Stefan Blöcher: "Fußball kann jeder"

Hockey-Weltstar über Geburstagssänger und Boris Becker

15.01.2012 | 15.01.2012, 15:33
Stefan Blöcher (r.) mit Boris Becker und dessen Ehefrau Lilly. - © FOTO: DPA
Stefan Blöcher (r.) mit Boris Becker und dessen Ehefrau Lilly. | © FOTO: DPA

Camp de Mar. Er lebt und arbeitet, wo andere Urlaub machen. Er gehört zum Jet Set des deutschen Sports. Auf Du und Du mit Franz Beckenbauer, Boris Becker und Katarina Witt. Dabei war Stefan Blöcher "nur" Hockeyspieler. Allerdings der beste der Welt. Und der einzige, der hierzulande von seiner Randsportart gut leben konnte. Und immer noch kann. Mit 51 leitet der gebürtige Wiesbadener das noble Resort "Golf de Andratx" in Camp de Mar auf Mallorca. Selbst hat er es zwischen Fairways und Grüns auf das großartige Handicap vier gebracht. Aber auch "sein" Spiel liegt dem Gesicht des deutschen Hockeys immer noch am Herzen. Mit Blöcher sprach Thomas Hain.

Herr Blöcher, wann haben Sie zuletzt ein Hockeyspiel gesehen?
STEFAN BLÖCHER: Live zuletzt das WM-Finale 2006 in Mönchengladbach, das Deutschland 4:3 gegen Australien gewonnen hat.

Aber die Resultate der Nationalmannschaft, für die Sie 259 Länderspiele bestritten haben, verfolgen Sie von Mallorca aus schon noch ...
BLÖCHER: Ich verfolge es im Internet. Und ich engagiere mich auch weiter für den Deutschen Hockey-Bund und habe noch viele alte Freunde, mit denen ich gerade erst in Köln zusammengetroffen bin. Die Verbundenheit zum Hockey ist nach wie vor da.

Alle vier Jahre - jeweils bei Olympischen Spielen - sind wir Deutsche Hockey-Fans. Zwischendurch interessiert die Sportart nicht wirklich. Warum?
BLÖCHER: Wenn ich diese Frage nur beantworten könnte. Es ist einfach die Fernsehpräsenz von Fußball und Formel 1, die viele andere Sportarten, darunter auch Hockey, in den Hintergrund drängt. Ich glaube, das schwierig zu erlernende, technisch sehr anspruchsvolle Spiel schreckt doch viele ab. Fußball kann jeder. Aber mit Schläger und Ball umzugehen, braucht schon viel Zeit und Training. Deshalb wird die breite Masse nicht angesprochen.

Trotzdem haben Sie es zum Profi gebracht, konnten als einziger hierzulande von Ihrer Randsportart leben. Wie kam das?
BLÖCHER: Ich bin 1,90 Meter groß, blond. Gerade in Asien, etwa in Pakistan, stach ich allein durch meine optische Erscheinung heraus. Dann hatte ich das Glück, Mittelstürmer gewesen zu sein. Durch relativ viele Tore habe ich es zu einer gewissen Bekanntheit geschafft. Hinzu kam, dass ich in Deutschland die Vereine gewechselt und in den jeweiligen Städten eine Popularität erreicht habe.

Andere - vor und nach Ihrer Zeit - sind Olympiasieger und Weltmeister geworden. Aber Sie gelten als Inbegriff des erfolgreichen, populären deutschen Hockeyspielers, der beispielsweise gerade erst zur illustren Gästeschar beim Start von Sky-News gehörte. Warum?
BLÖCHER: Unter den Legenden des Sports war ich mit auf der Bühne. Um meine Person ist ein Netzwerk entstanden. Einer meiner besten Freunde ist Boris Becker. Die Kinder von Franz Beckenbauer und meine Tochter gehen auf die selbe Schule. Dazu kommt mein Engagement bei Laureus (eine Sport-Bewegung für gute Zecke, die Red.), wo ich Botschafter bin und fast alle Topsportler immer dabei sind. Zudem spiele ich Golf. Fast alle bekannten Sportler aus den verschiedensten Bereichen spielen Golf.

Max Weinhold, der überragende Torwart und das Gesicht der Gold-Mannschaft von Peking, hat alle Voraussetzungen zum Star. Dennoch kann der Schlussmann Ihres Ex-Vereins Rot-Weiß Köln unerkannt durch die Domstadt gehen. Was haben Sie, was er nicht hat?
BLÖCHER: Ein Hockeytorwart hat es da schwer. Er trägt beim Spiel einen Helm und ist nicht zu erkennen. Deshalb präsentieren in den USA die Macher von Eishockey oder American Football immer wieder Bilder ihrer Stars ohne Helm. Ich hatte es da eben leichter.

Schauen wir mal zurück. Sicher erinnern Sie sich noch an Ihren 30. Geburtstag?
BLÖCHER: Das war mein 250. Länderspiel vor 80.000 Zuschauern in Lahore. Diese 80.000 Menschen haben mir, dem deutschen Hockeyspieler, "Happy Birthday" gesungen. Das wird in Pakistan wohl niemand mehr erleben. Das war schon beeindruckend. Völlig überwältigt hatte ich damals meinen Schläger ins Publikum geworfen, was zu einer Massenhysterie führte, weil sich die Leute um meinen Schläger geprügelt haben. Angehörige des Militärs brachten ihn mir zurück und sagten: "Mr. Blöcher, tun Sie das nie wieder. Die Menschen würden sich für Ihren Schläger töten." Dabei hat sich der Soldat nicht getraut, den Schläger in den Hand zu nehmen, weil das für ihn eine Art Heiligtum war. Er trug ihn auf dem Unterarm. Vor kurzem beim Fußball-Bundesligaspiel in Dortmund musste ich daran denken und habe die Geschichte auch erzählt. Da ging mir nur durch den Kopf: Vor so vielen Menschen hast du einmal Hockey gespielt.

Drei Jahre zuvor - 1987 - waren Sie zum besten Spieler der Welt gekürt worden. Wechselten Sie, der "weiße Pakistani" nur des Geldes wegen nach Australien?
BLÖCHER: Ich war der erste Profi dort und bin auch gleich Meister geworden. Es lockte das Geld, ganz klar. Aber auch das Abenteuer. Als 20-Jähriger war ich dort zum ersten Mal - nach dem Boykott der Olympischen Spiele in Moskau auf Einladung des Innenministeriums. Ich fand das Land, die Menschen und ihre Sportbegeisterung faszinierend.

Wie kamen Sie vom Hockey zum Golf?
BLÖCHER: Bei einer Champions Trophy in Australien lag unser Hotel direkt am Golfplatz. Das war meine erste Begegnung. Später kam ich durch Zufall zum Eagles Charity Golfclub. Da sind viele prominente Sportler wie Franz Beckenbauer oder Katarina Witt, aber auch Schauspieler wie Otto Waalkes drin. Bei der Eröffnung der Anlage am Wiesensee im Westerwald hat mit der damalige Besitzer gefragt, ob ich nicht dort im Management arbeiten wollte. So bin ich ins Golfgeschäft eingestiegen.

Haben Sie noch Zeit zum Spielen?
BLÖCHER: Die nehme ich mir schon ab und zu. Auf Mallorca haben wir gerade 20 Grad und Sonnenschein. Vielleicht gehe ich gleich noch neun Loch.

In Ihrem Club ist auch Boris Becker Mitglied. Sie waren 2009 bei der Hochzeit mit Lilly einer seiner sechs Trauzeugen. Großes Kino, oder?
BLÖCHER: Das in St. Moritz, das war großes Kino, beeindruckendes Kino. Die gesamte Sportszene war vertreten. Dazu ein unglaubliches Hotel, tolle Restaurants. Ein sehr ergreifendes Erlebnis.

Zurück ins normale Leben. Was trauen Sie der deutschen Mannschaft bei Olympia in London zu?
BLÖCHER: Hockey ist Deutschlands erfolgreichste Mannschaftssportart auf Jahre hin. Ein Platz unter den ersten vier ist immer drin. Eine Medaillenchance sehe ich in London auf jeden Fall.

Werden Sie in London vor Ort sein?
BLÖCHER: Im Moment weiß ich es noch nicht. Vielleicht werde ich Boris (Becker, die Red.) besuchen, der wohnt ja in Wimbledon, und werde mir ein oder zwei Spiele anschauen. Wenn du als Athlet schon einmal selbst bei Olympia hautnah das Fieber erlebt hast, fällt es ein bisschen schwer, nur als Zuschauer daneben zu stehen.

INFORMATION


Stefan Blöcher

  • Geboren: 25. Februar 1960
  • Wohnort: Es Capdellà (Mallorca)
  • Familienstand: verheiratet mit Tina
  • Kind: Xenia (15)
  • Berufe: Einzelhandelskaufmann, Diplomsportlehrer, Geschäftsführer im Golfresort "Golf de Andratx"
  • Vereine: THC Wiesbaden, Limburger HC, Rot-Weiß Köln, SC 80 Frankfurt, Brisbane Baldes
  • Erfolge: 259 Länderspiele; Silber bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles und 1988 in Seoul, Vize-Weltmeister 1982, Champions-Trophy-Sieger 1986, 1987 und 1988, fünf Mal Europameister; Deutscher Meister 1986 (Halle) und 1989 (Feld), Australischer Meister 1991.