Bielefeld. Endlich wieder laufen. Barbara Fritzsche lebt nach ihrer dreiwöchigen Verletzungspause richtig auf, als wir uns an der Biologischen Station in der Senne treffen. Laufpartnerin Nummer zwei, Birte Niederbrinkmann, hingegen stöhnt. "Ich muss mal gucken, wie es funktioniert", sagt sie und zeigt auf ihr malades Knie. Ein Kinesio-Tape in Form eines langen, blauen Klebestreifens und ein dicker Bluterguss am Oberschenkel zeugen von Problemen.
Die anderen Rahmenbedingungen an diesem herrlichen Vormittag sind optimal. Strahlender Sonnenschein, 16 Grad Celsius und ein leichter Wind. Außerdem lädt die idyllische Umgebung förmlich ein, sich zu bewegen. Das Naturreservat "Rieselfelder Windel" hat Geschichte. Früher wurde hier das Abwasser der Textilfirma Windel verrieselt, heute stellen die Rieselfelder als "Feuchtbiotop aus Menschenhand" (Werbeslogan) das bedeutendste private Naturreservat der Region dar. Kaum vorstellbar, dass in ein paar Jahren dort die Trasse der A33 verlaufen könnte.
Vorbei an flachen Teichen, Schilf und Grünland begeben wir uns auf die etwa elf Kilometer lange Strecke. Zunächst umrunden wir die malerischen Rieselfelder ? auf überaus gelenkschonendem Untergrund. "Ich laufe lieber auf Asphalt, da kann ich wenigstens nicht umknicken", outet sich Birte Niederbrinkmann (20) nicht gerade als Fan von Grasen. Barbara Fritzsche (46) dagegen findet das Umfeld ihrer Lieblingsstrecke "einfach toll, weil hier kein Auto fährt und absolute Ruhe herrscht".
Trotzdem trainieren die Frauen gern miteinander. Denn sie eint ein großes Ziel. Der Hermannslauf am 29. April. Für beide ist es das erste Mal. Angespornt zu ihrer Premiere bei dem OWL-Klassiker wurden sie durch das Hermannslauf-Casting des Active Sportshop. Dort waren sie zwei der sechs Gewinner. Seitdem betreut sie der ehemalige Hermannslauf-Sieger Ingmar Lundström und berät bei der Trainingsarbeit.
Zurück in die Zivilisation
Wir überholen ein paar Wanderer (mit Feldstecher), orientieren uns Richtung Norden und nehmen Kurs auf den Bahnhof Windelsbleiche. Jetzt hat uns die Zivilisation wieder ? in Form von alten Industriegebäuden. Wir überqueren die Bahngleise und kreuzen den Pausenhof der Realschule Senne. Dort wird das unbekannte Trio ? schwarzer Mann eskortiert zwei in orange gekleidete Frauen ? mit Freude zur Kenntnis genommen.
Sofort haben wir weiteren Begleitschutz. Zwei Jungs sprinten an uns vorbei mit dem gut gemeinten Rat: "Wenn ihr es schafft, kommt doch hinterher." Zum Thema Schule fällt Barbara Fritzsche in diesem Moment ein, dass "meine jüngere Tochter gerade ihr Englisch-Abitur schreibt". Birte Niederbrinkmann erinnert sich an ihr soeben beendetes Schulpraktikum. Dabei war die Sportstudentin mittelschwer entsetzt, als sie in der dritten Klasse einer Herforder Grundschule beim Schwimmunterricht feststellen musste, dass "die Mehrheit der Kids gar nicht schwimmen konnte und einige ein Bad noch nie von innen gesehen hatten".
Das Knie macht keine Zicken mehr
Mittlerweile liegt die noch auszubildende Menschheit der Senne hinter uns. Wir ignorieren Waldbad und Senner Sportplatz und beginnen mit der Umrundung des Flughafens Windelbleiche. Der Fahrrad- und Wanderweg führt uns zu Dünen ("Die stammen noch aus der Saale-Eiszeit. Außerdem wachsen dort ungewöhnliche Pflanzen und Pilze", Fritzsche), über den Sennesand bis zur verlängerten Startbahn des Flughafens, die vor dem Grundstück der Familie Oetker endet. Von da aus geht es zurück zum Waldbad, über die Windelsbleicher Straße am Neubaugebiet Breipohls Hof vorbei zu den Rieselfeldern.
Spätestens jetzt merkt Barbara Fritzsche trotz des moderaten Tempos und des flachen Streckenprofils, dass "ich lange nichts gemacht habe". Ein Bänderriss hatte die gelernte Apothekerin zwischenzeitlich außer Gefecht gesetzt und zu Aqua-Jogging sowie Einheiten auf dem Heimtrainer gezwungen. Bei Birte Niederbrinkmann läuft es buchstäblich gut. Hatte sie zu Beginn der Einheit noch mit ihrem Knie zu kämpfen, macht es nun gegen Ende der Schleife "keine Zicken mehr".
Wir queren einen Bach im Sprung, staksen über Steine in einem weiteren Rinnsal, um keine nassen Füße zu bekommen, und sind wieder an unserem Ausgangspunkt der Biologischen Station. Heil am Ziel sind die Aktivitäten für den Nachmittag schnell festgelegt. "Ich pflanze im Garten Stiefmütterchen", sagt Barbara Fritzsche. "Ich lege mich in ein großes Sofakissen auf die Terrasse", fährt Birte Niederbrinkmann fort. Und mir? Bleibt die Arbeit im Büro!