Kinder in OWL fehlen bei Vorsorgeuntersuchungen: Nun wird das gelbe U-Heft geändert

Dortmund/Münster. Regelmäßige Vorsorge ist wichtig, auch für Kinder. Entsprechend ist ihr Aufwachsen bis zur Volljährigkeit medizinisch klar in Kontrolltermine gegliedert: Prophylaxe beim Zahnarzt, U1 bis U11 beim Kinderarzt und dort auch noch die J1 und J2 für Jugendliche. Doch Zahlen der Krankenkassen und Jugendämter zeigen: Viele Kinder erscheinen zu den Vorsorgen nicht. Sprachentwicklungsstörungen und psychische Erkrankungen bleiben damit unentdeckt, Impfschutz wird verpasst. Zumindest im Bereich Mundgesundheit soll das jetzt ein neues U-Heft ändern. Laut aktuellem Zahnreport der Barmer-Krankenkasse gingen in NRW in 2023 gerade mal 53,3 Prozent der Kinder unter neun Jahren zur Prophylaxe-Untersuchung bei den Zahnärzten. Bei den Kleinkindern bis vier Jahre waren es sogar noch weniger, hier lag die Quote bei 39,8 Prozent. Lesen Sie auch: Familie aus OWL hat seit einem Jahr keinen Kinderarzt – nun macht das Jugendamt Druck .responsive23-2tagi3mv8YccgDEV-bar-horizontal-zahnreport-2024-owl-zahlen { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-2tagi3mv8YccgDEV-bar-horizontal-zahnreport-2024-owl-zahlen { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-2tagi3mv8YccgDEV-bar-horizontal-zahnreport-2024-owl-zahlen { padding-top: 142.86%; } } Exakt diese Entwicklung stellt auch die Kassenzahnärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe fest. &bdquo;Vorsorge wird bei Kindern nicht konsequent in Anspruch genommen“, teilt eine Sprecherin mit. Zwar sei die Karieslast dank kontinuierlicher Prävention insgesamt deutlich zurückgegangen. &bdquo;Doch ein erheblicher Teil der Defekte entsteht bereits in den ersten Lebensjahren.“ Zudem hielten sich hartnäckige Mythen, etwa, dass Zahnarztbesuche erst ab dem bleibenden Gebiss nötig seien oder Karies in Milchzähnen von allein verschwände, wenn diese ausfallen. Nur jeder dritte Teenager in OWL geht zur Vorsorge Doch nicht nur die zahnärztlichen Kontrolluntersuchungen sind schlecht besucht, auch die grundsätzlichen Vorsorgeuntersuchungen für Jugendliche bei Kinderärzten haben eine zu niedrige Quote. Laut Zahlen von AOK NordWest geht in Westfalen-Lippe nur jeder dritte Teenager zu diesen Jugenduntersuchungen. Dabei sind gerade in dieser Altersgruppe Mediensucht, Essstörungen und andere psychische Erkrankungen auf dem Vormarsch. So nutzt einer Untersuchung der Krankenkasse DAK und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf zufolge ein Viertel aller 10- bis 17-Jährigen Social Media auf eine riskante oder krankhafte Art und Weise. Und laut Daten der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) ist die Zahl der Essstörungen bei den 12- bis 17-jährigen Mädchen zwischen 2019 und 2023 um rund 50 Prozent angestiegen. Lesen Sie auch: Fall fürs Jugendamt - viele Kinder erhalten in OWL keine Vorsorge .responsive23-9G9VWjMO1ZMXD41C-ttc-linechart-jugendliche-verbringen-immer { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-9G9VWjMO1ZMXD41C-ttc-linechart-jugendliche-verbringen-immer { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-9G9VWjMO1ZMXD41C-ttc-linechart-jugendliche-verbringen-immer { padding-top: 142.86%; } } Die Untersuchungskriterien von J1 und J2, die zwischen dem 12. und dem 18. Lebensjahr erfolgen, können Aufschluss geben über Entwicklungen wie diese, denn hier werden Größe, Gewicht und Impfstatus kontrolliert, Gespräche zu Pubertäts- und Sexualitätsstörungen, sozialen Problemen in der Familie und Suchtgefahren geführt. Die J1 und die J2 können und dürfen Jugendliche auch ohne die Eltern besuchen. OWL-Jugendämter verschicken immer mehr Erinnerungsschreiben an Eltern Und auch in einem weiteren Feld der Kinder-Vorsorge gibt es Anlass zu Sorge: Denn immer mehr Eltern nehmen auch die Vorsorgeuntersuchungen für jüngere Kinder nicht mehr wahr. Dies zeigen Zahlen der Jugendämter, die Erinnerungsschreiben verschicken, sobald ein Kind die Kontrollen verpasst. Zwischen 150 und 250 dieser Schreiben verschickt das Jugendamt Bielefeld nach eigener Angabe pro Monat. Im Jahr 2024 waren es insgesamt 2.451 Schreiben, im Jahr 2023 2.543 Schreiben. Lesen Sie auch: Warum sich fast nirgendwo in OWL neue Kinderärzte niederlassen dürfen Im Kreis Herford meldet das Jugendamt Löhne einen Anstieg der Erinnerungsschreiben um 140 jährlich seit 2016. Amtsleiterin Nicole Schröder ordnet diese Entwicklung als besorgniserregend ein. &bdquo;Nachlassende Versorgung tritt den Zielen der Vorsorgeuntersuchungen entgegen: Kindern eine gesunde körperliche, geistige und soziale Entwicklung zu ermöglichen.“ Auch zu den Gründen für das Versäumen der Vorsorge kann das Jugendamt Löhne Angaben machen – und auch die sind problematisch: Denn die häufigsten Hintergründe sind nicht Vergesslichkeit oder Systemfehler, sondern Belastungsfaktoren in den betroffenen Familien wie Sprachschwierigkeiten, psychische Belastungen, Erkrankungen, mangelnde Integration, fehlende Mobilität und finanzielle Probleme. Doch auch fehlende Kapazitäten in den Praxen und grundsätzlich der Kinderärzte-Mangel sind ein Grund für die Entwicklung. So bieten nach Angabe von Marcus Heidemann, Vorsitzender des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, viele Praxen die J1 und J2 seltener oder gar nicht mehr an. &bdquo;Viele Familien haben zudem gar keinen Kinderarzt mehr, der die Vorsorgen vornehmen kann. Auch er sieht die Entwicklung problematisch: &bdquo;Jede Vorsorge hat ihren Sinn und Zweck. Von daher birgt jede verpasste Vorsorge das Risiko, dass gravierende Dinge nicht erkannt werden.“ Problematisch sei, dass viele Kinder auf diese Weise komplett durchs Raster fielen. Heidemann weist allerdings auch darauf hin, dass vor allem die J1 und J2 in ihrer derzeitigen Ausgestaltung nur bedingt geeignet seien, gravierende Probleme bei Jugendlichen zu erkennen. &bdquo;Allein die Zeit, die es braucht, hier die Vertrauensbasis zu dem Patienten herzustellen, steht uns oft gar nicht zur Verfügung.“ Lesen Sie auch: OWL ist schlecht aufgestellt bei der Notfallversorgung von Kindern Zahnarztbesuch ab 2026 im Gelben Vorsorgeheft Zumindest beim Thema Kariesprophylaxe soll der schlechten Besuchsquote nun zeitnah gegengesteuert werden: Ab 2026 werden die zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen ebenso wie die kinderärztlichen in das Gelbe Vorsorgeheft aufgenommen. &bdquo;Damit werden Zahnarzttermine künftig genauso selbstverständlich dokumentiert wie Kinderarzttermine“, teilt die Sprecherin der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe mit. Eltern erhielten so eine bessere Übersicht über alle Vorsorgetermine und Zahngesundheit werde zum festen Bestandteil der Kindervorsorge. &bdquo;Wir gehen davon aus, dass die Inanspruchnahme der zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen durch diese Maßnahme künftig deutlich steigen wird.“

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