Mehr als eine Woche danach: Viele offene Fragen nach Messeranschlag in Bielefeld

Bielefeld. In den frühen Morgenstunden soll ein Syrer (35) Partygäste vor der Bielefelder Bar Cutie niedergestochen haben. Der Mann sitzt nach seiner Flucht in Untersuchungshaft. Der Generalbundesanwalt (GBA), der bei Terrorismus-Verdacht ermittelt, hat das Verfahren übernommen. Viele Fragen sind jedoch noch offen. Warum ausgerechnet das Cutie? Die Frage nach dem Warum wird wohl erst die mögliche Anklage gegen den jetzt verdächtigen Syrer Mahmoud M. klären. Fakt ist: In Ermittlerkreisen herrscht Verwunderung über das Ziel des Messerangriffs. Immerhin wird das Cutie von Teilen der sogenannten Ultra-Szene von Arminia Bielefeld besucht, die massiv Gegenwehr leisten könnten. So kam es dann tatsächlich auch: Die Fans, die eingriffen, darunter der schwerverletzte Chris, verhinderten Schlimmeres. Lesen Sie auch: Messeranschlag in Bielefeld: Syrer sympathisiert mit Terrororganisation IS Aus Ermittlerkreisen erfuhr diese Redaktion aber auch: Kurz nach der Tat sprach bisher nichts dafür, dass der Syrer die Örtlichkeit vorher ausgespäht haben könnte. Auch eine Planung von langer Hand gilt als unwahrscheinlich. Damit erscheint das Cutie vielleicht gar als zufälliges Ziel des mutmaßlichen Angreifers. Laut Zeugenaussagen sei der Mann auch am Boulevard gesehen worden, wo eine größere Veranstaltung stattfand. Zwar war die Open-Air-Feier beendet, dennoch war das Polizeiaufgebot wegen einer für das Wochenende ausgesprochenen Waffenverbotszone groß. Wie war der Täter dann vorbereitet? Zwar soll M. die Bar vorher nicht ausgespäht haben und laut Zeugen sogar alkoholisiert gewesen sein, dennoch lassen Funde der Polizei eine gewisse Planung vermuten. Denn nach Angaben der Sicherheitsbehörden und verschiedener Medien sollen mehrere Messer gefunden worden sein, ebenso ein sogenannter Stockdegen (in offiziellen Berichten ist von einem &bdquo;speerähnlichen Gegenstand“ die Rede gewesen), den er bei der Tat eingesetzt haben soll. Lesen Sie auch: Messeranschlag in Bielefeld: So fand die Polizei den Tatverdächtigen Und: In seinem Rucksack, der in Tatortnähe gefunden wurde, befand sich eine PET-Flasche mit Benzin. Um einen sogenannten Molotow-Cocktail handelte sich dabei nicht - diese Brandsätze werden aus Glasflaschen gefertigt. Das Glas zerspringt nach dem Wurf, die brennbare Flüssigkeit wird freigesetzt und durch einen fackelnden Stofffetzen im Flaschenhals entzündet. Doch was wollte der mutmaßliche Täter mit der Flasche? Welche Rolle spielt ein islamistisches Motiv? Zum jetzigen Zeitpunkt gilt es als wahrscheinlich. Andernfalls hätte der GBA als höchste Strafverfolgungsbehörde in Deutschland das Verfahren nicht übernommen. So gab es mehrere Hinweise, die die Annahme untermauern. Zum einen soll der Verdächtige nach seiner Festnahme selbst seine Sympathie für die Terrororganisation &bdquo;Islamischer Staat“ (IS) bekundet haben, ebenso fanden Ermittler bei ihm ein verdächtiges Schriftstück. Dabei soll es sich um Notizen mit teils salafistischem Inhalt sowie einem selbstgemalten schwarzen Banner handeln, wie ihn der IS oder Al-Qaida nutzen. Und: Ein Mitbewohner machte gegenüber Medien Angaben, wonach der Syrer sich radikalisiert habe. Diese habe er vor allem anhand von Online-Aktivitäten begründet. Lesen Sie auch: Messerangriff in Bielefeld: Was die Fundstücke über ein mögliches Motiv des Täters verraten Brisant ist jedoch: Gegenüber der Polizei soll der Mitbewohner dazu keine Angaben gemacht haben. In Ermittlerkreisen gibt es verschiedene Spekulationen: Wollte sich der Mann wichtigmachen? Oder hat er Angst vor der Polizei? Was machte der Verdächtige unmittelbar nach der Tat? Das Geschehen lässt sich in manchen Teilen rekonstruieren. Gegen 4.20 Uhr am Sonntagmorgen soll er die Feiernden vor der Bar angegriffen haben. Um 15.20 Uhr reiste er schließlich vom Bielefelder Hauptbahnhof nach Hamm und über Essen weiter nach Heiligenhaus. Hier soll er Angehörige haben und wurde in einer Wohnung verhaftet, die er laut Angaben von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) offenbar kannte. Lesen Sie auch: Tatverdächtiger Bielefelder Messerangreifer ist gefasst – Opfer außer Lebensgefahr Was bisher jedoch völlig ungeklärt ist: Was machte der verdächtige Syrer in den elf Stunden zwischen Tat und seiner Abreise aus Bielefeld? Bisher gab es öffentlich dazu keine konkreten Angaben. Es ist also möglich, dass er sich in der Zeit versteckte. Mantrailerhunde spürten den Verdächtigen nicht auf. Wieso war er den Behörden bisher nicht bekannt? Widersprüchliche Aussagen kommen derweil vom Innen- und dem Flüchtlingsministerium des Landes NRW. Ersteres berichtet von insgesamt acht Aliasnamen des verdächtigen Syrers in verschiedenen Systemen der Polizei. Das Ministerium für Geflüchtete berichtet derweil nur von zwei solcher Namen, die dort vorliegen. Die Hintergründe werden derzeit geklärt. Laut Polizei und der Staatsanwaltschaft ist der Syrer nicht in Erscheinung getreten. Er galt bisher als &bdquo;unbeschriebenes Blatt“. Daher gab es auch keine sicherheitsrelevanten Erkenntnisse, erst im Nachgang stellten Ermittler fest, dass er unter anderem zumindest Kontakte zu einem Islamisten aus dem Kreis Gütersloh gehabt haben soll. Sollte er sich jedoch tatsächlich radikalisiert haben, stellt sich hier erneut die Frage, wieso es niemandem aufgefallen ist – außer vermeintlich seinem Mitbewohner.

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