Leipzigs Sportdirektor Markus Krösche feiert ein Wiedersehen mit "seinem" SC Paderborn

Paderborn. Mit 373 Ligaspielen ist Markus Krösche der unangefochtene Rekordspieler des SC Paderborn. Und auch als Sport-Geschäftsführer verdiente sich der aus Hannover stammende 39-Jährige einen Ehrenplatz in der Vereinsgeschichte. So war Krösche maßgeblich am Durchmarsch von der dritten in die erste Liga beteiligt. Seit dem vergangenen Juli ist er nun Sportdirektor von RB Leipzig. Die Sachsen gastieren an diesem Samstag, 30. November, um 15.30 Uhr in der Paderborner Benteler-Arena. Für Krösche wird es das erste Spiel gegen den SCP sein. Im Interview mit nw.de spricht der RB-Sportdirektor über diese besondere Partie, seine Verbindungen in die alte Heimat, Spielstile und Spieler sowie über seinen neuen Arbeitgeber. Herr Krösche, sie haben gut 16 Jahre lang in Diensten des SC Paderborn gestanden. Da könnten Sie ihrem Ex-Verein doch eigentlich mal verraten, wie ihr jetziger Arbeitgeber RB Leipzig zu knacken ist.Markus Krösche: Bei aller Liebe zum Verein und zur Region, aber das werde ich ganz sicher nicht tun. Und am Samstag kann ich keine Rücksicht nehmen. Ich wünsche dem SCP alles Glück dieser Welt und viele Punkte - aber nicht in den beiden Spielen gegen RB Leipzig. Es wird am Samstag sicher eine sehr intensive Partie und keine einfache Aufgabe. Aber wir haben den Anspruch, in Paderborn zu gewinnen. Die Sache mit dem Gewinnen klappt in Leipzig derzeit auch ganz hervorragend. Zuletzt gab es vier Bundesliga-Siege in Folge mit beeindruckenden 22:4 Toren. Was macht RB momentan so stark? Krösche: Wir waren in den vergangenen zwei, drei Wochen extrem fokussiert. Die Jungs machen alles mit einer unfassbaren Überzeugung. Wir haben halt eine sehr gute Mannschaft mit einer hohen Qualität, die wir derzeit auch auf den Platz bekommen. Jeder geht momentan an seine Grenzen. Dabei hatte RB noch im September eine kleine Krise.Krösche: Das war keine Krise, sondern eine kleine Schwächephase und letztlich ein ganz normaler Prozess. Wir haben ein neues Trainerteam mit neuen Ideen und eine sehr junge Mannschaft, die sich entwickeln muss. Da gibt es schon mal Phasen, in denen es ruckelt. Es ging vor ein paar Wochen darum, die Sinne zu schärfen, sich neu zu fokussieren und die Dinge mit noch mehr Überzeugung zu machen. Das haben wir jetzt hinbekommen. Aber auch unser Team muss in jedem Spiel an die 100 Prozent gehen, um gewinnen zu können. Finanzielle Rahmenbedingungen sind ganz anders Und wie gefällt Ihnen der neue Arbeitsplatz? Was hat sich im Vergleich zu Ihrem Job beim SC Paderborn geändert?Krösche: Meine Aufgaben haben sich grundsätzlich nicht viel verändert. Natürlich ist das hier in Leipzig ein viel größerer Klub, die Herausforderungen sind noch vielfältiger. Aber man hat hier deutlich mehr Mitarbeiter, die man delegieren muss. Für jeden Bereich gibt es Spezialisten. Unterm Strich ist die Arbeit noch intensiver, allein wegen der drei Wettbewerbe. Fast alle drei Tage gibt es ein Spiel. Aber es macht einfach Spaß. Etwas "beschaulicher" waren in Paderborn auch die Ablösesummen. Wird Ihnen nicht manchmal selbst etwas schwindelig, wenn man mitunter über 80 Millionen Euro teure Ausstiegsklauseln für Innenverteidiger verhandelt?Krösche: Nein. Das ist mein Job. Und so ist das Geschäft. Und natürlich sind die finanziellen Rahmenbedingungen hier ganz anders als in Paderborn. Aber die Ansprüche wachsen auch mit den finanziellen Möglichkeiten. Deshalb ist das Arbeiten hier ganz sicher nicht einfacher. Ist Markus Krösche denn auch als Privatperson in Leipzig schon heimisch geworden?Krösche: Ja, es passt einfach alles. Seit dem neuen Schuljahr gehen meine Kinder in Leipzig zur Schule. Wir fühlen uns hier unheimlich wohl. Leipzig ist eine sehr junge Stadt mit vielen Parks, Seen und Naherholungsgebieten. SCP hätte mehr Punkte verdient Und wie intensiv sind noch die Kontakte nach Paderborn und zum SCP?Krösche: Sehr intensiv. Paderborn ist unsere Heimat. Der Großteil unserer Freunde lebt dort. Meine Familie ist an den Wochenenden, an denen wir Auswärtsspiele haben, fast immer in Paderborn. Auch zum SCP stehe ich regelmäßig in Kontakt. Ich telefoniere beispielsweise mit Steffen Baumgart, Martin Przondziono, Ole Siegel, Christoph Müller, Ayhan Tumani oder Thommy Bertels. Und wir reden dann nicht nur über Fußball. Lassen Sie uns aber über Fußball reden. Wie fällt denn ihre Zwischenbilanz mit Blick auf den SC Paderborn aus?Krösche: Ich finde, die Jungs haben es in den meisten Spielen sehr gut gemacht. Leider hat der SCP weniger Punkte auf dem Konto, als er eigentlich verdient hätte. Doch die Mannschaft hat zuletzt beim 3:3 in Dortmund gezeigt, was in ihr steckt. Ich bin davon überzeugt, dass Paderborn noch seine Punkte holen wird. Ob es am Ende reicht, muss man sehen. Was fehlt dem SCP denn noch, um in der Bundesliga mehr Zähler einfahren zu können?Krösche: Es fehlt sicher ein Stück weit die Erfahrung. Viele Jungs, die beim SCP spielen, haben vor zwei Jahren noch in der Regionalliga oder im unteren Bereich der 3. Liga gekickt. Es gehört dann in der Bundesliga leider auch zur Entwicklung dazu, dass du den ein oder anderen Fehler mehr machst. Ich bin mir aber sicher, dass der SCP noch viele Punkte einfährt. Es gibt noch 22 Spiele und somit genügend Zeit. Und falls der Klassenerhalt doch frühzeitig außer Reichweite geraten sollte? Was würden Sie dem SCP dann raten?Krösche: Ich maße mir nicht an, Ratschläge zu erteilen. Beim SCP gibt es genügend Personen, die jede Menge Ahnung von dem Business haben. Aber dem gesamten Umfeld würde ich raten, die Bundesliga als Bonusjahr anzunehmen. Vor gut zwei Jahren stand der Verein vor der Insolvenz und sportlich in der vierten Liga. Jetzt spielt der SCP vor über 80.000 Zuschauern 3:3 in Dortmund. Daher sollte jeder diese Saison genießen und die Jungs maximal unterstützen, um die schwere Aufgabe Klassenerhalt zu schaffen. Wenn es funktioniert, ist es eine riesige Sensation. Wenn es nicht klappt, ist es kein Beinbruch. Aber besteht nicht die Gefahr, dass die Talfahrt nach einem Abstieg in die 2. Liga auch diesmal weitergeht?Krösche: Ich bin zuversichtlich, dass dies nicht passieren wird. Mittlerweile wurden beim SCP ganz andere Strukturen geschaffen. Finanziell wurde in den vergangenen beiden Jahren und durch den Erstliga-Aufstieg eine gute Basis geschaffen. Und ich bin mir sicher, dass alle Verantwortlichen die richtigen Entscheidungen treffen werden. War es denn eine richtige Entscheidung, im vergangenen Sommer nur 150.000 Euro für Neuzugänge auszugeben?Krösche: Man kann halt nur das Geld ausgeben, was man hat. Punkt, aus, fertig! Sollte der SCP dann in diesem Winter tiefer in die Tasche greifen?Krösche: Auch da bin ich weit davon entfernt, irgendwelche Ratschläge zu erteilen. Martin Przondziono und die anderen Verantwortlichen werden schon wissen, was zu tun ist. Wäre es denn trotz der Querelen, die es im Sommer um eine angedachte Kooperation zwischen RB und dem SCP gegeben hat, denkbar, dass im Winter ein Spieler aus Leipzig an die Pader wechselt?Krösche: Es macht doch keinen Sinn, darüber zu spekulieren. Aber auch das müssen die Verantwortlichen in Paderborn entscheiden. Ich habe in Leipzig genug Themen, die ich bearbeiten muss. Dann lassen Sie uns lieber die Spielstile der beiden Teams vergleichen. Gibt es da Gemeinsamkeiten?Krösche: Die Spielphilosophien sind schon sehr ähnlich. Als wir vor gut zwei Jahren in Paderborn die neue Spielidee implementiert haben, war Leipzig schon ein Stück weit ein Vorbild. Beide Teams pflegen einen ähnlichen Stil. Offensiv, aggressiv, mutig. Und wie sehr ähneln sich die beiden Trainer Julian Nagelsmann und Steffen Baumgart?Krösche: Jeder hat seine eigene Arbeitsweise und seine eigenen Stärken. Aber Julian und Steffen denken den Fußball ähnlich. Beide haben den Mut, offensiv spielen zu lassen. Beide haben die Fähigkeit, Spieler weiterzuentwickeln. Und beide haben eine klare Ansprache. Sie ähneln sich in vielen Dingen. "Kein Spiel Krösche gegen den SCP" Mit Diego Demme gibt es in Leipzig einen Akteur, mit dem Sie einst zusammen beim SCP gespielt haben. Mittlerweile zählt er bei RB schon zum Inventar. Wie wichtig ist Diego fürs Team?Krösche: Er ist ein sehr wichtiger Bestandteil unserer Mannschaft. Diego hat eine unfassbare Entwicklung genommen. Und er hat hier eine Ära geprägt. Man hat schon in Paderborn sein Potenzial gesehen, aber da war er noch sehr jung. In Leipzig hat er es bis zum Nationalspieler gebracht. Das sagt alles. Diego macht seine Sache hier sehr, sehr gut. Und wer macht aus Ihrer Sicht seine Sache beim SCP derzeit richtig gut?Krösche: Eigentlich machen es alle Jungs richtig gut. Aber es freut mich besonders, dass Luca Kilian so schnell in die Bundesliga reingefunden hat. Er macht es derzeit exzellent. Letztlich ist jedes Spiel wertvoll für die Jungs. Sie können in der Bundesliga unheimlich viel lernen und aus jeder Partie etwas mitnehmen, um sich weiterzuentwickeln. Bislang haben Sie in ihrer Karriere als Spieler, Trainer und Funktionär noch nie gegen den SC Paderborn gespielt. Das wird sich am Samstag ändern. Was erwarten Sie für einen Empfang?Krösche: Ach, es geht doch nicht darum, wie ich empfangen werde. Und es ist auch kein Spiel Markus Krösche gegen den SCP. Es geht Samstag um drei Punkte. Und ich freue mich auf das Spiel. Und was denken Sie, wir Ihr Verein empfangen wird? RB Leipzig wird schließlich von einigen Fans kritisch gesehen.Krösche: So negativ werden wir auswärts eigentlich gar nicht empfangen. Im Gegenteil. Abgesehen vom Spiel bei Union Berlin, in dem ich Kritik ansatzweise erlebt habe, gibt es vielmehr sehr viel Positives zu berichten. Viele Fans können halt auch wertschätzen, was hier in Leipzig geleistet wird und welch attraktiven Fußball wir spielen. Und unsere Fans treten anderen Fans gegenüber immer vorbildlich auf. Bei unseren Heimspielen herrscht eine sehr freundliche und familiäre Atmosphäre. Auch deshalb werden wir durchaus positiv gesehen. Abschließende Frage: Was macht Markus Krösche denn am Samstag nach dem Spiel? Geht's gleich zurück nach Leipzig?Krösche: Nein, ich bleibe in Paderborn.

Meistgelesen

Paderborn Mann für Mann