Halle. Mitten in der Corona-Zeit hat beim Tennisturnier in Halle die Zukunft begonnen. Zumindest darf man das sportlich so betrachten. Im Finale der Noventi Open stand diesmal nicht Altmeister Roger Federer (39). Der weilte am Finalsonntag längst wieder zu Hause in der Schweiz. Der Rekordchampion hatte so früh wie noch nie die Koffer gepackt, war am Kanadier Felix Auger-Aliassime gescheitert. Der ist 20 Jahre alt.
Die beiden, die schließlich bei der 28. Turnierauflage den Titel unter sich ausmachten, sind nur wenig älter: der Weltranglisten-Siebte Andrey Rublev aus Russland (23) und der Überraschungssieger, der 22-jährige Franzose Ugo Humbert. Ugo wer? Diese Frage stellten sich viele, als der Mann aus Metz im Achtelfinale mal eben Alexander Zverev aus dem Turnier nahm. Der Deutsche sagte hinterher, dass er gegen diesen Linkshänder an diesem Tag nicht viel hätte tun können, um zu gewinnen.
Humbert zerlegt die Spielweise seiner Gegner
Humbert transportierte seine beeindruckende Form von Runde zu Runde. Immer wieder drei Sätze. Immer wieder Tie-Breaks. Immer wieder sein effektives schnelles Kontertennis. „Ich spiele so gerne auf Rasen, es liegt mir einfach“, sagte der Lockenkopf selbstbewusst. Pfeilschnell ist er, returniert und serviert hart und präzise. Vor allem aber: Er ist ein Stratege. Seine Eltern betreiben in Frankreich eine Metzgerei. Der Sohn ist ein Meister darin, die Spielweise seiner Gegner zu zerlegen.
Nach Zverev machten diese Erfahrung auch der junge US-Amerikaner Sebastian Korda und der heimliche Favorit Auger-Aliassime. Selbst der Federer-Bezwinger konnte den drahtigen Humbert nicht aufhalten. Er verlor im Tie-Break des dritten Satzes – wie auch sonst. „Das war eine harte Woche mit den vielen Dreisatz-Matches und Tie-Breaks, aber jetzt bin ich einfach nur stolz auf mich. Ich habe jeden Moment in dieser Woche auf dem Court genossen“, sagte Humbert bei der Pressekonferenz nach dem Finale. Das gewann er mit 6:3, 7:6(4) gegen Rublev. Und danach lächelte er. Und lächelte. Und lächelte. Selten sah ein Turniersieger von Halle so glücklich aus. Er wirkte, wie ein kleiner Junge, der einen Star getroffen hat.
"Dann wirst du eine große Karriere erleben"
Es könnte sein, dass Humbert bald selbst ein Star ist. Nach dem Halbfinale hatte er sich noch über den Selfiewunsch eines Jungen vor dem Stadion gefreut. Sollte er in Wimbledon so spielen wie in Halle, dürfte er reihenweise Fotoanfragen bekommen. „Wenn du so weiterarbeitest, wirst du eine große Karriere erleben“, hatte Andrey Rublev noch auf dem Court seinem Bezwinger mitgegeben.
Eines einte alle Teilnehmer von Halle: die Erleichterung darüber, dass das Turnier nach dem Ausfall 2020 diesmal stattfand. Trotz Pandemie. Das Hygienekonzept griff, niemand kam ohne Test oder Impfnachweise aufs Gelände. Die wenigen zugelassenen Zuschauer sorgten zumindest am Wochenende für Atmosphäre. Auch Turnierdirektor Ralf Weber lächelte am Finaltag viel. Die Austragung des Turniers sei „der größte Sieg“, sagte er und meinte es auch so.
Dann wäre nur noch Platz für ein Turnier
Wie geht es nun weiter mit den früheren Gerry Weber Open? Der Vertrag mit Titelsponsor Noventi läuft bis 2023. Spannend könnte es aus anderen Gründen werden. ATP-Chef Andrea Gaudenzi hatte im April gesagt, es seit Zeit für ein Mastersturnier auf Rasen vor Wimbledon. In Frage kommen nur zwei Kandidaten: Queens und Halle.
Doch das würde bedeuten, eine finanzielle Verpflichtung über vier bis acht Millionen Euro gegenüber der ATP einzugehen. So hoch ist sie bei anderen Mastersturnieren. Vor Corona lag diese in Halle bei gerade mal gut zwei Millionen. Der Haken an der Mastersidee: Der Kandidat, der den Zuschlag nicht bekäme, hätte ein Problem. Parallelturniere wie Queens und Halle sind in Masterswochen nicht vorgesehen. Und der Kalender ist in den drei Wochen zwischen French Open und Wimbledon schon voll, ein Ausweichtermin schwierig. Was für Halle spricht: Sieben Spieler aus den Top Ten wollten in dieser Woche ein Turnier bestreiten. Sechs davon meldeten in Ostwestfalen, nur einer in Queens.