Ist Arminia Bielefeld jetzt schuldenfrei, Herr Wortmann?

Herr Wortmann, hatten Sie schon Gelegenheit, die Saison ein wenig sacken zu lassen? Nein, bisher nicht. Ich denke, das wird nach dem Trainingslager passieren, wenn ich mit der Familie mal ein paar Tage Urlaub mache. Aber es gab einige sehr emotionale Momente in Berlin, an die ich mich immer wieder erinnere. Welche waren das? Einer war der, als die Mitarbeiter angekommen sind. Wir wollten dieses außergewöhnliche Ereignis mit allen zusammen gemeinsam erleben, deswegen waren sie auch in Berlin eingeladen und zusammen untergebracht. Wenn dich bei der gemeinsamen Begrüßung im Hotel dann jemand, der hier seit 20 Jahren arbeitet, in den Arm nimmt und sagt, ich wollte einfach mal Danke sagen, dann ist das sehr bewegend. Da musste ich mit den Tränen kämpfen. Weil allen in diesem Moment bewusst war, was hinter uns liegt, sprich die schwierigen Jahre mit dem Doppelabstieg und all seinen negativen Begleiterscheinungen. Und welcher Moment noch? Ein anderer Moment war, als wir in der Ehrenhalle des Olympiastadions standen und ich zu Fabi (Klos) gesagt habe: Ich glaube, wir sind durch die falsche Tür gelaufen. Auf einmal sitzt du da mit Joachim Löw, Julian Nagelsmann, Lothar Matthäus und denkst: Wahnsinn, jetzt bist du beim deutschen Super Bowl und wir sind als Verein mittendrin. Ich habe mich gefragt: Fotografierst du jetzt hier alles? Und mir dann gesagt, nein, das versuchst du anders festzuhalten. Ich durfte das Finale in Berlin als Angestellter von Borussia Dortmund mitgestalten, aber das ist nicht zu vergleichen mit dieser geballten Emotionalität, die wir jetzt mit Arminia dort erlebt haben. Die Bedeutung ist so unfassbar groß, dass das keiner mehr vergessen wird. Ich habe zu den Spielern gesagt: Irgendwann wird es Ehemaligen-Abende geben, zu denen ihr dann eingeladen werdet. Ist es aktuell die schönste Phase, um Geschäftsführer von Arminia Bielefeld zu sein? Wenn man meine zweieinhalb Jahre sieht, dann gab es am Anfang in der Tat ruckeligere Phasen. Es ist sicherlich die schönste Phase, weil wir sehen, wie wir uns in allen Bereichen entwickeln, dass sich harte Arbeit lohnt und dass das, was wir uns vorgenommen haben, funktioniert. Dass es in dieser Geschwindigkeit passiert, war so nicht vorhersehbar. Wir sehen an allen Umsatzsäulen, ab welchem Zeitpunkt uns die sportlichen Erfolge auf diese Rakete gesetzt haben. Das war ab Mitte Februar, rund um das Pokal-Spiel gegen den SV Werder Bremen. An der Mitgliederzahl und am Merchandising lässt sich das besonders gut ablesen. Ihre Mitgliederkampagne war und ist ein Riesenerfolg. Wir sind bei 15.000 gestartet und haben als Ziel 19.005 für das Jahr 2025 ausgegeben. Da haben alle gesagt, jetzt drehen sie durch. Aber das war nicht gewürfelt, sondern von einer Agentur umfassend analysiert worden. Der Start der Kampagne nach dem Halle-Spiel im vergangenen Mai (als Arminia mit einem 0:0 am vorletzten Spieltag den Klassenerhalt sicherte; d. Red.) war eine mutige Entscheidung. Anfang Februar waren wir dann schon bei 18.000. Da haben wir gesagt, dass wir das Ziel im Geburtsjahr erreichen. Und dann kam die Rakete und die war nicht mehr zu bremsen. Jetzt stehen wir bei über 25.000. Und wie sieht es konkret im Merchandising aus? Ich hatte schon auf der Mitgliederversammlung im November gesagt, dass es zu 99 Prozent das beste Jahr der Vereinsgeschichte werden wird. Jetzt stehen wir im Merchandising bei Einnahmen in Höhe von 3,55 Millionen Euro. Im vergangenen Jahr waren es 2,3 Millionen und es war damals in diesem Bereich das zweitbeste Arminia-Jahr überhaupt. Wie ärgerlich ist es, dass die Trikots am Ende der Saison frühzeitig, schon vor dem Pokalfinale, ausverkauft waren? Das ist eine Sache, die nicht zu ändern war, also keine künstliche Verknappung. Trikotbestellungen haben bis zu einem Jahr Vorlauf. Und zu dem Zeitpunkt, als wir das Trikot für die jetzt abgelaufene Saison bestellt haben, war nicht vorhersehbar, dass wir ambitionierter hätten bestellen sollen. Wenn du im Februar nachbestellst, hast du im Oktober neue Ware – und das macht ja keinen Sinn. Von daher gibt es keinen Grund, um sich zu ärgern. Und zur neuen Saison wird es dann ein schönes neues Trikot von einem neuen Ausrüster namens Umbro geben? Es wird ein anderes schönes Trikot geben. Wir haben derzeit einen Ausrüster. Auch solche Prozesse entstehen nicht von heute auf morgen, sondern 18 bis 24 Monate vorher. Das findet über einen Ausschreibungsprozess statt. Was ist der größere Gewinn für Arminia, der Aufstieg in die 2. Liga oder der Einzug in das DFB-Pokalendspiel? Natürlich ist der Aufstieg das, was uns als Verein in allen Bereichen wieder auf ein anderes Level hebt. Das Pokalfinale hat uns im Aufstiegsrennen sportlich vielleicht ein Stück weit gezogen, hat uns beflügelt. Was uns das abgesehen von den mehr als sieben Millionen TV Zuschauern und der Übertragung in 190 Länder an medialer Aufmerksamkeit gebracht und welchen Imagegewinn es uns beschert hat, ist gar nicht hoch genug zu bewerten. Das DFB-Pokalfinale ist der deutsche Super Bowl und das haben wir auch gemerkt. Forbes, BBC, Financial Times - die Geschichte des Underdogs, des Aufstrebenden, des ehrlich Arbeitenden war auch für internationale Medien eine extrem spannende. Vielleicht hat das einen Impact auf Sponsoringthemen. Vielleicht sagt jemand: Ja, das ist auch meine Geschichte. Ich bin nicht der Branchenplayer, aber ich bin der, der sich über innovative Ideen herankämpft und am Markt behauptet. Macht sich der Erfolg also auch beim Sponsoring bemerkbar? Sponsoring ist immer träger. Natürlich verkaufst du bei mehr Spielen im DFB-Pokal auch mal noch ein paar kleinere Pakete mehr. Aber eigentlich reagiert Sponsoring immer nachgelagert. Den Effekt wird man erst im Jahr danach sehen. Also ist damit zu rechnen, dass es in der kommenden Saison deutliche Zuwächse geben wird? Für die 2. Liga wird es vermutlich ein sehr gutes Jahr. Ist Arminia auch für Sponsoren attraktiver geworden, die nicht aus der Region kommen, sondern auch bundesweit agieren? Ja, aber auch das dauert einen Moment. Die globalen Player tummeln sich mehr in der 1. Liga. In der 2. Liga liegt der Hauptfokus eher auf der regionalen Wirtschaft. Eine Marke muss sich etablieren und aufbauen. Erst mal bekommst du als Sponsor Präsenz, etwa übers TV, zurück. Es sei denn, der Partner identifiziert sich mit der Marke und möchte gemeinsam mit der Marke seine Geschichte erzählen. Mit dem, was wir nach außen verkörpert haben, haben wir uns interessant gemacht, auch in der Region. Sind durch die gute Finanzlage infrastrukturelle Maßnahmen, wie etwa bauliche Veränderungen am Stadion, geplant? Es wird auch ein bisschen in die Infrastruktur investiert, Korrosionsschutz oder neue Tische für die Stammtisch-Terrasse, aber nichts Außerplanmäßiges. Für die Lizenzierung müssen wir nichts am Stadion machen. Es gibt andere Themen, die wir angehen müssen, wie die Plätze am Trainingszentrum und für unsere Jugendmannschaften. Die U17 und U19 müssen Bundesligastandards vorweisen. Die U21 muss neu integriert werden. Darum macht es Sinn, dort zu investieren. Das werden wir Schritt für Schritt machen können. Inwiefern hätte eine Europacup-Teilnahme die Voraussetzungen für Arminia noch mal verändert? Finanziell betrachtet hätte es eine Antrittsprämie sowohl für den deutschen Supercup (in den Vorjahren bekam der Sieger drei, der Verlierer zwei Millionen Euro; d. Red.) als auch für die Europa League (4,3 Millionen Euro) gegeben, dazu Punkt- und Platzierungsprämien. Aber wir hätten auch dann nichts Verrücktes gemacht und hätten sicher keinen Europa-League-Kader zusammengestellt. Infrastrukturell wären wir gut aufgestellt gewesen. Da der Fall hätte eintreten können, mussten wir bei der UEFA einen Lizenzantrag einreichen. Wir hätten an ein paar Kleinigkeiten arbeiten müssen, aber wir hätten definitiv an diesem Standort spielen können. Arminia boomt, in der abgelaufenen Drittligasaison kamen durchschnittlich 21.266 Zuschauer ins Stadion, beim Westfalenpokalfinale gegen den Regionalligisten Lotte waren es mehr als 23.000 Fans. Haben Sie bereits prüfen lassen, inwieweit ein Ausbau der Schüco-Arena perspektivisch möglich wäre? Wir sind froh und dankbar für den Zuspruch, den wir in allen Bereichen bekommen haben, natürlich auch für den Zuschauerschnitt mit über 21.000. Aber ein Ausbau ist nicht geplant. Wir haben ein Stadion mit etwas mehr als 27.300 Plätzen. Wenn wir dauerhaft auf 27.000 Zuschauer im Schnitt hinauslaufen, dann werden wir uns sicher Gedanken machen müssen, was man unternehmen kann. Aber jetzt sind wir gerade einmal in die 2. Bundesliga aufgestiegen. Das ist ja immer ein Thema von Angebot und Nachfrage. Wenn die Nachfrage noch nicht groß genug ist, ergibt es keinen Sinn, das Angebot zu erhöhen. Eine Veränderung des Verhältnisses von Steh- zu Sitzplätzen wäre auch eine Möglichkeit. Dann müsste man etwas wegnehmen, um anderen etwas zu geben. Das ist aktuell nicht geplant. Für den Fall, dass die Euphorie doch noch weiter wächst und der Platzbedarf steigt: Müssten sich die Fans dann womöglich an einen neuen Standort ihrer Alm gewöhnen? Es gibt Dinge, die so tief im Verein und in der Marke verwurzelt sind, dass man sie einfach nicht ändern darf. Die Schüco-Arena ist Teil unserer DNA. Ein Stadion mitten in der Stadt, an den Häusern im Westen entlang - das ist im nächsten Jahr seit 100 Jahren unser Zuhause und wird es auch bleiben. Sie haben das Dauerkartenkontingent bei 17.000 gedeckelt. Halten Sie das für eine Zahl, die tatsächlich erreichbar ist? Klar! Es ist sicherlich ambitioniert, aber auch nicht übertrieben. Die Nachfrage wird da sein, das sehen wir schon jetzt. Wenn es am Ende des Tages über 16.000 werden, ist auch nichts Schlimmes passiert. Mit wie vielen Zuschauern kalkulieren Sie 2025/26 im Schnitt? Wir haben uns erst mal am letzten Zweitligajahr orientiert. Da waren es 22.000. Je nach Anzahl der verkauften Dauerkarten sowie der zu erwartenden Gästefans, nähern wir uns schon den 20.000. Aber wir wollen ja jedem Fan, der beispielsweise von außerhalb kommt oder nur dreimal im Jahr in unser Stadion gehen kann, auch die Möglichkeit geben, ein Spiel zu sehen. Lesen Sie auch: Arminia erhöht die Dauerkartenpreise – so läuft es mit den Abos in der 2. Liga Wo wird sich Arminia in der TV-Geld-Tabelle der 2. Liga wiederfinden? Im unteren Bereich. Dresden, Münster und Braunschweig müssten hinter uns sein. Wenn wir es wirtschaftlich vernünftig machen, sind wir ein solider Zweitligist. Wir haben Möglichkeiten, nachzudenken, wo wir investieren wollen, um auch Wachstum zu generieren, sowohl im wirtschaftlichen Bereich als auch im sportlichen. Wie sieht das konkret aus? Ein Feld ist die U21, die wir jetzt an den Start gebracht haben. Auch das Thema Kaderwertmanagement steht als ein Treiber im Wachstumsplan. Jetzt geht es darum, Werte zu schaffen. Dazu gehört auch die U21. Wir bilden aus und versuchen, die Talente an den Profifußball heranzuführen. Sie haben immer betont, dass eine U21 auch im dritten und vierten Jahr noch funktionieren muss. Das heißt, Sie haben hier Sicherheit hergestellt? Vier Jahre vorauszuplanen ist immer schwierig im Fußball, aber es macht ja keinen Sinn, wenn man so ein Projekt angeht, es nur für ein oder zwei Jahre zu machen. Einen konkreten Etat möchte ich erst auf der Mitgliederversammlung nennen. Aufsteigen dürfen wir im ersten Jahr laut Statuten nicht, das ist so festgelegt. Aber wir sind sehr happy, mit dem Verband in der Oberliga eine Lösung gefunden zu haben. Sie hatten auf der Mitgliederversammlung im November gesagt, dass Sie die Saison 2024/25 mit einem Defizit von 700.000 Euro abschließen werden. Wie hoch ist dank der Pokal-Millionen denn jetzt die schwarze Zahl, mit der Sie die Saison tatsächlich abschließen werden? Tatsächlich war das Minus zum damaligen Zeitpunkt zu erwarten. Jetzt wird es ein siebenstelliges Plus sein. Aber auch das werden wir erst auf Mitgliederversammlung veröffentlichen. Wir sind da sehr transparent, aber es muss auch erst mal der Jahresabschluss erfolgen. Ist Arminia jetzt schuldenfrei? Nein, wir haben langfristige Verbindlichkeiten. Aber alle kurzfristigen Verbindlichkeiten konnten wir tilgen. Im Drittligajahr eins fehlten uns 12,6 Millionen Euro, um die Lizenz zu erhalten. Das haben wir hinbekommen. Aber wir haben auch Sponsorings vorgezogen. Das ist kein geschenktes Geld. Im Jahr danach haben wir 1,5 Millionen Euro Verlust gemacht, was für einen Drittligisten okay ist. Zudem hatten wir 3,6 Millionen Euro Transferverbindlichkeiten. Auch die haben wir jetzt komplett getilgt. Das vergangene Jahr hat uns natürlich geholfen, um diese Welle abzubauen. Arminia hatte sich nach dem Abstieg in die 3. Liga im Sommer 2023 von Mitarbeitern getrennt, hatte Gehälter gekürzt. Wird jetzt alles wieder zurückgedreht, werden Mitarbeiter eingestellt? Wir haben uns nicht von Mitarbeitern getrennt, also keine aktive Entlassung ausgesprochen. Das ist ein Unterschied. Richtig ist, dass wir auslaufende Verträge nicht verlängert haben. Wir haben damals aber beschlossen, dass wir den Kern zusammenhalten wollen, weil wir wussten: Wenn wir in Wachstum investieren wollen - und darin liegt unsere einzige Chance, um mittelfristig wieder in das Kerngeschäft Fußball zu investieren -, dann brauchen wir auch das Personal, sonst wird es nicht funktionieren. Es gab seinerzeit Medienberichte über einen Gehaltsverzicht unserer Mitarbeiter, den es durch den Aufstieg jetzt natürlich nicht mehr gibt. Und werden denn nun neue Mitarbeiter eingestellt? Wir werden sehen, an welcher Stelle es sinnvoll ist. Ein Beispiel sind Digitalisierungsthemen. Wenn wir in eine Kundendatenbank investieren, um Inhalte genauer und zielgerichtet aussteuern zu können, dann braucht es jemanden, der sich darum kümmert. Wenn es darum geht, zu clustern, alle Familien anschreiben zu wollen, mehr Newsletter-Adressen zu generieren, benötigen wir dafür eine Art Manager. Ein anderes Beispiel ist das Thema Merchandising. Um besagte Einnahmen in diesem Bereich zu händeln, braucht es ein oder zwei Mitarbeitende mehr. Mit welchem Ziel geht Arminia in die kommende Saison? Wir wollen in der 2. Liga bleiben, das ist klar. Und wir wollen uns so aufstellen, dass wir weiter wachsen und in der TV-Geld-Tabelle klettern. Was entgegen Sie denjenigen, die schon wieder von der Bundesliga träumen? Das wäre unrealistisch. Aber der Ostwestfale ist ja auch eher realistisch als euphorisch, auch wenn das zuletzt anders war (lacht). Wir wissen ja auch, wo wir herkommen. In den vergangenen sechs Jahren war es so: Wir sind aufgestiegen, haben gerade so die Klasse erhalten, sind abgestiegen, sind noch mal abgestiegen, sind gerade so drin geblieben, sind aufgestiegen. Das heißt, wir hatten sechs Jahre lang einen Puls von 180. Wir wollen uns stabilisieren. Es gibt keinen Grund durchzudrehen und zu sagen oder zu glauben, dass eine Saison wie die abgelaufene jetzt der Standard ist.

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