Wechsel zum 1. FC Köln gescheitert: SCP07-Sportchef erklärt geplatzten Obermair-Deal

Herr Sebastian Lange, der Transfermarkt hat in diesem Sommer verrückte Dimensionen erreicht. Sogar in der 2. Bundesliga wurden teils Ablösen im zweistelligen Millionenbereich gezahlt. Wie schauen Sie auf diese Entwicklung? Sebastian Lange: Die Entwicklung mit den hohen Summen schreitet im Fußball generell immer weiter voran. Ganz oben in den Topligen sind die Ablösen von 100 Millionen oder mehr schon gar nicht mehr zu greifen. Jetzt ziehen auch andere Ligen nach. Aufhalten kann man das nicht. Ich sehe da für uns aber eher eine Chance: Wir setzen auf Entwicklung und Nachhaltigkeit, haben Werte im Kader statt Verbindlichkeiten und konnten zuletzt immer davon profitieren. Was genau meinen Sie mit Werten? Mit Werten meine ich Spieler, die Potenzial haben, sich womöglich weiterentwickeln, um dann noch einmal einen Ertrag bringen zu können. Ich habe manchmal sogar das Gefühl, im Winter fließen noch extremere Ablösesummen als im Sommer, weil der eine oder andere Klub noch stärker unter Druck steht, um eine Saison vielleicht noch geradezuziehen. Klar geht das von oben nach unten. Und ganz oben, wenn es um Wirtschaftlichkeit geht, ist die englische Premier League der Maßstab. Spüren Sie im Austausch mit Beratern und anderen Vereinen, dass die Erwartungshaltung steigt, weil mehr Geld im Umlauf ist? Ich merke, dass in der 2. Bundesliga Klubs dabei sind, die wesentlich mehr zahlen, um Spieler zu bekommen. Ein Beispiel ist Florent Muslija, der nach Düsseldorf gewechselt ist – da hatten wir keine Chance, ihn zurückzuholen. Aber eine direkte Erwartungshaltung an uns spüre ich nicht. Unsere Partner kennen den Klub, sie wissen, welche Voraussetzungen wir haben. Der SC Paderborn war in den vergangenen Jahren stets ein Klub, der früh seinen Kader beisammen hatte. Würden Sie sich wünschen, dass das Transferfenster früher schließt? Das wünsche ich mir in jedem Fall. In der 2. Liga läuft die Saison am Ende der Frist ja schon seit über vier Wochen. Ich weiß, dass die Bundesliga später beginnt. Aber für den gesamten Fußballmarkt ist diese Phase sehr intensiv – für Vereine, Funktionäre, aber auch für Fans. Am Ende verlagert sich nur alles nach hinten. Ich bin sogar der Meinung, es würde die gleichen Transfers geben, wenn wir früher aufhören würden. Es ist aber wichtig, dass die Transferphase für alle Ligen gemeinsam endet. Es bringt nichts, wenn in Deutschland niemand mehr wechseln darf, woanders aber schon und dann alle dorthin gehen. Es muss einheitlich sein. Ein Transfer-Ende Mitte August könnte ich mir gut vorstellen. Jetzt fix: SC Paderborn verpflichtet Verteidiger aus 3. Liga – Grimaldi nach Nürnberg Wie turbulent verlief denn der Deadline-Day aus Sicht des SC Paderborn 07? Wir haben an diesem Tag noch drei Transfers abschließen können. Das hat mit unserem Team sehr gut funktioniert. Am Ende sind es ja viele Dinge, die man beachten muss: die optimale Reihenfolge, die Unterlagen, die Abstimmung mit den Beratern und den Spielern. Das hat gut funktioniert. Eine Woche vorher war aber noch gar nicht absehbar, dass das alles so passieren wird. Das hing auch damit zusammen, dass sich Marcel Hoffmeier leider sehr schwer verletzt hat. Kurze Zwischeninfo: Seine OP ist sehr gut verlaufen. Wie schwierig war für Sie der Zeitpunkt Ihres Wechsels zum SC Paderborn 07? Schließlich war die Transferphase da schon in vollem Gange. Schwierig war das nicht. Natürlich ist es normal, dass man bei einem Jobwechsel eine gewisse Eingewöhnung benötigt. Aber die war bei mir schnell abgeschlossen, weil ich den SC Paderborn 07 schon sehr gut kannte, hier lebe und die handelnden Personen vertraut waren. Ich konnte auch relativ schnell die weiteren Mitarbeiter kennenlernen. Beim Kader ging es eher darum, ein, zwei oder drei Spieler noch abzugeben. Das haben wir mit den Verkäufen von Luca Herrmann und Koen Kostons getan. Danach konnten wir noch Stefano Marino verpflichten und zwei, drei Wochen später Steffen Tigges. Es überrascht, dass offenbar noch Einnahmen generiert werden mussten, obwohl Sie mit Aaron Zehnter und Ilyas Ansah Rekordverkäufe hatten. Muss man sich wegen des strukturellen Defizits größere Sorgen machen? Nein, muss man nicht. Wir unterscheiden klar zwischen unserem Gehaltsgefüge und dem Gesamtumsatz. Die Personalaufwendungen für eine Saison sind klar definiert. Darum ging es mir, nicht um den Gesamtumsatz. Ablösesummen sind natürlich ein Bestandteil, aber Kadergröße und Gehaltsbudget stehen im Mittelpunkt. Es ist nicht so, dass wir zwei Spieler verkaufen, dafür fünf Millionen Euro einnehmen und die dann einfach in die Gehälter stecken. Das ist vollkommen klar. Wie haben Sie Ihren Start in Paderborn empfunden? Der Kader war ja schon weitgehend zusammen, viel Raum zum Austoben hatten Sie nicht. Für mich war das sehr gut. Das Geschäftsmodell des SC Paderborn 07 ist deckungsgleich mit meiner Vision vom Fußball. So habe ich es in Verl auch gehandhabt: einen Kader aufbauen mit vielen Werten, kaum Verbindlichkeiten, Spielern mit Potenzial. Auch deswegen habe ich mich für diese Aufgabe entschieden, auch deswegen war sie reizvoll. In den vergangenen Jahren hat das in beiden Vereinen gut funktioniert. Deswegen bin ich froh, dass ich den Kader so vorgefunden habe, wie er war. Natürlich hat jeder in letzter Schärfe eigene Gedanken, aber das ist keine Kehrtwende zu dem, was in Paderborn schon vorher gemacht wurde. Gab es einen Wunschtransfer, der geplatzt ist? Ich möchte das Wort &bdquo;Wunschtransfer“ nicht so gerne nutzen. Aber natürlich sind wir umtriebig und loten vieles aus. Manchmal bekommt man auch Absagen. Es ist normal, dass man versucht, in höhere Regale zu greifen, aber eben auf Basis unserer Strategie: Im besten Fall deutschsprachige Spieler mit Potenzial, die etwas bewegen können. Aber dass sich nicht jeder Spieler für uns entscheidet, liegt in der Natur der Sache. Das passiert selbst bei Bayern München. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von SC Paderborn 07 (@scp07_official) Was sind die Gründe für Absagen? Manchmal bietet ein anderer Klub einfach mehr Gehalt. Oder man kann sich mit einem abgebenden Verein nicht auf eine Ablöse einigen. Man merkt schon, dass selbst für Dritt- oder Regionalligaspieler mittlerweile ganz andere Summen verlangt werden als noch vor drei, vier Jahren. Der SCP hat selbst mit Aaron Zehnter und Ilyas Ansah zwei Spieler für Rekordsummen abgegeben. Gibt es Weiterverkaufsklauseln? Über Vertragsinhalte bewahren wir Stillschweigen. Das steht auch in diesen Verträgen. SC Paderborn 07 erklärt: Das passiert mit Trikotflocks nach dem Grimaldi-Wechsel Warum hat sich der SCP dafür entschieden, Adriano Grimaldi kurzfristig abzugeben? Adriano war in den vergangenen zwei Jahren ein sehr wichtiger Spieler. Sein Profil hatten wir allerdings drei Wochen zuvor schon mit Steffen Tigges verpflichtet – sieben Jahre jünger, Bundesligaerfahrung, und wir sind überzeugt, dass er eine Verstärkung ist. Uns war bewusst, dass es wegen Grimaldis Abgang Unmut bei den Fans geben könnte, vor allem in den Sozialen Medien. Das haben wir in unserem Abwägungsprozess berücksichtigt. Am Ende haben wir uns dafür entschieden, weil es die Situation im Sturm etwas entspannt hat. Da hatten wir ein bis zwei Spieler zu viel. Zudem haben wir dadurch Substanz gewonnen, jetzt und auch für den Winter. Wir schaffen Raum für andere Spieler, um sich zu entwickeln. Das heißt, Sie hatten dabei auch potenzielle Marktwert-Entwicklungen anderer Spieler im Blick? So ist es. In den ersten Spielen haben wir fast immer mit drei Stürmern gespielt. Wir haben Sven Michel, Steffen Tigges und Filip Bilbija. Dahinter kommen Bätzner, Copado, Marino, Wörner – alle sehr vielversprechend, alle wollen spielen. Für Ralf Kettemann ist das keine einfache Entscheidung. Der Konkurrenzkampf ist hoch. Warum durfte Grimaldi gehen, Raphael Obermair aber nicht? Die Situationen sind nicht vergleichbar. Erstens: Auf der Schienenspieler-Position hatten wir zuletzt nur Laurin Curda und Raphael Obermair. Zum Glück waren beide fit. Zweitens: Raphael ist auf seiner Position der beste Spieler der Liga und hat noch fünf, sechs Jahre vor sich. Ich wünsche ihm natürlich, dass er noch in die Bundesliga kommt, aber wir mussten das Klubinteresse in den Vordergrund stellen. Bei Grimaldi konnten wir sportlich und wirtschaftlich abwägen und haben ihm den Wechsel ermöglicht. Wie fanden Sie es, dass Adriano Grimaldi am Freitagabend kurz vor dem Spiel in Nürnberg sagte, er könne nicht spielen? Da möchte ich ihm nichts unterstellen. Tut es Ihnen persönlich leid für Obermair, dass man ihm den Traum von der Bundesliga verwehren musste? Ja, für ihn persönlich tut es mir leid. Ich habe in diesen vier, fünf Wochen – so lange lief das Ganze – viele Gespräche mit ihm und seinem Berater geführt. Ich schätze Raphael Obermair sehr, er ist ein feiner Mensch. Aber als Verantwortlicher muss ich den Klub an erste Stelle setzen. Kommentar: Raphael Obermair bleibt beim SC Paderborn: Sportlich richtig, menschlich bitter Das finale Argument für die verweigerte Obermair-Freigabe war dann sicher die Verletzung von Marcel Hoffmeier, oder? Dadurch waren wir sogar selbst unter Zugzwang, einen Spieler verpflichten zu müssen. Jonah Sticker wäre sonst eher ein Thema für den Winter oder den kommenden Sommer gewesen. Wahrscheinlich hätten wir im Winter aber keine Chance mehr gehabt, weil dann fünf oder sechs Klubs mitgeboten hätten. Durch den Grimaldi-Transfer konnten wir Sticker verpflichten, dazu Niklas Mohr – und haben so noch einmal Substanz gewonnen. Wie sehen die Pläne mit Niklas Mohr aus? Wie bei Jonah Sticker ist auch er ein Vorgriff. Bei ihm wäre der Vertrag in Großaspach am Saisonende ausgelaufen. Wir haben die Chance gesehen, ihn jetzt zu sehr guten Konditionen zu holen. Im Winter oder Sommer wäre das nicht mehr möglich gewesen. Manchmal müssen wir einfach schneller sein als die Konkurrenz. Über die U21 soll er sich für die 2. Liga empfehlen. Das ist das Ziel. Wie bewerten Sie den Saisonstart? Ich würde das Spiel gegen Düsseldorf zuerst nennen: 80 Minuten in Unterzahl, trotzdem noch Chancen auf den Ausgleich. Das war ein Spiegelbild des Charakters der Mannschaft. Gegen Kiel waren wir verdienter Sieger, auch wenn es am Ende knapp war. In Münster haben wir zwei Punkte verschenkt, in Nürnberg war es ein offener Schlagabtausch. Dazu das Weiterkommen im Pokal. Fünf Pflichtspiele, fünf Punkte in der Liga, zwei Siege, zwei Unentschieden, eine Niederlage. Damit können wir leben. Berücksichtigen muss man dabei auch, dass das Trainerteam noch neu ist. Die Mannschaft wird die Abläufe noch besser kennenlernen. In Summe hatten wir in den ersten Spielen einen deutlich höheren Expected-Goals-Wert als die Gegner. Das stimmt uns positiv. Ist die nicht vorhandene Effizienz bislang das größte Manko in dieser Saison? Ja, Effizienz ist ein Thema. Aber die Intensität ist da. Wir wollen aktiven Fußball spielen, leidenschaftlich und mutig auftreten. Das haben wir in allen Spielen gezeigt. Natürlich gibt es immer Feinheiten, die man verbessern kann. Das ist normal in der Entwicklung. Der Kader ist mit 23,5 Jahren im Schnitt extrem jung. Fehlt da nicht Erfahrung? Wir haben genug Erfahrung. Man muss auch berücksichtigen: Dieser Schnitt wird durch viele U21-Spieler nach unten gedrückt. Florian Pruhs im Tor zum Beispiel. Viele Jungs kommen einfach bei der U21 zum Einsatz, trainieren aber bei den Profis. Aber wir haben Sven Michel mit seinen 35 Jahren, Steffen Tigges mit mehr als 80 Erstligaspielen, Filip Bilbija, Laurin Curda, Felix Götze als Kapitän und Raphael Obermair mit 29 Jahren. Die Mischung ist sehr gut. Wie fällt Ihr erstes Urteil zu den Neuzugängen aus? Durchweg positiv. Dennis Seimen macht es im Tor herausragend. Nick Bätzner und Lucas Copado haben in den ersten Spielen überzeugt, vor allem gegen Kiel und Münster. Stefano Marino sorgt immer für gute Momente, wenn er ins Spiel kommt, muss sich nur mal belohnen. Insgesamt sehen wir, dass die Neuzugänge unser Niveau anheben. Wem trauen Sie den größten Entwicklungssprung zu? Grundsätzlich allen. Und unsere Transferstrategie zielt ja auch genau darauf ab: Spieler zu finden, die kritikfähig, entwicklungswillig und intrinsisch motiviert sind. In unserem Umfeld können sie sich optimal weiterentwickeln. Alle SCP-Nachrichten im Überblick: Der News-Blog rund um den SC Paderborn Was ist für den SCP in dieser Saison möglich? Eine seriöse Prognose ist nicht möglich. Die Liga ist extrem eng und ich kann mir gut vorstellen, dass auch am Ende dieser Saison zwischen Platz drei und zwölf wieder nur wenige Punkte liegen. Für uns geht es in erster Linie darum, unseren Fußball auf den Platz zu bringen – intensiv, dominant. Dann erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, auch mehr Dreier mitzunehmen. Das ist unser Wunsch. Aber generell: Wir schauen auf uns. Wir messen uns vor allem an unserer eigenen Leistung und nicht nur an der Tabelle. Jetzt, wo das Transferfenster zu ist: Was sind Ihre Hauptaufgaben in den nächsten Wochen und Monaten? Zunächst wollen wir gut aus der Länderspiel-Pause kommen und das Heimspiel gegen Bochum nutzen, um den nächsten Sieg einzufahren. Das ist das Wichtigste. Aber klar: Ich habe dann mehr Zeit für strategische Themen, weil keine Transfers mehr möglich sind. Unter uns Geschäftsführern, aber auch im sportlichen Bereich, werden wir einiges ausarbeiten. Außerdem müssen wir jetzt schon schauen, was im Winter und im Sommer passiert. Dann wollen wir unseren Scoutingprozess komplett neu aufsetzen. Und es gibt auch den einen oder anderen Prozess intern, den ich mir angesehen habe und jetzt demnächst umstellen werde. Bei Ihrem Vorgänger Benjamin Weber hatte man am Ende den Eindruck, dass ihm die Schritte, die der Verein gehen wollte, nicht groß genug waren. Er hätte sich mehr gewünscht, dass in Beine statt in Steine investiert wird. Wie sehen Sie das? Das muss im Einklang stehen. In erster Linie ist es wichtig, einen konkurrenzfähigen Kader zu haben. Aber auch die Gesamtentwicklung des Vereins darf nicht stehen bleiben. Wir haben in Paderborn eine Top-Infrastruktur, die muss weiterentwickelt werden. Davon haben auch in zehn Jahren noch alle etwas. Das Nachwuchsleistungszentrum ist seit fast einem Jahrzehnt in Betrieb – jetzt geht es darum, die nächsten Schritte einzuleiten, etwa mit weiteren Plätzen oder zumindest einem zusätzlichen Trainingsplatz. Da sind wir dran.

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