Pfiffe und „Kniat raus“-Rufe: Warum die Arminia-Fans so aufgebracht sind

Bielefeld. Stell dir vor, dein Verein spielt um den Aufstieg in die 2. Liga, und Fans auf der Tribüne pfeifen die Mannschaft aus und fordern den Rauswurf des Trainers. Was ist passiert, dass es bei Arminia Bielefeld so weit kommen konnte? Die Antworten sind vielschichtig. Vorweg die Fakten: Nach 22 Spieltagen und dem 1:2 am Sonntag gegen Rot-Weiss Essen belegt Arminia Tabellenplatz sechs der 3. Liga. 16 Spiele vor dem Saisonende beträgt der Rückstand auf den dritten Relegationsrang vier Punkte. Die Serie als Aufsteiger zu beenden, erscheint auf dem Papier keineswegs unmöglich. Tatsächlich aber herrscht in Bielefeld Untergangsstimmung. Einige Gründe lassen sich leicht an Zahlen ablesen, insbesondere die Bilanz in der eigenen Arena ist freudlos. Arminia-Fans unterschiedlicher Klasse? Seit drei Heimspielen hat der DSC zu Hause nicht mehr gewonnen. In der Heimtabelle belegt der Klub nur Platz zehn. Lediglich vier Mannschaften haben im eigenen Stadion seltener ins gegnerische Tor getroffen als Bielefeld (15 Treffer in elf Spielen). Von den letzten sechs Begegnungen gewann Arminia nur eine. Aus den ersten elf Spielen dieser Saison holte Bielefeld 21 Punkte, aus den zweiten elf nur noch 13. Der Negativtrend ist ebenso sichtbar wie besorgniserregend. Doch nicht nur die nackten Zahlen, auch die Leistungen in den beiden Rückrunden-Heimpartien gegen Energie Cottbus (0:2) und Essen (1:2) waren über weite Strecken derart uninspiriert, ideen- und harmlos, dass einigen am Sonntag der Kragen platzte. Die Pfiffe und &bdquo;Kniat raus“-Rufe nach der Niederlage gegen RWE jedoch ausschließlich den Fans in Block J zuzuordnen, wäre zu einfach. Zwar ging von dort eine Dynamik aus, die sich allerdings im Nu auch auf andere Blöcke und Tribünen übertrug. &bdquo;Wir wissen als Mannschaft, von wo die Pfiffe kommen“, sagte Vizekapitän Christopher Lannert und betonte: &bdquo;Die Süd steht bis zum Schluss hinter uns.“ Auch Trainer Mitch Kniat hatte in der Vorsaison wiederholt Ähnliches vorgetragen und so, ob gewollt oder ungewollt, genau wie nun Lannert die Fans in unterschiedliche Klassen unterteilt. Zum ostwestfälischen Frieden dürfte das eher nicht beitragen. Arminia Bielefeld mit emotionaler Woche Dass es abgesehen von der Partie gegen Essen insgesamt eine sehr emotionale Arminia-Woche war, wird den Ausbruch auf den Rängen ebenfalls befeuert haben. Der sperrklauselfreie Abschied von Kaito Mizuta ausgerechnet zum nächsten Gegner RWE, der Verlust des Eigengewächses Daniel Sumbu an den österreichischen Erstligisten Sturm Graz, die Rückkehr des geschätzten Ex-Trainers Uwe Koschinat auf die Alm, die Verpflichtung des Spielers Joel Grodowski ausgerechnet vom Erzrivalen Preußen Münster, der dann auch noch auf Anhieb spielen durfte und für den die erfolgreiche Formation vom 4:0 eine Woche zuvor in Dortmund gesprengt wurde. Noah Sarenren Bazee, der in der Partie beim BVB II zwei Treffer vorbereitete, rückte für Grodowski auf die Bank. So erklärbar jede der getroffenen Entscheidungen aus Trainer- oder Klubsicht auch sein mag, in der Summe ergaben sie einen explosiven Mix. Mehr zum Thema: Arminia-Kolumne: Liebe Verantwortliche, das geht so nicht Dass Grodowski und auch der nur wenige Tage zuvor verpflichtete Roberts Uldrikis nicht für einen dauerhaften Bankplatz geholt worden sind, ist jedermann bewusst. Aber auch den Letten nach nur einer Trainingseinheit mit dem neuen Klub sowohl gegen Cottbus als auch in Dortmund dem erfolgreichsten DSC-Torschützen Julian Kania (sechs Saisontreffer) vorgezogen zu haben, hatte bei vielen Fans Kopfschütteln ausgelöst. Arminia Bielefeld nimmt Publikum nicht mit Apropos Dortmund: Nach der Partie beim BVB II hatte Kapitän Mael Corboz explizit den wiedergefundenen Mut hervorgehoben, mit dem der DSC im Stadion Rote Erde anders als in vielen Partien zuvor den Weg nach vorne gesucht hatte. Gegen Abstiegskandidat Essen, dem auf der Alm der erste Auswärtssieg seit dem zweiten Spieltag gelang, war davon schon wieder nichts mehr zu sehen. Die Chance, die nach dem Sieg in Dortmund verbesserte Grundstimmung zum eigenen Vorteil zu nutzen, verpuffte gegen RWE schon früh. Der Arminia gelang es mit ihrem risikofreien Vortrag zum wiederholten Male nicht, das Publikum mitzunehmen. Lesen Sie auch: Noten für den DSC: Arminias erste Halbzeit gegen Essen ist indiskutabel Denn es war ja bei Weitem nicht das erste Mal, dass Kniat und die Bielefelder während einer kompletten ersten Hälfte im eigenen Stadion offensiv keinen Hebel fanden. Nach dem Wechsel war der DSC zwar um größeren Druck bemüht. Ab ging die Post allerdings erst, als das Spiel nach dem Treffer zum 0:2 (63.) schon verloren war. Dass die eingewechselten Sarenren Bazee, dem das Anschlusstor gelang (79.), Kania und Merveille Biankadi (alle 68.) für enorme Belebung sorgten, kann Kniat mit Blick auf das nächste Spiel am Freitagabend beim SV Sandhausen schwerlich ignorieren. Auswärtsspiel könnte für Arminia von Vorteil sein Dass der DSC auswärts antritt, könnte für das strapazierte Nervenkostüm der Profis in der aktuellen Gemengelage durchaus von Vorteil sein. Wie angefasst die Arminen am Sonntag waren, offenbarte sich in den Reaktionen von Corboz und Co. spätestens, als Fans lautstark den Trainer-Rauswurf forderten. Der Kapitän machte wiederholt unmissverständliche Gesten in Richtung Publikum, die die aufgeladene Stimmung zusätzlich anheizten. Mehr zum Thema: Arminia-Kolumne: Liebe Verantwortliche, das geht so nicht Über den gezeigten Vogel und die Scheibenwischergeste reagierten einige Anhänger empört, schrieben im Nachgang in Kommentarspalten und Diskussionsforen sogar von Vereinsaustritt. Die Situation wirkt derart festgefahren, dass es aktuell an Fantasie mangelt, wie sich die Lage dauerhaft entspannen soll. &bdquo;Erbärmlich“: Das sagen die Arminia-Fans nach der Pleite &bdquo;Wir müssen damit umgehen können“, sagte Sport-Geschäftsführer Michael Mutzel über die &bdquo;Kniat raus“-Rufe. &bdquo;Wir können nur ansprechen, dass das nicht hilft, müssen das aber so hinnehmen. Mehr kann und will ich nicht dazu sagen.“ Bis zum vergangenen Sommer diente allen voran Fabian Klos noch als verlässlicher Blitzableiter, wenn die Fans unter Strom standen. Doch die Galionsfigur hat ihre Karriere beendet und ist nicht mehr an Bord. Stellt sich die Frage, wer die Situation zu beruhigen und zu stabilisieren vermag. Kurzfristig und mit Blick auf das nächste Heimspiel gegen Erzgebirge Aue (Samstag, 15. Februar) wäre ein Sieg in Sandhausen zwar hilfreich. Das Almpublikum hätte Arminia damit aber auch noch nicht befriedet.

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