in Norwegen, und weisen damit nach, dass die von ihnen verkaufte Ökostrommenge tatsächlich in Europa erzeugt und nur einmalig verkauft wurde. "Jeder Verbraucher, der Ökostrom bezieht, bezahlt demnach ein Papier, das zum Beispiel vom Stromanbieter aus Norwegen gekauft worden ist", sagt Harrison. So "günstig" könne der Ökostrom demnach nur verkauft werden, weil in Europa die Nachfrage nach Herkunftsnachweisen kleiner ist als das Angebot. Der Nachweis, dass eine Kilowattstunde Strom aus erneuerbaren Energien stammt, kostet bislang nur den Bruchteil eines Cents. "Viele Unternehmen können daher Ökostrom zu geringen Mehrkosten geradezu billig anbieten - ohne dabei etwas für das Klima zu tun", ergänzt Wallraf. Mit der EEG-Umlage fördert jeder Deutsche den Ausbau von Erneuerbaren Energien Wer sich nicht sicher ist, ob er zu einem Ökostromtarif wechseln soll, sollte bedenken, dass jeder Strom aus dem nächstgelegenen "Stromsee" stammt. Dieser "Stromsee" wird von allen Stromerzeugern der Region, wie beispielsweise Windkraftanlagen und Wasserkraftanlagen oder auch Atom- und Kohlekraftwerken bestückt. Ende 2020 lag der Anteil der Erneuerbaren Energie in dem deutschlandweiten Stromnetz bei fast 50 Prozent. Unabhängig von den Herkunftsnachweisen, habe sich in den vergangenen Jahre doch schon viel im Stromsektor getan, so Wallraf. Unter anderem werde der Ausbau der umweltfreundlichen Stromanlagen durch die EEG-Umlage gefördert, die jeder Strombezieher ohnehin zum herkömmlichen Tarif mit zu bezahlt. So fließen ohnehin rund 20 Prozent des Strompreises von jedem Haushalt - egal ob Ökostrom, oder nicht - in den Ausbau von Erneuerbaren Energien. Auf der anderen Seite, setzt jeder, der Ökostrom bezieht, auch ein Zeichen: Wenn ein großes Interesse besteht, werde auch mehr getan, so Wallraf. Um herauszufinden, welcher Anbieter demnach wirklich etwas für die Umwelt tut, könnte der Verbraucher auf die Ökostromlabels achten, so Wallraf. Unabhängige Labels, wie ok-Power und Grüner Strom zertifizieren Unternehmen oder einzelne Tarife. Sie garantieren einen zusätzlichen Umweltnutzen, wie zum Beispiel, dass ein Teil des Ökostromerlöses einen echten Beitrag zur Energiewende leistet oder der Strom zumindest anteilig aus neuen Kraftwerken stammen muss.