Pflegerin aus Herford droht trotz Personalmangels die Abschiebung

Bielefeld/Herford. Der Altenpflege in Deutschland gehen infolge des Personalmangels die Kräfte aus: 89 Prozent der ambulanten Pflegedienste müssen Neukunden ablehnen und 72 Prozent der Pflegeheime müssen ihr Angebot einschränken. Erholung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Prognosen zeichnen ein düsteres Bild. Bis 2030 fehlen in Deutschland 500.000 Vollzeitstellen. Um diesen Kipppunkt zu verhindern, bemüht sich die Altenpflege wie keine andere Branche um Arbeitskräfte aus dem Ausland. Das Beispiel von Guranda Bolkvadze aus Georgien, die im Johannes-Haus Herford des Evangelischen Johanneswerks als Pflegehelferin tätig ist, zeigt jedoch, wie schwierig das ist. Das evangelische Johanneswerk in Bielefeld beschäftigt 7.500 Mitarbeiter, die Senioren sowie Menschen mit Behinderung und psychischen Erkrankungen betreuen. Mit 4.400 Mitarbeitern und 38 stationären Alteneinrichtungen in NRW ist die Altenhilfe das größte Arbeitsfeld des diakonischen Trägers. &bdquo;Knapp 1.000 unserer Mitarbeiter haben eine ausländische oder eine doppelte Staatsbürgerschaft. Viele weitere Mitarbeiter haben einen Migrationshintergrund. Insgesamt beschäftigen wir Menschen aus 95 Nationen“, erklärt der stellvertretende Vorsitzende der Johanneswerk-Geschäftsführung, Bodo de Vries. &bdquo;Das zeigt: Ohne Migration funktioniert die Pflege in Deutschland nicht. Aktuell nicht, weil wir den Status quo bereits heute nicht mehr halten können. Und auch in Zukunft nicht, weil die Zahl der Pflegebedürftigen und damit der Bedarf an Arbeitskräften stark zunehmen wird.“ Lesen Sie auch: Hoher Eigenanteil für Pflegeheim trifft Bewohner hart – dabei könnte NRW entlasten Bielefelder De Vries fehlt Wertschätzung für berufstätige Migranten Die aktuelle Debatte über Migration bildet dieses Problem nach Angaben von de Vries nicht ab. &bdquo;Die Politik beschäftigt sich ausschließlich mit Abschiebungen, die aber häufig nicht die treffen, die sich nicht an die Regeln halten, sondern die, die sich integriert haben und in der Pflege und anderen Branchen mit Personalnot tätig sind.“ De Vries fehlt in der Debatte die Wertschätzung für berufstätige Migranten und Arbeitgeber, die sich in der Migrationsarbeit engagieren. &bdquo;Wer wird künftig die Pflege der Babyboomer übernehmen? Wie stellt sich die Politik das vor, wenn jetzt schon vier von fünf Pflegeheimen ihre Angebote kürzen müssen?“ Lesen Sie auch: Wie das Johanneswerk jährlich 1.000 neue Mitarbeiter gewinnen will Guranda Bolkvadze ist eine der 1.000 ausländischen Mitarbeiter des Johanneswerks. Die 41-Jährige ist im Dezember 2022 aus Georgien nach Deutschland gekommen. &bdquo;Ich habe meine Heimat aus politischen Gründen verlassen“, erklärt Bolkvadze, die nach einem Journalismus-Studium zuletzt im Gesundheitssektor und in der Arbeitsvermittlung in Georgien tätig war. Nach ihrer Ankunft wurde Bolkvadze zunächst in der zentralen Unterbringungseinrichtung Herford aufgenommen. &bdquo;Ich wollte aber nicht nur herumsitzen und habe Praktika im Johannes-Haus Herford absolviert. Die Arbeit macht mir viel Spaß.“ Bolkvadze bemüht sich daraufhin um eine Arbeitserlaubnis, die sie bis 2027 erhält, und arbeitet seit November 2023 als Pflegehelferin im Johannes-Haus Herford. &bdquo;Ich habe einen unbefristeten Arbeitsvertrag, lerne Deutsch und beziehe keine Leistungen vom Staat. In Zukunft möchte ich eine Ausbildung zur regulären Pflegekraft machen.“ Lesen Sie auch: Häusliche Pflege in OWL: Experten erklären, was Angehörige wissen müssen Herforder Pflegerin noch bis Juli in Deutschland geduldet Ob das möglich sein wird, ist jedoch ungewiss, denn Bolkvadzes Asylantrag wurde abgelehnt. Weil Georgien als sicheres Herkunftsland gilt, bestätigten das Verwaltungsgericht Minden und das Oberverwaltungsgericht Münster die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Das Johanneswerk schaltete daraufhin den Petitionsausschuss des NRW-Landtages ein, mit Erfolg. &bdquo;Das Verfahren wurde ruhend gestellt. Guranda Bolkvadze darf in Herford bleiben, wird aber nur geduldet“, erklärt die regionale Geschäftsleiterin für die Region Herford des Johanneswerks, Anja Zimmermann. Eine Duldung ist eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung. Für Bolkvadze gilt sie bis Juli. &bdquo;Ich hoffe sehr, dass ich bleiben darf. Aber ich habe große Angst, dass ich abgeschoben werde.“ Auch das Johanneswerk hofft, dass die Georgierin bleiben darf. &bdquo;Guranda Bolkvadze hat in den vergangenen Jahren größte Anstrengungen unternommen, um zu arbeiten. Wir brauchen sie dringend“, sagt Zimmermann. &bdquo;Es ist ja nachvollziehbar, dass kein Asylgrund besteht, wenn das Heimatland als sicher gilt. Es muss aber doch eine pragmatische Lösung für die vielen abgelehnten Asylbewerber geben, die ihren Beitrag leisten und in der Pflege so dringend gebraucht werden.“ Doch ein Wechsel in die Arbeitsmigration sei aktuell für Asylbewerber nicht vorgesehen, moniert Zimmermann. &bdquo;Das erschwert die Gewinnung von Arbeitskräften sehr, denn jeder Fall ist mit unglaublich viel Bürokratie und Sorgen für alle Beteiligten belastet.“ Lesen Sie auch: Bielefelder Johanneswerk-Chef blamiert AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel Das Johanneswerk fordert deshalb Systemanpassungen, da Fachkräfte-Abkommen mit einzelnen Ländern nicht ausreichen. &bdquo;Gebraucht werden auch Hilfskräfte. Zudem profitieren die Menschen, die bereits in Deutschland sind, nicht davon“, erklärt Zimmermann. &bdquo;Wir arbeiten jeden Tag an der Gewinnung von Arbeitskräften aus dem Ausland, begleiten sie bei allen Verfahren und bieten Deutschkurse an. Wir benötigen aber dringend bessere Voraussetzungen, die nur die Politik schaffen kann.“

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