Bielefeld

Was machen die Fußballer ohne Hallenmeisterschaft?

Erstmals in 23 Jahren gibt es keine Bielefelder Stadtmeisterschaft. Stimmen zur fußballfreien Zeit. Der Pokal steht an einem ganz besonderen Ort.

Ein Bild aus besseren Tagen: Spannende Endrundenspiele in der Seidensticker-Halle vor vielen Fans. In dieser Szene vom Finaltag 2017 versucht SCB’s Nadir Serroukh (gelbes Trikot) Fichtes Torwart Berkay Yilmaz zu überwinden. Foto: Christian Weische | © Christian Weische

28.12.2020 | 28.12.2020, 06:00

Bielefeld. Eigentlich wären vier Bielefelder Sporthallen in diesen Tagen wieder prall gefüllt. Mit Fußballern und Zuschauern. Eigentlich liefe jetzt die Stadtmeisterschaft. Eigentlich. Die Corona-Pandemie verhindert die 24. Austragung der beliebten Veranstaltung, die die traditionell zwischen den Jahren zur Feiertagsruhe sedierte Sportszene belebte. Was machen Aktive und Fans nun stattdessen bis Silvester?

Für Markus Baumann ist die Situation ziemlich fremd. Der Vorsitzende des Fußballkreises und seine Mitstreiter hatten sich gemeinsam mit den Veranstaltern bereits Anfang August für eine Absage entschieden. Einige meinten seinerzeit, es sei zu früh. Vier Monate später dürften sich die Entscheider angesichts des aktuellen Infektionsgeschehens bestätigt fühlen. „Deswegen gehe ich jetzt aber nicht triumphierend durch Bielefeld“, sagt Baumann. Vielmehr empfinde er es als absolut schade, dass das Hallenspektakel nicht stattfinden könne.

Da das Turnier auch einer enormen Vorbereitung bedürfe, sei die frühzeitige Absage aber unumgänglich gewesen. Nicht nur seitens des Fußballkreises – auch die vier ausrichtenden Vereine wären wohl auf einigen Kosten und Mühen sitzen geblieben, wenn die Absage erst kurzfristig erfolgt wäre. Rückblickend also eine weise Entscheidung.

Seit 1997 zum ersten Mal kein Hallenfußball

„Man kann momentan die Dinge einfach nur erahnen“, erklärt Baumann. „Und dass es so schlimm wird, das war ja nun wirklich nicht abzusehen.“ Seit 1997 hat Markus Baumann die Tage zwischen Weihnachten und Silvester in den Sporthallen verbracht. „Dieses Jahr ist wirklich seitdem das erste Mal, dass gar nichts stattfindet.“ Doch ganz ohne das runde Leder kann auch der Kreischef nicht: „Man hat ja viel Zeit und dann denkt man auch mal an die schönen Dinge, die man während der Stadtmeisterschaften so erlebt hat.“ Obwohl er einräumt, dass die negativen Ereignisse eher haften bleiben.

Und davon gab es im vergangenen Jahr mehr als genug. Die Zwischenfälle in Verbindung mit dem FC Türk Sport und dem SC Hicret und deren Anhängern beispielsweise. Beide Vereine erhielten per Urteil der Sportgerichtsbarkeit ein Startverbot für die nächste Auflage der Hallenfußballmeisterschaft. Sie nehmen also auch nächstes Jahr die Zuschauerrolle ein. So weit mag Markus Baumann allerdings noch nicht denken. „Wir müssen abwarten, was das neue Jahr überhaupt bringen wird und ob die Stadtmeisterschaft 2021 stattfinden kann“, sagt Markus Baumann.

»Wir hätten eine super Truppe gehabt«

Einen Trainer trifft die Absage spätestens seit vergangener Woche doppelt: Andreas Brandwein vom Westfalenligisten VfL Theesen. Der 46-Jährige ist bekennender Fan der Stadtmeisterschaft und hätte sich gewünscht, mit seinem VfL Theesen zum 16. Mal in Folge in die Endrunde einzuziehen. Daraus wird nichts. „Wir hätten eine super Truppe für die Halle gehabt. Das Endspiel wäre bestimmt möglich gewesen“, sagt Brandwein.

Für den langjährigen Theesener Coach, der im Sommer 2021 den Trainerposten an Engin Acar übergibt, ist die Hallenfußball-Stadtmeisterschaft das Bielefelder Fußballevent mit der höchsten Attraktivität. „Vor so vielen Zuschauern spielen wir draußen nie.“ Doch in diesem Jahr ist eben alles anders. So hat Andreas Brandwein erstmals keinen Urlaub zwischen den Tagen beantragt. „Ich werde arbeiten gehen“, verrät er sein Hallenspektakel-Ersatzprogramm.

Der Pokal steht bei Horstmann im Schaufenster

Philipp Willmann vom Liga-Konkurrenten VfB Fichte hält die frühzeitige Absage nach wie vor für sinnvoll. Statt sich in einer der Sporthallen zu treffen, wird seine Mannschaft zu einem „Online-Meeting“ zusammen kommen. „Wir wollen uns nach den Feiertagen mal ein bisschen austauschen“, sagt der Trainer. Er hatte sich für dieses Jahr durchaus Chancen ausgerechnet: „Wir hätten definitiv eine gute Truppe aufs Parkett geschickt. Vielleicht wird es im nächsten Jahr etwas.“

Jens Horstmann, Coach des amtierenden Stadtmeisters TuS Dornberg, nahm die Absage im Sommer gewohnt lässig hin. Damals sagte er: „Dann steht der Pokal eben ein Jahr länger in meinem Wohnzimmer.“ Heute setzt er schelmisch noch einen drauf: „Ich hab den Pokal jetzt auf die Fensterbank in mein ’Schaufenster’ gestellt. Wer ihn sehen möchte, kann ja mal bei mir vorbeischauen. Es gibt auch einen Parkplatz bei mir vorm Haus.“

"Ein Mega-Jahresausklang"

Horstmann erwartet für die vier Tage einige „Throwback-Fotos“ auf den Social-Media-Kanälen seiner Spieler. „Ich denke, der eine oder andere wird sicherlich Bilder posten, um ans letzte Jahr zu erinnern.“ Eine digitale Titelverteidigungsparty hat der Landesligist nicht geplant. Für Horstmann selbst war es 2019 seine erste Teilnahme an der Hallenfußball-Stadtmeisterschaft.

„Man hat diese Zentralisierung des Who is Who der Bielefelder Fußballszene. Ich habe viel Spaß daran, dass man sich mit allen Leuten trifft und mit jedem ein bisschen quatschen kann. Ein Mega-Jahresausklang, auch wenn es natürlich anstrengend ist.“ Der Coach hätte das Spektakel gerne wieder.

»Ich führe ein paar Gespräche mit den Spielern«

„Wir freuen uns aufs nächste Jahr und werden versuchen, unseren Titel dann zu verteidigen“, macht Horstmann schon mal eine Kampfansage an die Konkurrenz. Beim Bezirksligisten VfR Wellensiek lässt man es vor Silvester ruhig angehen. „Was soll man schon machen“, fragt Trainer Dominik Popiolek. „Es ist immer schade, wenn so ein Ereignis nicht stattfinden kann, aber so ist die Vorfreude auf das hoffentlich stattfindende Event im Jahr 2021 umso größer.“

Ähnlich sieht es auch Mike Wahsner vom TuS 08 Senne I: „Es ist der negative Höhepunkt in diesem – auch sportlich betrachtet – Katastrophenjahr.“ Für den Bezirksligisten ist der Ausfall der Stadtmeisterschaft doppelt schade, verliert der Verein als Ausrichter doch Einnahmen. „Gerade für uns ist die Stadtmeisterschaft ein Highlight. Sie hat uns zuletzt sehr beliebt gemacht. Für unsere tollen Fans, die immer für super Stimmung gesorgt haben, tut es mir auch leid.“

Zeit für die Kaderplanung nutzen

Auch im Bielefelder Norden beim TuS Jöllenbeck ist man traurig, dass das Hallenspektakel nicht stattfindet. „Wenn ich Anfang des Jahres die Urlaubsbesprechung in der Firma mache, ist die Zeit vom 27. bis 30. Dezember immer das erste, was ich anmelde“, sagt Trainer Daniel Eikelmann. Ganz auf den Fußball will er nicht verzichten und nutzt die Zeit für die Kaderplanung. „Ich führe Gespräche mit meinen Spielern, um zu fragen, wie es für die kommende Saison aussieht. Und sicherlich werde ich auch bei dem einen oder anderen Kandidaten anfragen.“

Bei Bezirksliga-Aufsteiger SpVg. Heepen herrscht doppelte Traurigkeit, denn nicht nur die Stadtmeisterschaft fällt aus, auch das traditionsreiche Heeper Hallenturnier. Coach Bastian Metzdorf sagt: „Klar schmerzt es im Herzen, dieses Jahr keinen Budenzauber zu sehen. Aber im Großen und Ganzen ist es die einzig richtige Entscheidung.“ Mit ihrem Kenia-Projekt haben die Heeper eine Menge Arbeit. „Da können wir reichlich online tagen und uns ordentlich besprechen. Dazu planen wir den Kader, wir sind also quasi hinter den Kulissen immer am werkeln.“