Paderborns Pokal-Aus in Dortmund: Ein Siegtreffer erhitzt die Gemüter

Paderborn. Der umstrittene Dortmunder 3:2-Siegtreffer von Erling Haaland im DFB-Pokalspiel gegen den SC Paderborn sorgt für Diskussionen. In der fünften Minute der Verlängerung hatte der BVB-Stürmerstar nach einem Zuspiel von Thomas Delaney getroffen. Und nach fast fünfminütiger Überprüfung durch den Video-Assistant-Referee wurde der Treffer gegeben. In der Kritik steht nun Schiedsrichter Tobias Stieler. Ihm wird von Paderborner Seite vorgeworfen, dass er sich die Szene nicht mehr auf dem TV-Monitor angeschaut hatte. Steffen Baumgart muss für seine Unmutsäußerungen im ARD-Interview unterdessen immerhin keine Konsequenzen befürchten. So leitet der DFB-Kontrollausschuss kein Ermittlungsverfahren gegen den SCP-Trainer ein. Das besagt die Regel BVB-Akteur Erling Haaland stand beim Steilpass von Thomas Delaney Zentimeter im Abseits. Das hatte der Video-Assistant-Referee auch so erkannt. Doch das besagte Abseits wurde aus Sicht von Schiedsrichter Tobias Stieler aufgehoben, weil SCP-Akteur Svante Ingelsson den Ball berührt hatte und laut Regel &bdquo;absichtsvoll in den Ballweg eingegriffen hat". In diesem Fall liegt ein sogenanntes &bdquo;Deliberate Play" vor. Folge: Das Abseits ist aufgehoben. Dabei ist es unerheblich, wie stark die Berührung ist oder ob sich die Flug-/Rollbahn des Balles entscheidend ändert. Insofern hat Stieler durchaus regelkonform entschieden. Das sagen die Referees Auf dem Twitter-Account der DFB-Schiedsrichter wird die Szene wie folgt kommentiert: &bdquo;Die Wahrnehmung des Schiedsrichter-Teams auf dem Platz war, dass der SCP-Spieler Ingelsson durch ein bewusstes Berühren des Balles die vermeintliche Abseitsposition des BVB-Spielers Erling Haaland aufgehoben hat. Dies konnte durch die TV-Bilder, die dem VAR vorliegen, nicht zweifelsfrei widerlegt werden. Aus diesem Grund blieb die Feld-Entscheidung bestehen." Exakt so argumentiert auch Jochen Drees, Projektleiter für den Bereich Video-Assistent beim DFB. "Ein On-Field-Review ergibt nur Sinn, wenn der Video-Assistent dem Schiedsrichter einen bildlichen Beleg liefern kann, der die Wahrnehmung auf dem Feld eindeutig widerlegt. Dies war in der Szene nicht möglich", so Drees. Erich Drotleff vom Schiedsrichter-Ausschuss des Fußballkreises Paderborn übt dagegen Kritik an Stieler: &bdquo;Der größte Fehler, den ich ihm ankreide, ist, dass er nicht auf Nummer sicher gegangen ist. Wenn ich die Möglichkeit habe, muss ich mir die Szene auch noch mal auf dem Monitor anschauen. Dafür ist der Videobeweis doch da. Gerade in so entscheidenden Situationen." Das Argument, dass Stieler die Ballberührung gehört habe, kann Drotleff nicht nachvollziehen. "Bei der Beurteilung einer Szene darf man sich nicht aufs Hören verlassen", so der stellvertretende Vorsitzende des Paderborner Kreisschiedsrichter-Ausschusses. "Wäre Stieler nach Sichtung der TV-Bilder bei seiner Meinung geblieben, hätte ihm niemand etwas nachsagen können. So aber hat er seine Position und seine eigentlich gute Leistung absolut geschwächt." Das sagen die SCP-Verantwortlichen "Ich habe den Schiedsrichter darauf hingewiesen, dass er sich die Szene auf dem Monitor anschauen soll. Und er sagt zu mir: Meine Wahrnehmung ist wichtiger als die TV-Bilder. Ist das arrogant? Oder wie soll man das nennen", fragt Steffen Baumgart. "Nicht zu schauen, finde ich schwierig. Der Schiedsrichter hat uns den Abend versaut", ergänzt der SCP-Coach. Sein Sportchef gibt ihm recht. &bdquo;Der Schiedsrichter muss sich über die Fernsehbilder persönlich Gewissheit verschaffen. Dafür haben wir diese Technik – wozu sonst? Warum er in diesem so spielentscheidenden Moment darauf verzichtet hat, ist mir absolut unerklärlich", betont Fabian Wohlgemuth. Auch eine Szene aus der 106. Minute des Spiels, die in den Diskussionen übers Siegtor und in den Live-Übertragungen im TV völlig unterging, sollte die Laune der SCP-Verantwortlichen nicht anheben. Da nämlich hatte BVB-Akteur Emre Can dem Paderborner Julian Justvan im Strafraum das Standbein weggetreten. Doch der fällige Elfmeterpfiff blieb aus. Und der Video-Assistant-Referee schaltete sich nicht ein. Das sagt der SCP-Kapitän Auch Sebastian Schonlau kann den Prozess der Entscheidungsfindung nicht nachvollziehen. "Da wird gefühlte sieben Minuten auf den Videobeweis gewartet. Und am Ende entscheidet der Schiedsrichter nach seiner subjektiven Wahrnehmung, ohne sich die Szene noch mal anzuschauen", sagt der SCP-Kapitän und fügt an: "Ich weiß auch nicht, wer diese Regel erfunden hat, die in einem solchen Fall das Abseits aufhebt. Der Pass von Delaney landet doch genau da, wo er hin sollte. Ob Svante den Ball dann - wenn überhaupt - minimal mit dem Schienbeinschoner berührt, sollte keine Rolle spielen." Das sagt der TV-Experte Bastian Schweinsteiger war am Dienstagabend als TV-Experte für die ARD im Einsatz. Und der Weltmeister von 2014 legte sich in Sachen 3:2-Siegtreffer nach Anblick der Fernsehbilder fest: "Ich habe keine Ballberührung gesehen. Die Flugbahn des Balles hat sich auch nicht geändert. Und selbst wenn Ingelsson den Ball berührt haben sollte, so sehe ich keine Absicht des Spielers. Ich kann Steffen Baumgart zu 100 Prozent verstehen." Und in Richtung Schiedsrichter Tobias Stieler erklärte Schweinsteiger: "Tut mir leid. Da musst du rausgehen und es dir anschauen, ob der Spieler den Ball berührt hat." Und das sind die Folgen Immerhin: Die Wutrede, die Steffen Baumgart nach Spielschluss im Interview mit der ARD hielt, hat keine unliebsamen Konsequenzen für Paderborns Cheftrainer. So gab der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) am Mittwochnachmittag bekannt, dass "mit Zustimmung des DFB-Sportgerichts" kein Ermittlungsverfahren gegen Baumgart eingeleitet wird. "Was sollte der DFB auch ermitteln? Ich war emotional, aber nicht beleidigend. Und man sollte schon klar seine Meinung äußern dürfen, da sollte es keine Zensur geben", sagt der SCP-Coach, der allerdings Post aus Frankfurt erhalten hat. So wurde Baumgart vom DFB schriftlich nahegelegt, "sich zukünftig in seiner Wortwahl zu mäßigen und an seine Vorbildfunktion als Trainer zu denken." Im Wiederholungsfall könne es sonst zu einer Anklage-Erhebung vor dem Sportgericht kommen. Dazu sagt der SCP-Trainer: "Vorbilder, sind für mich die, die ihre Meinung klar zum Ausdruck bringen, ohne zu beleidigen oder zu diskriminieren." Fakt ist, dass Stielers Entscheidung bittere Folgen für den SC Paderborn hat. Sportlich hätte der Klub in dieser DFB-Pokal-Saison Vereinsgeschichte schreiben können. Und auch finanziell hätte der Einzug ins Viertelfinale gerade in Corona-Krisenzeiten enorm gut getan. So wären für den Sprung unter die letzten Acht weitere 1,2 Millionen Euro aufs SCP-Konto geflossen. Mit einer solchen Summe könnten die Paderborn locker drei absolute Leistungsträger eine Saison lang finanzieren. Und so erklärt Sportchef Fabian Wohlgemuth: "Für uns geht es nicht nur um Dimension dieses Spiels. Für uns geht es um sportliche und wirtschaftliche Konsequenzen, die bis weit in die kommende Saison reichen."

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