Paderborns Coach zieht Bilanz: „Es bleibt insgesamt eine ordentliche Hinrunde“

Paderborn. Der SC Paderborn hatte in der vergangenen Zweitliga-Hinrunde lange Zeit auf Rekordkurs gelegen. Nach acht Spieltagen standen satte 19 Punkte und Tabellenplatz eins zu Buche. Doch dann sollten nur noch schlappe sieben Zähler hinzukommen. Cheftrainer Lukas Kwasniok blickt im Interview mit &bdquo;NW.de“ auf die abwechslungsreiche erste Saisonhälfte zurück und nennt Gründe für die starke Anfangsphase und den schwachen Endspurt. Zudem spricht er über Senkrechtstarter und Enttäuschungen, die lange Winterpause, Personalplanungen und seine Erwartungen für die Rückrunde. Herr Kwasniok, erst ging es für ihr Team steil bergauf, dann folgten sechs Niederlagen in den letzten neun Spielen. Wie fällt ihr Hinrunden-Fazit aus? Lukas Kwasniok: Wenn man es ganz nüchtern betrachtet, haben wir nun drei Halbserien Pi mal Daumen mit der gleichen Punktzahl absolviert. Den primären Auftrag, den Verein zu stabilisieren, haben wir damit erst einmal erreicht. Wir haben uns im oberen Tabellenmittelfeld stabilisiert. Damit können wir grundsätzlich leben. Dennoch tun uns die letzten vier Spiele natürlich sehr weh. Und es ist schon bitter, denn der letzte Eindruck bleibt. Irgendwie ist es eine Mischung aus Freude und Trauer. Aber in der Gesamtbetrachtung bleibt es eine ordentliche Hinrunde. Warum lief es zunächst so grandios? Zu Beginn haben wir viele Gegner überrumpelt. Das war auch möglich, weil wir in der Vorbereitung sehr früh unseren Kader zusammenhatten, während andere Mannschaften noch nicht so weit waren. Das war ein Wettbewerbsvorteil. Und was waren die Gründe für den Einbruch? Da gibt es einige. Wenn du nach acht Spielen 19 Punkte geholt und 24 Tore geschossen hast, stellen sich die Gegner extrem fokussiert auf dich ein. Sie versuchen, dich deiner Stärken zu berauben und ihre Spielweise durchzudrücken. Gerade Heidenheim hat das in Perfektion hinbekommen. Und natürlich wäre da der mentale Aspekt zu nennen. Bei uns im Scouting-Zimmer hängt ein Spruch von Christoph Daum. &bdquo;Wenn der Kopf richtig funktioniert, dann ist er das dritte Bein.“ Und genauso ist es. Für Siege und Erfolgserlebnisse gibt es keinen Ersatz. Wenn du verlierst, kommst du ins Grübeln und die Leichtigkeit geht verloren. Machte sich Letzteres vor allem bei Senkrechtstartern wie Marcel Hoffmeier, Raphael Obermair und Sirlord Conteh bemerkbar? Marcel Hoffmeier ist ein Sinnbild für unsere Vorrunde. Er kam aus der 4. Liga und löste zusammen mit der Mannschaft Enthusiasmus und Euphorie aus. Dann haben sich Gegner besser darauf eingestellt. Und es wurde schwer. Aber das ist nichts Außergewöhnliches, sondern fast schon logisch. Auch wenn man sich wünscht, dass es immer so weitergeht. Aber das ist utopisch. Dies habe ich auch in der Phase, in der wir ganz oben standen, immer wieder betont. Die 2:3-Niederlage gegen den HSV war ein Stimmungskiller. Danach sollten wir in einer Englischen Woche unsere Selbstverständlichkeit verlieren. Hatten Sie nicht dennoch gedacht, dass ihr Team das Zeug hat, dauerhaft oben mitzumischen? Fakt ist: Wir sind eine gute Mannschaft. Nicht mehr und nicht weniger. Aber wir sind kein Spitzenteam. Das würde ich jetzt auch sagen, wenn wir vier, fünf Punkte mehr auf dem Konto hätten. Der Leistungseinbruch betraf aber nicht nur die unerfahrenen Spieler im Team, sondern auch zunächst so treffsichere Stürmer wie Felix Platte oder Marvin Pieringer. Gerade bei Felix ist das aber keine Überraschung. Er hat auch in der vergangenen Saison diese Phasen und Wellenbewegungen gehabt. Das wird bei ihm immer so sein, weil sein Körper so sensibel ist. Wenn Felix nicht dauerhaft am Limit trainieren und voll belastet werden kann, wie er es in der Vorbereitung tun konnte, ist er auch nicht in Topform. Dann geht auch bei ihm die Selbstverständlichkeit flöten. Und Marvin Pieringer ist halt mit seinen 23 Jahren noch kein erfahrener Hase. In der Hinrunde der Saison 2021/22 hatte der SCP 27 Punkte geholt, nun sind es 26. Hat Ihre Mannschaft dennoch Fortschritte gemacht? In der Spielentwicklung auf jeden Fall. Bis vor zwei, drei Wochen hätte ich sogar gesagt: Top, das ist es, exakt so stelle ich mir unser Spiel vor. Wir hatten oft die Spielkontrolle und haben den Ball laufen lassen. Und auch wenn es zuletzt nicht mehr rund lief, werden wir nun nicht alles auf den Kopf stellen. Wir müssen vielmehr an Nuancen arbeiten. Wir kommen übers Spielerische und haben uns daher auch bewusst für diese Spielertypen entschieden. Ich will, dass meine Mannschaft einen guten Fußball spielt. Und da haben uns die letzten beiden Englischen Wochen in der Hinrunde gekillt. Nicht, was die Belastung angeht. Damit mussten die Gegner auch klarkommen. Aber wir sind eine Mannschaft, die über Automatismen und Abläufe funktioniert. Diese musst du dir im Training erarbeiten, doch das ist in solchen Phasen kaum möglich. Unser Spiel ist wie ein Uhrwerk, in dem ein Rädchen ins andere greifen muss. Aber jedes Rädchen ist dann auch in der Lage, etwas besonderes zu machen. Ein Garant für besondere Dinge ist Florent Muslija. Doch auch er wirkte im Hinrunden-Endspurt wie andere Kreativgeister ein wenig überspielt. Bei ihm kamen halt die Länderspielreisen hinzu. Für Flo war es nicht normal, so viele Spiele innerhalb weniger Monate zu absolvieren. Er hatte aufgrund der Nationalmannschaft zudem nur eine kurze Winterpause. Aber mitunter fehlten uns die Alternativen, denn wir hatten mit Sebastian Klaas und Kai Klefisch zwei Langzeitverletzte, die uns im zentralen Mittelfeld gerade in der Schlussphase der Hinrunde gut getan hätten. Auf der Innenverteidigerposition galten Jasper van der Werff und Robin Bormuth zu Saisonbeginn als heiße Startelfkandidaten. Letzterer wurde an Kaiserslautern ausgeliehen. Van der Werff blickt auf eine verkorkste Hinrunde zurück. Wie wollen Sie ihn wieder in die Spur bekommen? Das ist nicht meine, sondern seine Aufgabe. Es liegt allein an Jasper. In einer Laufbahn gibt es nun einmal unterschiedliche Phasen. Schauen Sie sich Niclas Füllkrug an. Der war vergangenes Jahr zeitweise Ersatzspieler bei einem Zweitligisten und fährt nun zur WM. Jasper wollte in dieser Saison den nächsten Schritt machen, mehr Verantwortung übernehmen, seine Spielweise etwas verändern. Und plötzlich geht dir die Leichtigkeit und die Selbstverständlichkeit im Verteidigen verloren. Ruckzuck bist du in einer persönlichen Krise. Und da musst du dich selber herausarbeiten, indem du dauerhaft Gas gibst. Und wie stehen die Chancen, dass Robin Bormuth im Sommer zum SCP zurückkehrt? Das wird man sehen. Tatsache ist, dass er für den 1. FC Kaiserslautern ein Topspieler ist. Der FCK-Fußball passt zu ihm, da kommen seine Stärken aktuell besser zur Geltung als bei uns. Mit Adrian Gryszkiewicz kam ein anderer neuer Innenverteidiger bislang überhaupt nicht zum Einsatz. Was sind die Gründe? Und ist in diesem Winter eine Ausleihe eine Option? Eines vorweg: Adrian ist ein fantastischer Junge. Er bringt eine hohe Bereitschaft mit, sich zu integrieren und lernt fleißig Deutsch. Aber er ist auch ein sehr zurückhaltender und schüchterner junger Mann. Irgendwie hemmt ihn diese Zurückhaltung auch auf dem Platz. Ob ein Leihgeschäft Sinn macht, muss man sehen. Manchmal ist es eine gute Lösung. Doch wenn wir Adrian wieder nach Polen verleihen, wäre es in Sachen Integration ein Rückschritt. Manchmal muss man auch den harten Weg gehen. Und Adrian ist grundsätzlich dazu bereit. Aber wir werden das gemeinsam mit ihm und seinen Berater besprechen. Der nachverpflichtete Maximilian Rohr kam in zehn der vergangenen elf Ligaspiele in der Abwehrkette zum Einsatz. Wie zufrieden sind Sie mit seinen Leistungen? Maxi ist ein offensiver Innenverteidiger und ein Ankurbler, der in der Boxverteidigung im Vergleich zu einem Hünemeier oder einem Bormuth Nachholbedarf hat. Er hat halt in der Jugend eher als Sechser oder Achter agiert. Mein Ansatz ist, von hinten heraus Fußball spielen zu wollen. Und ich bin der Meinung, dass man die defensiven Eigenschaften leichter lernen kann als den Mut zur Offensive. Maxi hat noch Probleme, was die dauerhafte geistige Aktivität betrifft. Und er muss an seinem Durchschiebeverhalten arbeiten. Ein gutes Beispiel ist Sebastian Schonlau. Auch bei ihm zählt die Boxverteidigung nicht zur Kernkompetenz. Aber er ist darin besser geworden und zu einem tollen Spieler gereift. Maxi ist zwar kein Jungspund mehr, aber man darf nicht vergessen, dass er auf diesem Niveau erst seit eineinhalb Jahren spielt. Auch er wird routinierter und besser werden – genauso wie ein Marcel Hoffmeier. Kai Klefisch ist derweil so etwas wie der erste Neuzugang für die Rückrunde, weil er nach langer Verletzung wieder fit ist. Was erwarten Sie von ihm? Kai hat gerade in den vergangenen zwei Wochen sehr gut trainiert und gezeigt, welch gutes Auge er hat. Es muss sein Ziel sein, in der Rückrunde um einen Stammplatz zu kämpfen. Kai ist ein Spieldominator. Er will den Ball. Doch er muss noch im läuferischen Bereich zulegen und explosiver werden. Da hat ihn die Verletzung schon zurückgeworfen. Wann könnte Sebastian Klaas eine Option sein? Da möchte ich keine Prognose abgeben. Er arbeitet derzeit hart mit unserem Reha-Trainer. Ziel ist, dass Sebastian irgendwann im Januar ins Mannschaftstraining einsteigt. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass er dann mehr als sechs Monate weg vom Fenster war. Wie sinnvoll wären Neuzugänge in der Winterpause? Ich habe von Anfang an gesagt, dass wir einen guten Kader haben. An dieser Meinung hat sich nichts geändert. Wir haben Wucht mit Platte und Pieringer, Tempo mit Conteh und Tachie, Finesse mit Muslija, Justvan und Srbeny, Abräumer mit Schallenberg, Schuster und Mehlem. Auch in der Abwehrkette passt es. Aber wir werden schauen, ob wir uns punktuell verstärken können. Wenn, dann geht es wohl eher um einen neuen Schienenspieler. Interessant wäre ein Spielertyp, der auf den Flügeln ins Eins gegen Eins gehen kann. Und wie groß ist Ihre Sorge, dass der SCP in diesem Winter Leistungsträger ziehen lässt? Wenn es so kommt, dann ist es so. Meine Aufgabe ist es nicht, den SCP verlustpunktfrei durch die 2. Liga zu führen, sondern ihn zu stabilisieren. Dazu gehört es eben auch, eventuell einen Leistungsträger zu verkaufen, um dann wieder mehr Möglichkeiten zu haben, zwei, drei Jungs zu holen, die wir anschließend entwickeln können. Das ist Bestandteil des Vereinskonzeptes. So können wir unser Fundament verbreitern, um dann irgendwann zustechen zu können. Und das hoffentlich noch in meiner Amtszeit. Gibt es dennoch Spieler, die man in diesem Winter tunlichst nicht verkaufen sollte? Ich denke da an Kapitän Ron Schallenberg. Selbst wenn es so käme, würden wir dafür eine Lösung finden. Aber ich würde ganz sicher keine Jubelsprünge machen. Wir haben vor einem Jahr auch den Verlust von Sven Michel aufgefangen und in der Rückserie immerhin 24 Punkte geholt. Das Rad wird sich immer weiterdrehen. Aber es deutet nichts darauf hin, dass uns Spieler verlassen. Und wenn ein Verein einen unserer Jungs holen möchte, muss er finanziell bluten. Es wäre nur wünschenswert, wenn uns der Spieler nicht erst wieder kurz vor dem Ende der Transferperiode verlassen würde. Wie blicken Sie der extrem langen Winterpause entgegen? Entspannt, aber fokussiert. Wenn wir trainieren, werden wir hart arbeiten. Und wenn wir zuhause sind, ruhen wir uns aus. Dann geht die Zeit schon schnell rum. Aber es ist schon eine zweigeteilte Saison. Die Erkenntnisse aus der Vorrunde spielen fast keine Rolle mehr. Du beginnst bei Null. Warum wird Ihre Mannschaft gleich sechs bis acht Testspiele bestreiten? Wir haben bei den Tests im Dezember ja immer einen Doppelspieltag freitags/samstags, damit jeder über 90 Minuten gehen kann. Dann bauen die Jungs am wenigsten ab. Kein Training ersetzt ein Spiel. Wir werden dann auch zwei, drei Spieler aus der Jugend nach oben ziehen. Und woran gilt es insbesondere zu arbeiten? Wir haben definitiv Luft nach oben, was das tiefe Verteidigen des eigenen Strafraumes betrifft. Das ist sicher auch unserer Spielweise geschuldet. Aber wir müssen künftig näher an den Gegenspielern dran sein und stabiler werden. Wir wollen aus guten Fußballern nun Spieler machen, die eine Gewinner-Mentalität in sich haben. Dazu zählt, mehr Verantwortung zu übernehmen, den Ball zu fordern. Bereit sein, den inneren Schweinehund zu überwinden. Da fehlt uns noch ein Tick. Manchmal scheinen wir noch zu denken: O.k., wir richten es schon mit dem Ball am Fuß. Aber die Jungs sollen sich nicht nur über das Spielerische definieren. Das ist das Nebenprodukt. Das Hauptprodukt ist der Erfolg. Wie wichtig wird nach dieser langen Sieglosserie ein guter Start in die Rückrunde sein? Wir dürfen nicht vergessen, dass wir gleich mit einer Englischen Woche starten. In der Vorbereitung und in unserem Trainingslager in Spanien müssen sich daher alle Jungs bewusst sein, dass wir sofort alle Spieler brauchen. Es warten Karlsruhe, Stuttgart, Düsseldorf. Da musst du auf Anhieb da sein. Aber warum sollten wir nicht zuversichtlich sein? Wir haben jetzt in den Halbserien 27, 24 und 26 Punkte geholt. Und wir sind überzeugt davon, dass wir das auf jeden Fall wieder schaffen können. Vielleicht geht nun sogar ein Tick mehr, wenn wir wieder in einen Flow kommen. Werden Sie die Fußball-WM in Katar verfolgen? Ich schaue mir natürlich nicht alle Spiele an. Das war auch schon bei den vergangenen Turnieren der Fall. Aber wenn ich was schaue, dann genieße ich das auch. Vielleicht mit Freunden oder einem Gläschen Wein. Ich nehme dann nicht die Perspektive des Trainers ein, der alles analysiert. Was trauen Sie der deutschen Nationalmannschaft zu? Da erlaube ich mir keine Prognose. Ich kann schließlich kaum beurteilen, wie stark die anderen Teams sind. Ich kann Ihnen daher auch keine WM-Favoriten nennen. Die Deutschen zweifeln ja grundsätzlich viel. Aber Hansi Flick hat einen guten Kader, auch in der Defensive. Wenn du einen Rüdiger und einen Süle in der Innenverteidigung hast, ist das nicht so schlecht. Und wie werden Sie die Winterpause verbringen? Erst einmal steht für mich etwas Freizeitstress an. Dann fliege ich mit meiner Frau für neun Tage auf die Kanaren. Wenn ich weg bin, kann ich auch abschalten. Zuhause ist das schwierig, deshalb fliegen wir auch.

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