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Kindsmord in den Nachkriegswirren des 30-jährigen Krieges

Eine junge Frau aus Salzuflen wird ungewollt schwanger. Historikerin Sabine Mirbach erzählt über Folter und Mord im 17. Jahrhundert.

Folter auf einer Streckbank im 16. Jahrhundert. | © IMAGO / GRANGER Historical Picture Archive

06.02.2025 | 14.03.2025, 14:13

Wir schreiben das Jahr 1655. Die unverheiratete Ilsabein Humke ist schwanger. Um diesen Makel zu verstecken, verkriecht sie sich bei ihren Eltern in Salzuflen. Als das Kind stirbt, vermutlich kurz nach der Geburt, kommt es zum Prozess. Doch nicht Ilsabein Humke wird angeklagt, sondern ihre Mutter Magdalena. Zu Gast bei „Ostwestfälle – dem True Crime Podcast der NW“ ist diesmal Sabine Mirbach. Die Historikerin ist Gästeführerin in Bad Salzuflen und ausgewiesene Expertin für historische Verbrechen und grausame Foltermethoden.

In der Zeit des 30-jährigen Krieges, der zwischen 1618 und 1648 in Deutschland tobt, ziehen ab 1621 marodierende Soldaten auch durch das lippische Salzuflen. Sie plündern die Stadt und quartieren sich mit ihren Familien und Gefolge bei den Bürgern ein. Menschen und Pferde müssen mitverpflegt und versorgt werden. Das allein, bringt die Stadtbewohner schon an ihre Grenzen. Doch es kommt noch schlimmer.

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Mit den umherziehenden Menschenmassen kommen Krankheiten wie die Pest, die rote Ruhr und die Pocken nach Salzuflen. Zum Ende des 30-jährigen Krieges hat sich die Bevölkerung auf rund 1.000 Menschen halbiert. Zu dieser Zeit ist Ilsabein Humke als Magd beim Vogt zu Oerlinghausen angestellt. Ein Techtelmechtel mit einem Brauerknecht bleibt nicht folgenlos. Ilsabein wird schwanger.

Der Kindsmord in Bad Salzuflen - Alle Fakten im Überblick

  • Marodierende Soldatenverbände ziehen während des 30-jährigen Krieges zwischen 1618 und 1648 mordend und brandschatzend durch Westfalen. Sie bringen Tod und Verderben, auch in Form von Krankheiten, wie Pest und Pocken.
  • In dieser von Misstrauen geprägten Zeit sucht 1655 die ungewollt schwanger gewordene Ilsabein Humke Schutz im lippischen Salzuflen bei ihrer Mutter Magdalena und dem Stiefvater. Es bleibt in der Nachbarschaft nicht unbemerkt, dass die Tochter ein Kind erwartet.
  • Nach einigen Monaten entstehen Gerüchte über den Verbleib des Kindes und auch Ilsabein ist verschwunden, sodass der Rat der Stadt eingeschaltet wird. Dieser ruft das gräfliche Kriminalgericht an und bittet um Übernahme des Falls.
  • In einem peinlichen Verhör unter der Folter gesteht Magdalena Humke den Mord an dem Säugling, der schließlich im Garten unter dem Kohl verscharrt gefunden wird. Ilsabein bleibt verschwunden.
  • Magdalena Humke wird schließlich am 10. November 1655 als letzte Frau in Salzuflen mit dem Schwert hingerichtet.

„Zu dieser Zeit war ein uneheliches Kind ein Makel“, sagt Sabine Mirbach. In den Jahren während und nach dem 30-jährigen Krieg habe es oftmals illegitime Geburten gegeben da Frauen geschändet, also vergewaltigt wurden. So sei die damals geltende Soldatenmaxime gewesen: „Ist Land, Mensch und Vieh vernichtet, ist des Herren Dienst verrichtet“, erklärt die Historikerin.

Ilsabein versteckt sich bei der Mutter und dem Stiefvater, denn ledige Mütter werden geächtet und nicht selten für ihre Unzucht bestraft. Doch nach einigen Monaten gibt es Gerede in der Stadtgesellschaft über den Verbleib von Ilsabein und deren Kind. Die Gerüchte dringen bis zum Rat der Stadt durch. So bestellt man schließlich den Stiefvater Johann ein. Der berichtet, dass er nichts über den Verbleib seiner Stieftochter sagen kann. Mit seiner Ehefrau teile er nur noch das Haus, aber nicht mehr Tisch und Bett. Daraufhin wird Ilsabeins Mutter Magdalena befragt.

Weil man ein „Blutsverbrechen“ vermutet wird das gräfliche Kriminalgericht eingeschaltet. Das Gericht hält in Salzuflen Hof und erneut wird Magdalena befragt – zunächst ohne Ergebnis. Nun wird die „peinliche Befragung“ mit einem Rechtsgutachten der Universität Rinteln angefordert – die rechtliche Grundlage für die Folter. Magdalena gibt zunächst an, dass das Kind ihrer Tochter eine Totgeburt gewesen sei. Unter der Folter gesteht sie schließlich den Mord an dem Säugling. Das Kind wird später verscharrt im Garten unter dem Kohl gefunden. Ob es tatsächlich ermordet wurde, lässt sich bis heute nicht klären.

Nahbar und spannend: Mit ihrer unverwechselbaren Stimme führt Moderatorin Birgitt Gottwald durch den historischen True Crime Podcast der NW. - © Michaela Heinze
Nahbar und spannend: Mit ihrer unverwechselbaren Stimme führt Moderatorin Birgitt Gottwald durch den historischen True Crime Podcast der NW. | © Michaela Heinze

„Magdalena hat zwar einen Anspruch auf einen Rechtsbeistand während des anschließenden Prozesses, eine Begnadigung kann er jedoch nicht erreichen“, erklärt Sabine Mirbach. Lediglich dem Wunsch bei der Art der Hinrichtung, Milde walten zu lassen wird entsprochen. Am 10. November 1655 wird Magdalena Humke mit dem Schwert vom Leben zum Tode gebracht. „Das kam einer Begnadigung gleich“, so die Historikerin, „denn das war ein schneller Tod“. Magdalena Humke ist die letzte Frau in Salzuflen, die dort hingerichtet wird.

„Sie wurde zwar getötet“, führt die Historikerin aus, aber sie sei weder verbrannt, noch zerrissen worden, noch wurde sie lebendig begraben. Letzteres war den Kindsmördern beschieden. Magdalena Humkes sterbliche Überreste werden, wie zu der Zeit üblich, außerhalb der Stadtmauern an Wegkreuzungen verscharrt. „Das geschieht aus gutem Grund“, weiß Sabine Mirbach, „man hatte Angst vor Wiedergängern, die sich an den Menschen rächen wollten, die sie verurteilt und hingerichtet hatten.“