Arminia-Kapitän Corboz über Vorgänger Klos und den DSC in der Vorreiter-Rolle

Wie fällt Ihre Zwischenbilanz nach vier Liga- und zwei Pokalpartien in dieser Saison aus, Herr Corboz? Mael Corboz: Jeder, der die letzte Saison mitbekommen hat, weiß, was wir durchgemacht haben. Unser Start ist nicht perfekt. Aber wir sind ungeschlagen und haben unsere Ziele bisher weitgehend erreicht. Arminia hat im Sommer acht neue Spieler verpflichtet. Was bringen sie ins Team ein? Stefano Russo ist im defensiven Mittelfeld ein typischer Sechser-Spielmacher und bringt etwas Neues mit. André Becker ist sofort in den Mannschaftsrat gewählt worden. Das ist kein Zufall. Er ist so ein Typ, bei dem du in der Kabine sofort merkst: Der will nur das Beste für die Mannschaft. Das sind nur zwei Beispiele, jeder der Neuen bringt etwas Gutes ein. Aber wir haben nicht nur gute Spieler, sondern auch gute Menschen dazubekommen. Ich finde das wahnsinnig wichtig, weil alle profitieren, wenn die Mannschaft funktioniert. Denn das ist unsere große Stärke. Wir haben vermutlich keinen Spieler, dem am Saisonende der Titel &bdquo;Bester Spieler der 3. Liga“ verliehen wird. Aber wir haben ein gutes Team. Wir machen alles zusammen – auf und neben dem Platz. Jeder, der in den letzten 15 Monaten zu Arminia gewechselt ist, hat eine Riesenchance erkannt. Man kann mit dem Verein wieder etwas aufbauen. Wir wissen das zu schätzen, dafür ackern wir jeden Tag: um diesen großen Verein wieder groß zu machen. Bedeutet, wieder groß zu machen, am Saisonende in die 2. Liga aufzusteigen? Wir schauen ja nicht mal weiter als die nächsten zwei Spiele. Wir haben uns intern kurzfristige Ziele gesetzt, haben uns alle darauf geeinigt, was wir im nächsten Monat erreichen wollen. So werden wir weitermachen und dann gucken, wo wir am Ende der Saison stehen. Ich will keine laute Aussage treffen, das wäre falsch von mir. Und es würde auch gar nicht zu uns passen. Das Kapitänsamt ist für Sie nichts Neues, Sie kennen das bereits aus Ihrer Verler Zeit. Unterscheidet sich diese Rolle bei Arminia dennoch? Ich war noch nie Kapitän bei einem so großen Verein. Hier herrscht ein anderer Druck. In Verl wussten wir: Wenn etwas schiefläuft, dann ist es nicht so schlimm, weil die Erwartungshaltung eine andere war. Hier ist das ganz anders. Hier sind die Ansprüche höher, die Fans haben höherklassigen Fußball gesehen. Wir müssen den Anhängern das Gefühl geben, dass wir für diesen Verein leben. Und dann ist es meine Verantwortung, dafür zu sorgen, dass alle in die gleiche Richtung gehen. Ich mag diese Rolle, ich mag die Verantwortung und ich weiß, dass ich mich dadurch weiterentwickeln kann. Ich habe das Gefühl, dass ich diese Verantwortung brauche, um meine beste Leistung zu bringen. Was haben Sie sich bei Ihrem Vorgänger Fabian Klos abgeguckt? Was Fabi richtig gut gemacht hat – vor allem in der heißen Phase der Saison – war seine Ansprache vor dem Spiel. Er hat immer die passenden Worte gefunden. Er hat uns den Mut gegeben, weiter unseren Fußball zu spielen. Ich weiß, dass es für die Fans teilweise nicht so toll war, weil wir häufiger auch hinten herum gespielt haben. Aber der Ballbesitz hat uns viel Kontrolle und Ruhe gegeben. Fabi und Mitch haben immer gesagt: Wir dürfen Fehler machen, aber wir müssen alle mutig bleiben, denn dieser Mut wird sich auszahlen. Und Mut heißt nicht, immer sofort und wild nach vorne zu spielen. Mut heißt auch, hinten die Ruhe zu behalten, um das Spiel aufzubauen. Lesen Sie auch: Arminia Bielefelds neuer Kapitän Mael Corboz: &bdquo;Bin keiner, der unnötig rumschreit“ Und was sagen Sie Ihren Mitspielern im Mannschaftskreis vor dem Anpfiff? Ich mache mir über meine Rolle und über das, was ich sage, permanent Gedanken, aber nicht so sehr darüber, was ich im Kreis sagen werde. Das ist eher spontan. Die Spieler aus dem Mannschaftsrat und ich haben einen guten Überblick, wie das Team gerade drauf ist. Wir sitzen oft zusammen und wenn wir das Gefühl haben, dass wir wegen irgendetwas aufpassen müssen, dann gilt es, das sofort zu klären. Ich bin ein Fan davon, Probleme zu lösen, bevor sie auftreten. Fabian Klos hat kurz vor seinem Abschied gemutmaßt, dass es dem ein oder anderen auch helfen kann, sich zu entfalten, wenn er nicht mehr bei Arminia ist. Haben Sie das Gefühl, das jetzt einige einen Schub bekommen haben? Ja. Und das ist ausdrücklich nicht negativ gegen Fabi gemeint. Wenn du so eine wichtige Person in der Mannschaft hast, ist es immer einfach, sich hinter ihr zu verstecken. Es war für einige einfach, zu sagen: ’Der Fabi macht das schon. Das hat sich geändert. Es gibt durchaus den einen oder anderen, der jetzt mehr Verantwortung übernimmt. Seit Sie im vergangenen Winter zum DSC gekommen sind, hat es seitens des Publikums immer mal wieder auch Unmutsbekundungen in Ihre Richtung gegeben. Wie nehmen Sie das wahr? Ich habe das mitbekommen, als wir im April den Nachhaltigkeitsspieltag hatten. Da habe ich anschließend eher zufällig ein paar Kommentare gelesen und festgestellt: Hoppla, so ist also die Meinung über deine Leistung. Das hat ein, zwei Wochen schon wehgetan. Das macht immer etwas mit dir. Dann geht es aber auch weiter, zumal die Situation, in der wir uns befanden, keine Ablenkung zugelassen hat. Ich denke, dass ich jetzt auch die Werkzeuge habe, um besser damit umzugehen. Aber das alles war ja auch einer der Gründe, warum ich zur Arminia gewechselt bin. Weil ich wissen wollte, was es bedeutet, regelmäßig vor so einer Kulisse zu spielen und zu lernen, wie man mit dem Druck umgeht. Sie spielen seit dieser Saison weiter vorne und kommen häufiger in Abschlusssituationen. Fühlen Sie sich in der neuen Rolle wohler? Ja, ich mag diese Hybrid-Rolle, in der ich den Ball hinten abholen aber auch in die gegnerische Box kann. Es macht Spaß, häufiger in die Abschlusssituation zu kommen. Ich finde, dass ich auch häufig richtig stehe. Manchmal fehlt dann eher die Ruhe als das Glück, um den Ball zu versenken. Aber ich hoffe und denke, dass das kommen wird. Während meiner Verler Zeit habe ich ja nachgewiesen, dass ich Tore erzielen kann. Mit Trainer Mitch Kniat haben Sie schon in Verl zusammengearbeitet. Legt er Wert auf Ihren Rat? Tauschen Sie sich mit ihm aus? Sagen Sie ihm Ihre Meinung? Was meine Position auf dem Platz angeht, auf gar keinen Fall. Ich würde niemals zu ihm gehen und sagen, ich muss da oder dort spielen. Das ist nicht meine Rolle. Er stellt mich da auf, wo er es für richtig hält, und ich muss die Aufgabe erfüllen. Wenn ich den Eindruck habe, dass taktisch etwas nicht passt, dann sage ich das. Manche Dinge fühlen sich auf dem Platz auch einfach anders an als von der Seitenlinie. Ich denke, dass meine Meinung in der Trainerkabine durchaus einen gewissen Wert hat. Aber was die Trainer daraus machen, ist deren Sache. Sie sind am Freitag 30 Jahre alt geworden. Ist das eine besondere Zahl für Sie? Besonders nicht unbedingt. Aber als ich angefangen habe, kamen mir die Spieler, die damals 29 oder 30 waren, alt vor. Jetzt bin ich selbst so weit und ich fühle mich überhaupt nicht alt. Ich bin total fit. Und solange das so bleibt, kann ich auch hoffentlich lange Fußball spielen. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von DSC Arminia Bielefeld (@arminiaofficial) Ist es dennoch ein Alter, in dem man verstärkt daran denkt, womöglich am Ende der Leistungsentwicklung angekommen zu sein? Früher haben mir alle gesagt, dass die besten Jahre, die zwischen 29 und 32 Jahren sind, weil die Spieler Erfahrung haben, Situationen besser erkennen können, vom Kopf her schneller sind. Meine Spielweise ist nicht so sehr von meiner Geschwindigkeit abhängig. Ich sehe keine Gefahr, dass ich langsam werden und dann nicht mehr den Unterschied machen kann. Ich hoffe sogar, dass ich noch besser werden kann, weil ich schlauer werde und ein paar taktische Dinge verinnerlichen kann. Körperlich muss ich natürlich anders arbeiten als vor zehn Jahren. Aber ich glaube überhaupt nicht, dass ich am Ende meiner Leistungsfähigkeit bin. Ich bin erst mit 26 in die 3. Liga gekommen und seitdem mit jedem Jahr besser geworden. Können Sie sich vorstellen, bei Arminia Bielefeld alt zu werden? Ja, definitiv. Sie haben sich neben dem Fußball noch ein zweites Standbein aufgebaut, Ihr Start-up &bdquo;elevengreen“, mit dem Sie Vereine zum Thema Nachhaltigkeit beraten. Wie bringen Sie beides unter einen Hut? Ich habe normalerweise regelmäßig nachmittags Termine, immer dann, wenn es nach den Einheiten möglich ist und passt. Ich brauche diesen Ausgleich. Meine Firma &bdquo;elevengreen“ beansprucht ein paar Stunden am Tag. Ich investiere die Zeit, um etwas zu schaffen und hoffentlich etwas aufzubauen. Läuft dieses Start-up denn gut? Immer besser. Und ich lerne unfassbar viel. Ich lerne, wie es ist, als US-Amerikaner in einem fremden Land eine Firma aufzubauen. Ich habe immer gesagt: Wenn es nicht laufen sollte, bin ich trotzdem schlauer als vor zwei Jahren. Das Thema Nachhaltigkeit ist sehr komplex. Wir unterstützen Vereine und auch Verbände bei der Erfüllung verschiedenster Kriterien. Lesen Sie auch: Arminias Corboz: Seine Mission geht über Grenzen des Fußballfeldes hinaus Wie sind Sie in Bezug auf das Thema Nachhaltigkeit mit Arminia Bielefeld zufrieden? Arminia ist auch aufgrund der Bundesligavergangenheit richtig gut aufgestellt. Da wurde schon sehr viel gemacht. Aber der Verein ist so großartig, dass noch viel mehr möglich ist. Wir haben vier Bereiche identifiziert, in denen wir uns verbessern können: Bildungsprojekte, Fanmobilität, Abfallmanagement und die Gründung eines Nachhaltigkeitsklubs mit Fans und Mitarbeitenden. Aber das steckt noch in der Anfangsphase. Ich habe das Gefühl, dass Arminia ein Vorreiter werden kann in Sachen Nachhaltigkeit im deutschen Profifußball. Mit &bdquo;Goals for Tomorrow“ haben Sie ein weiteres Projekt angeschoben, bei dem Fußballer oder Unterstützer für jedes Tor einen gewissen Betrag spenden, von dem dann Bäume gepflanzt werden. Diese Spendenaktion ist ebenfalls gut gelaufen. Wir haben 16.000 Euro gesammelt, was 1.900 Bäumen entspricht. Ziel ist es, in der laufenden Saison doppelt so viel zu sammeln. Es ist ein guter Weg, etwas Positives im Fußball – Tore zu schießen – mit etwas Positivem im ökologischen Bereich – Bäume zu pflanzen – zu verbinden. Spieler von Arminia haben sich bisher noch nicht beteiligt. Ich bin auch nicht der Typ, der in die Kabine marschiert und sagt: ’Spendet mal!’ Wenn kein Arminia-Spieler mitmacht, ist das kein Problem. Philipp Sander hat pro Tor von Holstein Kiel sehr viel Geld gespendet (insgesamt über 3.200 Euro, d. Red.). Kaiserslauterns Marlon Ritter hätte knapp 1.600 Euro spenden müssen und hat die Summe auf 2.000 Euro aufgerundet. Das finde ich großartig. Sie haben die Stichworte Nachhaltigkeit und Mobilität genannt: Sind Sie der einzige DSC-Profi, der mit dem Rad zum Training kommt? Nein, Max Großer und Leon Schneider fahren beide knapp zehn Kilometer mit dem Fahrrad zum Training. Es sind mittlerweile einige Spieler, was sehr cool ist. Lesen Sie auch: Arminias Kapitän steht am ersten Tag bereits ganz vorne Sie haben Ihre US-amerikanische Herkunft bereits erwähnt. Wie regelmäßig sind Sie noch in den Staaten? Ich bin jeden Sommer für einige Tage in New Jersey. Meine Eltern wünschen sich sehr, dass ich einmal im Jahr zu Hause bin. Mein Vater war auch schon einmal hier in Bielefeld bei einem Spiel. In Verl ist er auch ein paar Mal gewesen. Und meine Mama kommt mich im November besuchen. Fußball ist in den USA nicht die Sportart Nummer eins. Sind Ihre Eltern denn überhaupt fußballaffin? Ja, sie kommen beide aus Frankreich. Mein Vater war selbst Spieler und hat es bis in die dritte französische Liga geschafft. Meine Schwestern spielen beide in der ersten französischen Liga. Sie sind Dritte und Vierte geworden in der letzten Saison. Wir telefonieren drei- bis viermal in der Woche. Wie bei einem Mitspieler versuchen wir uns immer zu unterstützen und die passenden Worte zu finden.

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