Wie politisch darf ein Sportverein sein?

Bielefeld. Nicht erst seit der jüngsten Bundestagswahl wird die zunehmende Spaltung der Gesellschaft in rechte und linke Lager deutlich. Seit dem erneuten Stimmenzuwachs für die AfD rufen andere Parteien und Organisationen immer wieder zu Aktionstagen für die Demokratie auf. Im Februar fand in Stieghorst rund um die Grundschule Hillegossen die Bürgerveranstaltung &bdquo;Gemeinsam für Demokratie“ statt. Dazu wurden auch die Sportvereine aus Stieghorst von Parteien aus der Bezirksvertretung zur Teilnahme angefragt. Damit ergab sich für die Vorstände eine intensiv diskutierte Fragestellung: Wie politisch darf ein Sportverein sein? Die Vorstände vom TuS Hillegossen und SV Ubbedissen haben nach kurzer Beratung unterschiedliche Entscheidungen getroffen. SV Ubbedissen beruft sich auf die Vereinssatzung TuS-Vorstand Ralf Goralzik erklärt: &bdquo;Wir haben uns entschieden, bei der Aktion mit einem Stehtisch dabei zu sein und unser sportliches Angebot für den Stadtteil zu präsentieren“. Es habe sich eine gute Gelegenheit zum Netzwerken ergeben, bei der auch Kontakte für die Jugendarbeit entstanden seien. &bdquo;Wir wollten damit zeigen, dass wir gegen extreme Strömungen jeglicher Art stehen“, sagt er. Beim SV Ubbedissen fiel die Vorstandsentscheidung nach einer kurzen Prüfung anders aus. Vorsitzender Jens Niebuhr: &bdquo;Wir haben uns auf unsere Vereinssatzung berufen, in der wir uns zu politischer und religiöser Neutralität verpflichten.“ Grundsätzlich unterstütze der Vorstand die Aktion auch einstimmig und habe es den Mitgliedern freigestellt, dort hinzugehen und Flagge zu zeigen. Als SV Ubbedissen wollte und konnte sich der Verein aber auch aus personellen Gründen nicht zeigen. Niebuhr: &bdquo;Auch wenn lange Diskussionen vorausgegangen und jeder seine eigene Einstellung dazu hat, wollten wir uns am Ende parteipolitisch neutral verhalten.“ Gleichzeitig wirbt er für Verständnis, dass eine Nichtteilnahme nicht automatisch eine Ablehnung der Veranstaltung bedeute. Bielefelder Vereinsvorstände kritisieren &bdquo;Schwarz-Weiß-Blick“ Die beiden Vereinsvorstände kritisieren den strikten Schwarz-Weiß-Blick, verbunden mit dem Druck sich zu rechtfertigen: &bdquo;Von Vereinen, die sich nicht beteiligen, wird eine explizite Begründung gefordert“, erklärt Goralzik. Natürlich gebe es beide Flügel – sowohl links als auch rechts –, auf die zu achten sei. &bdquo;Angesichts des sehr guten Verhältnisses zu unserem Bezirksbürgermeister und dessen Stellvertreter können wir aber ruhigen Gewissens neutral sein“, ergänzt er. Lesen Sie auch: Funktionärs-Nachwuchs gesucht Der Passus zur politischen und religiösen Neutralität in der Vereinssatzung sei auch für die steuerrechtliche Behandlung erheblich. Stadtsportbund-Vorstandesvorsitzender Simon Böer: &bdquo;Um die Gemeinnützigkeit eines Sportvereins und damit die Steuerentlastung nicht zu gefährden, muss dieser sich parteipolitisch neutral verhalten – sich gesellschaftspolitisch zu äußern ist hingegen möglich.“ Bedeutet: Eine Partei pauschal abzulehnen oder in den Mittelpunkt zu stellen sei gemeinnützigen Vereinen nicht erlaubt. Sich dagegen mit den Positionen auseinanderzusetzen in Ordnung. Sportvereine seien gerne auf Veranstaltungen dabei: &bdquo;Wir müssen dabei aber die Werte des Sports vertreten und dürfen uns nicht von Parteien vor den Karren spannen lassen“, sagt Simon Böer. Lesen Sie auch: Sicher vor Gewalt in Bielefelder Sportvereinen Bei Mitgliedsanträgen spielen Religion und Partei keine Rolle Auch in Hillegossen werde die Neutralität gelebt: &bdquo;Bei Mitgliedsanträgen spielt die Religion oder Parteizugehörigkeit keine Rolle“, sagt Ralf Goralzik. Sollten andere Mitglieder auf extreme Äußerungen oder versuchte Beeinflussungen in bestimmte Richtungen aufmerksam werden und somit gegen die Werte des Vereins verstoßen, sei ein Ausschluss denkbar. &bdquo;Machen wir uns nichts vor, bei dem hohen Wahlergebnis für die AfD in Stieghorst werden bei 1.300 Mitgliedern in unserem Verein sicherlich auch Frustwähler in unseren Reihen sein“, sagt Jens Niebuhr. Sowohl in Ubbedissen als auch in Hillegossen hätten die Sportvereine aber bislang keine Schwierigkeiten mit Extremismus jeglicher Art. &bdquo;Rechte Extremisten hätten bei uns auch gar keine Freude. Wir stehen dem entgegen. Wir sind bunt und vielfältig, bestehen aus unterschiedlichen Altersgruppen, Hautfarben und Kulturen und das wird jeden Tag bei uns gelebt“, sagt Goralzik. Lesen Sie auch: Bielefelder Sportvereine packen den Wandel an Auch der Landessportbund positioniert sich In einem Positionspapier hat der Landessportbund (LSB) NRW Handlungsempfehlungen zum Umgang mit antidemokratischen, populistischen und extremen Parteien, Gruppierungen und Akteuren gegeben. Darunter zählt der LSB auch explizit politische Mandatsträger, Funktionsträger oder aktive Mitglieder der AfD. Dabei sollen entsprechende Personen nicht in Gremien und Arbeitsgruppen des LSB vorgesehen, nicht für Preisverleihungen vorgeschlagen und nicht zu Veranstaltungen eingeladen werden. Für Juni plant der Stadtsportbund eine digitale Infoveranstaltung zu politischer Neutralität im Sport.

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