Herr Minister, Sie sprechen sich für ein Verbotsverfahren gegen die AfD aus. Warum?
Benjamin Limbach: Wenn die Voraussetzungen für ein Parteiverbotsverfahren vorliegen, dann gibt es für mich kein politisches Ermessen mehr. Dann müssen wir handeln. Das Grundgesetz ist da eindeutig. Dann haben wir eine Verpflichtung unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung gegenüber, unserer Gesellschaft gegenüber und unserem Rechtsstaat gegenüber.
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Wenn eine Partei darauf aus ist, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen. Mein Fazit nach der bisherigen Lektüre des Verfassungsschutzgutachtens ist, dass es Hunderte Anhaltspunkte dafür gibt, dass es eine Menschenwürde-feindliche Gesinnung in der AfD gibt. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung wird definiert aus Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaat. Es reicht ein Angriff auf eines der dreien. Wir sehen dafür sehr viele Anhaltspunkte.
Ich bin dafür, dass wir jetzt kluge unabhängige Köpfe damit beauftragen, die Erfolgsaussichten eines Verbotsverfahrens genau zu prüfen. Ein Parteiverbot ist wie ein Notwehrrecht der Demokratie gegen ihre Feinde, das man nur im äußersten Notfall anwenden darf. Ganz risikofrei wäre ein Verbotsantrag letztlich nie. Wenn die Experten zu der Einschätzung kommen sollten, dass die Risiken für ein Verbot zu hoch wären, sollten wir die Finger davon lassen. Denn der eine Anlauf müsste auch sitzen.
Ich finde, es braucht ein breites politisches Bündnis. Das kann nicht eine Partei oder ein Bundesland allein machen. Wir sollten das in den nächsten Wochen in Ruhe und gründlich erörtern. Der Antrag auf Entscheidung, ob eine Partei verfassungswidrig ist, kann vom Bundestag, vom Bundesrat oder der Bundesregierung gestellt werden. Letztlich geht es nicht um die Anzahl der Antragsteller, sondern darum, wie gut der Antrag begründet ist. Wie lange ein Gerichtsverfahren dann dauern würde, das wage ich nicht zu prognostizieren. Bei der NPD hat es damals drei Jahre gedauert. Vielleicht ginge es diesmal etwas schneller. Wichtig bleibt mir bei der Diskussion aber dennoch eines: Wir müssen Politik für die Menschen machen und nicht immer nur gegen die AfD reden. Es braucht einen Wettbewerb der politischen Ideen im Rahmen des Grundgesetzes.
Sie stehen seit Monaten stark in der Kritik, weil es bei der Besetzung der wichtigsten Richterstelle in NRW zu Problemen kam und die Stelle deshalb seit Jahren vakant ist. Die Opposition wirft Ihnen Mauschelei vor, weil Sie eine Kandidatin bevorzugt haben sollen. Der Fall wird in einem Untersuchungsausschuss aufgearbeitet. Wie blicken Sie heute auf das Thema?
Das Besetzungsverfahren ist nicht gut gelaufen. Ich habe klar gesagt, wo ich Fehler bei mir gesehen habe. Aber ich bleibe dabei, dass es keine politische Einflussnahme auf dieses Verfahren gegeben hat. Das ist in meinen Augen eine entscheidende Botschaft als Justizminister. Ich habe sieben Eckpunkte aufgelegt, um die Besetzungsverfahren künftig zu verbessern. Mir ist wichtig, dass wir mehr Transparenz und Klarheit schaffen und gute Beteiligungsrechte für Personalvertretungen haben, damit nicht der Eindruck entsteht, Politik deale Justizpositionen. Denn das gibt es nicht.
Haben Sie denn das Vertrauen Ihrer Landesregierung und Ihrer Beamtenschaft bei diesem Thema?
Ich habe viel Rückhalt in der Landesregierung und in der Justiz gespürt, weil ich klar gesagt habe, wo ich selbst unzufrieden bin und wo wir besser werden können. Auch, was den von mir aufgelegten Reformprozess angeht, erlebe ich Unterstützung in der Justiz.
Die Opposition fordert seit Monaten Ihren Rücktritt. Haben Sie mal daran gedacht, zurückzutreten?
Ein Amt, das man übernimmt, muss man auch ausfüllen, auch in kritischen Zeiten. So bin ich erzogen worden. Wenn der Sturm kommt, muss man ihn stehen. Wenn man sieht, dass etwas nicht gut gelaufen ist, hat man die Verantwortung, das zu korrigieren und es richtig zu machen.
Auch in NRW fehlen viele Staatsanwälte. Wie wollen Sie sicherstellen, dass Straftaten rechtzeitig geahndet werden?
Wir setzen auf mehrere Maßnahmen. Seit 2018 haben wir in der Justiz 3.500 Stellen dazubekommen, mehr als 700 für Richter und Staatsanwälte. 100 Stellen beziehungsweise Köpfe sind vorübergehend in einer Solidaraktion zu Staatsanwaltschaften gewechselt. Ich bin für diesen Einsatz sehr dankbar. Und bei den Rechtspflegern haben wir eine Ausbildungsoffensive trotz knapper Kassen gestartet. Bei den Staatsanwälten haben wir die Eingangsvoraussetzungen modifiziert – jetzt kann man sich auch mit weniger Punkten im Staatsexamen bewerben, wenn man eine gute strafrechtliche Expertise nachweisen kann, indem man zum Beispiel eine Wahlstation bei der Staatsanwaltschaft gemacht und dort gute Ergebnisse erzielt hat.
Welche Rolle spielt künftig Künstliche Intelligenz?
Wir führen zunächst bis Jahresende die Elektronische Akte flächendeckend ein. Das wird das Arbeiten vereinfachen. KI kann uns darüber hinaus an verschiedenen Stellen helfen. Zum Beispiel, um Daten zu durchsuchen oder bei der Einarbeitung in Rechtsfragen. Ich will niemanden durch KI ersetzen. Und es wird auch keine KI-Urteile geben; es wird immer noch der Mensch entscheiden. Aber die Künstliche Intelligenz kann helfen, unsere Mitarbeiter zu entlasten, damit die ihre Arbeitskraft auf wirklich wichtige Tätigkeiten richten können. Das wollen wir auch bei den Gerichten machen, sodass die Bürger wirklich spüren, dass die Verfahren schneller laufen. Diesen Anspruch müssen wir haben.