Kreise Höxter und Paderborn: Auf Wind setzen?

Höxter/Lichtenau. Die Stadt Lichtenau kann laut dem Land NRW ihren Stromverbrauch durch erneuerbare Energien zu 909 Prozent decken. Ja, die Zahl ist korrekt: 909 Prozent. Die Kommune im Kreis Paderborn gilt als Vorzeigebeispiel, wie der Ausbau von Windkraft einer Stadt zugutekommen kann. Die Stadt Höxter im gleichnamigen Kreis kann ihren Stromverbrauch nur zu 31,2 Prozent durch erneuerbare Energien decken. Seit Jahren wird dort von Bürgern und Politikern versucht, einen weiteren Ausbau der Windkraft zu verhindern. Wie kommt es, dass zwei Städte so völlig unterschiedliche Wege gehen? Sowohl Höxter als auch Lichtenau liegen in Kreisen, die aufgrund ihrer ländlichen Strukturen viel Platz für Windräder bieten. Und in Zukunft wahrscheinlich auch vermehrt bieten müssen. Denn ein Gesetzesvorschlag der Landesregierung schreibt zukünftig einen Mindestabstand von 1.000 Metern zu den nächsten Wohnraumballungen vor. Regionen mit Streubesiedlung wie der Kreis Gütersloh würden durch diese geplante Neuregelung als Baugebiet ausgeschlossen, sagt Sonya Harrison, Pressesprecherin des Landesverband Erneuerbare Energien OWL. "Wenn NRW die Ausbauziele aber erreichen will, wird der Druck auf die ländlichen Räume sogar noch zunehmen." Lichtenau erkennt Windkraft früh als Chance Die eigene Lage wurde in Lichtenau schon sehr früh als Chance verstanden. Bereits in den 90ern wurde dort festgestellt, dass das Windaufkommen in der Kommune so hoch wie auf der See sei, sagt Bürgermeisterin Ute Dülfer. Durch erste Bestrebungen sei schon 1997 der damals größte Windpark auf dem europäischen Binnenland entstanden. In den 2010er Jahren wurde dies nur noch weiter ausgebaut. Von 2013 bis 2015 entstand dann der aktuelle Flächennutzungsplan, so Dülfer. Eine wichtige Grundlage für den Ausbau. In Höxter ist ein solcher Flächennutzungsplan schon lange Streitthema im Rat der Stadt. "Höxter hat aktuell keinen gültigen Flächennutzungsplan. Seit [sechs] Jahren blockiert der Rat der Stadt mehrheitlich die Ausweisung von Konzentrationszonen für die Windenergie", sagt Harrison vom LEE. Zuletzt wurde dies im vergangenen Jahr durch einen Antrag blockiert, der die Entwicklung eines Naherholungsgebiets vorsieht. Die Konzentrationszonen sind ein Mittel für Gemeinden und Kommunen mitzusteuern, wo in ihrem Gebiet Windräder aufgestellt werden können. Denn die eigentliche Genehmigung der Anlagen nehmen die Kreise vor. Die Windpolitik der Stadt hat ihr und dem Kreis nun vor Kurzem eine Niederlage vor Gericht eingebracht. Konkret geht es dabei um fünf Windräder, die das Unternehmen Maka Windkraft seit 2014 bei Höxter bauen möchte. Auch hier dreht sich die Auseinandersetzung um die Nutzung von Land. Der Geschäftsführer der Maka schätzt, dass Stadt und Kreis Höxter rund 350.000 Euro für den bisherigen Gerichtsweg Prozess- und Anwaltskosten tragen müssen. Warum ist der Widerstand in Höxter so groß? Lichtenau profitiert derweilen von seinen 177 Windenergieanlagen. So zahlen die Lichtenauer deutlich weniger für Strom und Wasser, da die Stadtwerke über sechs dieser Windenergieanlagen verfügen. Und die Pachten für Flächen und Kabel gehen in vielen Fällen direkt an die Gemeinde oder an die Lichtenauer selbst. "Ungefähr 1.000 Bürger profitieren direkt davon", sagt Bürgermeisterin Dülfer. Auch die Gewerbesteuer ist nun für die Kommune eine willkommene Finanzspritze. "1,6 Millionen Euro waren es im vergangenen Jahr", so Dülfer. Zudem käme die größere Kaufkraft der Kunden der örtlichen Wirtschaft zugute. "Und es gibt die Bürger- und Energiestiftung", sagt Dülfer. Diese wird von den Anlagebetreibern mitfinanziert und bietet Vereinen und Bürgern, die Möglichkeit ihre Projekte zu fördern. "Zum Beispiel wenn das Vereinsheim neu gestrichen werden muss." !function(){"use strict";window.addEventListener("message",(function(a){if(void 0!==a.data["datawrapper-height"])for(var e in a.data["datawrapper-height"]){var t=document.getElementById("datawrapper-chart-"+e)||document.querySelector("iframe[src*='"+e+"']");t&&(t.style.height=a.data["datawrapper-height"][e]+"px")}}))}(); Doch warum ist der Widerstand in Höxter so groß? Auf Anfrage schreibt Pressesprecher Markus Finger, es gebe in Höxter viel Schützenswertes, wie "die Bewohner der Ortschaften, den Wald, seltene Arten, das hochwertige Landschaftsbild, das Weltkulturerbe Corvey, um nur Einige zu nennen." Daher die Position der Stadt: "Rechtssicheren Ausbau der Windenergienutzung verfolgen - aber nicht um jeden Preis, daher ohne Opferung wichtiger Schutzgüter." Zudem weist die Kommune auf die Planungsschwierigkeiten durch eine sich häufig ändernde Gesetzeslage hin. So möchte die Kommune nun abwarten, bis der Gesetzesentwurf vom Land zur Abstandsregelung auch geltendes Recht wird.Protest durch die Bürgerinitiative "Gegenwind" Das freut Ferdinand Welling von der Initiative Gegenwind. "Da zeigt sich, dass unsere Arbeit der letzten Jahre etwas gebracht hat", sagt er über die Haltung der Stadt. Der Windkraftgegner kämpft seit Jahren gegen die Errichtung weiterer Anlagen im Raum Höxter. Dabei ist er explizit für Erneuerbare Energien. Die Windkraft sieht er aber als falschen Weg. Er bezweifelt, dass sie durchgehend ausreichend Strom erzeugen kann und findet die Speichertechnologie nicht ausreichend. "Politiker nutzen die Windenergie gerne als Ausrede. Von wegen: Wenn wir Windräder aufstellen, müssen wir nichts weiter machen", sagt er. Dazu kommen ähnliche Befürchtungen wie bei der Stadt Höxter. Auch Welling sorgt sich um die Landschaft, das Weltkulturerbe Corvey als Tourismusmagneten und einen Wertverlust von Immobilien durch nahestehende Windräder. Zudem würden ihm immer wieder Menschen von gesundheitlichen Problemen durch den Infraschall berichten. Dass Studien einen Großteil dieser Befürchtungen widerlegen, spricht er selbst an. Gibt aber zu bedenken, wie schwierig es wäre, einzelnen Windanlagen Effekte wie Lärmbelästigung nachzuweisen. In Lichtenau gibt es keinen Protest gegen Windkraft mehr In Lichtenau gibt es diese Form des Protests in organisierter Form nicht mehr. Zwar habe es beim Entscheidungsprozess um die Nutzung von Flächen für Windanlagen 2015 viel Kritik der Bürger gegeben, sagt Bürgermeisterin Dülfer. "Einige der beschlossenen Flächen wurden daraufhin auch zurückgenommen." So seien weitläufige Sichtschneisen beschlossen worden. "Damit man nicht von den Windanlagen umzingelt ist." Durch die vielen Vorteile für die Gemeinde habe sich der organisierte Protest dann aber schnell erledigt "Wenn alle etwas davon haben, schafft das Akzeptanz bei der Bevölkerung", sagt Dülfer. Hatte die Windkraft denn letzten Endes auch Nachteile für Lichtenau? "Es kommt mit einer landschaftlichen Einschränkung daher", sagt Dülfer. "Für den Einen ist das nicht schlimm, für den anderen wiederum ganz furchtbar." Einen Ausbau soll es in Lichtenau in absehbarer Zukunft nicht geben. Das hat die Kommune mit Höxter gemeinsam.