Hamburg. Das letzte Mal, dass der HSV zu Hause nicht die volle Punkteausbeute aus einem Spiel mitgenommen hatte, war im Frühjahr dieses Jahres. Der Gegner beim 2:2-Unentschieden im Volksparkstadion hieß SC Paderborn. Und auch in der laufenden Spielzeit ist der SCP das erste Team, das in Hamburg punkten konnte - und zwar gleich dreifach. Durch Tore von Filip Bilbija (21.) und Ilyas Ansah (62.) gelang dem SCP am Samstagmittag ein verdienter 2:1-Erfolg bei einem der Top-Teams der zweiten Bundesliga.
„Nach 99 Minuten hartem Fight gehen wir als glücklicher Sieger vom Feld. Das war sicher nicht völlig unverdient, aber die Partie war insgesamt schon auf einem überschaubaren Niveau. Dazu hat auch der Platz beigetragen. Es gab viele Fehler auf beiden Seiten und es ist am Ende sinnbildlich, dass die spielentscheidende Situation auch wohl ein bisschen dem Rasen geschuldet war, weil Hadzikadunic da wegrutscht“, blieb SCP-Coach Lukas Kwasniok in seiner Analyse nach dem Auswärtserfolg kritisch.
Mit drei Veränderungen im Vergleich zum DFB-Pokalspiel in Leverkusen startete der SC Paderborn in dieses Highlight-Spiel in Hamburg. Für Kai Klefisch begann Mattes Hansen, Jannis Heuer ersetzte den verletzten Maxi Rohr und Sebastian Klaas durfte für Marcel Schuster ran. Wieder starten durfte Youngster Ilyas Ansah.
Die erste größere Chance im Spiel gehörte den Ostwestfalen, die gut und gewohnt mutig aus der Kabine kamen. Florent Muslija setzte sich über links durch. Seine Flanke landete am rechten Pfosten bei Raphael Obermair, dessen Volley-Versuch das HSV-Gehäuse um gut einen Meter verfehlte (2.). Nach kurzer Eingewöhnungszeit übernahmen dann erst einmal die Hausherren.
Hamburg startet mit viel Druck
In Minute sechs konnte sich Pelle Boevink das erste Mal auszeichnen. Nach einem Ballverlust von Hansen parierte der SCP-Keeper den Flachschuss von Immanuel Pherai stark. In der Defensive ging der SCP in Durchgang eins immer wieder hohes Risiko ein - und das oft vollkommen unnötig. So kam der HSV nicht nur einmal zu guten Gelegenheiten, wie beim Kopfball von Robert Glatzel, der nur knapp am Tor der Paderborner vorbeiflog (8.).
Dann klingelte es im Paderborner Kasten: Ein Klärungsversuch von Kinsombi verunglückte etwas, so bekam Hamburgs Laszlo Benes den Ball auf seinen starken Linken, zog direkt ab und ließ Pelle Boevink mit seinem Hammer unter die Latte (11.) keine Chance. So musste der SCP mit einem frühen Rückstand umgehen. Das Team von SCP-Coach Lukas Kwasniok blieb jedoch weiterhin mutig und zeigte sich auch vom frühen 0:1 nicht beeindruckt.
Von Pokal-Tristesse war auf beiden Seiten nichts zu sehen, über 52.000 Zuschauer im Volksparkstadion sahen eine Partie mit hohem Unterhaltungswert. Und in der 21. Minute sollte auch Paderborn aus dem munteren Hin-und-Her Kapital schlagen. Ein Doppelpass zwischen Bilbija und Muslija funktionierte perfekt. So kam Bilbija aus halblinker Position im Hamburger Strafraum zum Schuss und stellte auf Unentschieden. Ein wunderbar herausgespielter Treffer des SCP.
Probleme im Spielaufbau - stark im Umschaltspiel
Während Paderborn auf einem löchrigen Rasen hinten oft sehr anfällig und unsicher wirkte, funktionierte das Umschaltspiel gut. Paderborn trat im Volksparkstadion keineswegs schüchtern auf, kam in der 23. Minute wieder zu einer guten Chance, als Klaas den Ball stark auf Obermair weiterleitete. Dessen Querpassversuch wurde in letzter Sekunde von Hamburgs Stephan Ambrosius geklärt.
Nach einem erneuten Ballverlust Paderborns spielte es der HSV in der 31. Minute schnell aus. Zielspieler des Konters war Glatzel, der aus kurzer Distanz an Boevink scheiterte. Kurz darauf war Feierabend für Mattes Hansen. Der defensive Mittelfeldspieler der Paderborner hatte einige grobe Schnitzer in seinem Spiel. Für ihn kam Kai Klefisch ins Spiel - ein Eins-zu-Eins-Tausch.
„Wir hatten nur eine wirklich gut herausgespielte Chance in der ersten Halbzeit. Deshalb war ich in der Pause auch etwas erbost, klingt skurril, es steht 1:1 beim HSV, aber ich habe den Jungs schon gesagt, dass das einfach eine schlechte Leistung von uns ist. Wenn wir zehn Prozent hochfahren können, werden wir als Sieger vom Platz gehen. Hochgefahren haben wir dann nicht, aber wir sind trotzdem als Sieger vom Platz gegangen“, so Kwasniok nach dem Spiel.
Ohne Wechsel auf Paderborner Seite ging es in den zweiten Durchgang. Und wieder kam der SCP frischer aus der Kabine: Nicht einmal 90 Sekunden waren gespielt, als Muslija mit einem nicht ungefährlichen Rechtsschuss Daniel Heuer-Fernandes prüfte. Nach einem Zweikampf mit Ansah blieb Ambrosius kurz darauf lange auf den Rasen liegen. Zunächst ging es noch weiter, nach einem weiteren Zweikampf war dann aber Schluss für den HSV-Verteidiger.
Der HSV kam in der 56. Minute zu seiner ersten guten Möglichkeit in Durchgang zwei, als Gatzel auf einmal sträflich frei vor Boevink auftauchte, sein technisch anspruchsvoller Lupfer sollte aber ungefährlich bleiben. Dann ging es schnell: Die Hausherren drängten den SCP tief in die eigene Hälfte. Ein langer Ball landete über einen kurzen Umweg bei Ilyas Ansah, der kurz nach der Mittellinie plötzlich vollkommen alleine aufs Hamburger Tor zulief, weil der kurz zuvor eingewechselte Dennis Hadzikadunic ins Straucheln geriet und hinfiel.
Ansah 50 Meter im Alleingang unterwegs
Knappe 50 Meter lief Ansah auf Heuer-Fernandes zu, hinter dem Tausende HSV-Fans Stimmung machten. Doch Ansah blieb cool, tunnelte den HSV-Keeper und erzielte mit seinem ersten Zweiligatreffer das 2:1 für den SCP (62.). Eine Führung, die zu diesem Zeitpunkt durchaus verdient war. Die 52.244 Zuschauer im Volksparkstadion erlebten eine überaus unterhaltsame Partie, die auch in der Folge nicht ruhiger wurde. Das Gefühl nach dem Siegtor in Hamburg beschreibt Ansah so: „Unglaublich, vor so vielen Menschen in so einem Stadion.“ Eine Situation von der der SCP-Youngster schon geträumt habe.
In der 68. Minute bekam Bilbija nach einem Foul an Nicolas Oliveira zunächst Gelb. Dann schaltete sich der Video-Assistent ein und Schiedsrichter Christian Dingert schickte den SCP-Stürmer mit Rot vom Platz. Bilbija erwischte seinen Gegenspieler ungewollt aber deutlich am Sprunggelenk. Eine nachvollziehbare Entscheidung. Direkt danach wechselte der SCP doppelt, für Muslija und Ansah kamen Adriano Grimaldi und Sirlord Conteh ins Spiel.
Eine ganz ähnliche Situation ereignete sich keine zehn Minuten später. Nach einem harten Foul an Obermair an der Strafraumgrenze des HSV sah Hamburgs Miro Muhheim die gelbe Karte. Doch wieder schaltete sich der VAR ein und wieder gab es die rote Karte. Eine harte, aber wohl auch vertretbare Entscheidung - weiter ging es also im Zehn-gegen-Zehn.
Kinsombi mit starkem Auftritt als Kapitän
Noch keinen einzigen Punkt hatte der HSV vor diesem Tag in der laufenden Spielzeit vor den eigenen Fans abgegeben. Doch langsam deutete viel darauf hin, dass die historische Serie der Hansestädter an diesem Nachmittag reißen sollte. Der HSV versuchte zwar weiter viel, doch die Hausherren wirkten zunehmend platt. Auch, weil Paderborn es im zweiten Durchgang viel besser verteidigte und zahlreiche Zweikämpfe gewann. Einen besonders starken Eindruck machte dabei über die vollen 90 Minuten David Kinsombi, der an diesem Tag auch die Kapitänsbinde für den fehlenden Jannik Huth trug.
Die Fans versuchten den HSV noch zum Ausgleich zu peitschen - und das bis in die letzten Spielmomente. Mit letzter Kraft erarbeitete sich Hamburg dann ganz spät im Spiel doch noch zwei Großchancen. Doch erst war der starke Boevink zur Stelle, dann rettete die Querlatte. Kurz danach war Schluss und der SC Paderborn ging mit einem 2:1 als Sieger vom Platz. Mit diesem Erfolg erhöht der SCP sein Punktekonto auf 24. Gelingt zum Jahresabschluss noch ein Dreier gegen Rostock, überwintert Paderborn trotz einer durchwachsenen Hinrunde sogar mit einem Zähler mehr, als im letzten Jahr.
Das Spiel zum nachlesen im NW-Ticker: