„Auch Zwölfjährige müssen schon haften“: Was Eltern über Amokdrohungen wissen sollten

Düsseldorf/Lübbecke. Neun Mal gab es allein in diesem Jahr Amok-Drohungen an Schulen in OWL. Von 2022 auf 2023 ist die Zahl dieser Straftaten in NRW um 46 Prozent angestiegen. Eine konkrete Tat folgte in OWL auf keine der Ankündigungen. Dennoch nehmen Schulleitungen und Polizei jeden Vorfall ernst und handeln auch danach. Das führt zu Unterrichtsausfall, hohen Kosten und vor allem zu viel Verunsicherung und Angst. Dass eine Amokankündigung kein Dummejungenstreich ist, zeigt die Rechtslage – und die sollten Schüler und auch Eltern gut kennen. Hier ein Überblick. Lesen Sie auch: Ernstfall Amoklauf: Wie sich Schüler, Lehrer und Eltern verhalten müssen Was ist eine Amokdrohung für eine Straftat? Grundsätzlich laufen solche Ankündigungen im Paragraf 126 des Strafgesetzbuches unter dem Straftatbestand der &bdquo;Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Gewalttaten“, sagt der Bielefelder Anwalt Georg Schulze, Experte für Jugendstrafrecht. &bdquo;Je nach Fall kann auch noch Nötigung dazukommen oder auch Vandalismus, wenn zum Beispiel Wände mit der Ankündigung beschmutzt wurden.“ Welche Strafen gibt es? Strafrechtlich können Täter mit einer Geldstrafe oder sogar einer Freiheitsstrafe belangt werden, wenn sie bereits strafmündig, also mehr als 14 Jahre alt, sind. Lesen Sie auch: &bdquo;Mitführen von Messern völlig normal“ – Gewalt an OWL-Schulen nimmt zu Doch es gibt noch weitere Konsequenzen und die können richtig teuer werden. Abseits des Strafrechts gibt es in NRW nämlich noch die verwaltungsrechtliche Ebene in Sachen Störungsfall. Heißt: &bdquo;Wer in böswilliger Absicht einen Polizeieinsatz auslöst, muss in der Regel die Kosten tragen“, so Georg Schulze. Laut Kreispolizeibehörde Minden-Lübbecke sind hier Schadensersatzforderungen von bis zu 100.000 Euro drin. Bleiben minderjährige Kinder automatisch straffrei? Viele Eltern glauben das. Dem ist aber nicht so, weiß Henk Philipp Schönborn, Experte für Schulrecht bei der Düsseldorfer Kanzlei Schäfer und Berkels. &bdquo;Auch Zwölfjährige können schadensersatzpflichtig sein. Voraussetzung dafür ist die Einsichtsfähigkeit. Auch Minderjährige müssen haften, wenn sie ihr Handeln absehen können.“ Und da Minderjährige in der Regel keine hohen Beträge aufbringen können, müssen dann Eltern für ihre Kinder haften. Welchen Einfluss hat das Alter von Kindern auf die Strafe? Grundsätzlich spielt im Jugendstrafrecht das Alter aber schon eine entscheidende Rolle. Kinder unter 14 Jahren sind nicht strafmündig, müssen aber trotzdem mit Konsequenzen rechnen. &bdquo;Hier geht der Weg über das Jugendamt, das Gespräche mit den Eltern sucht und ebenfalls Jugendhilfemaßnahmen verhängen kann.“ Lesen Sie auch: Diskussionen um Amok-Alarmierungen in Paderborn Auch bei Kindern über 14 Jahren prüften Jugendrichter, wie es um die sittliche Reife bestellt sei. &bdquo;Und auch bei Jugendlichen richtet sich der Fokus eher auf Erziehung als auf Bestrafung. &bdquo;Das kann dann konkret Arbeitsstunden, soziale Trainingskurse oder andere Jugendhilfemaßnahmen bedeuten.“ Konkrete Urteile gegen Jugendliche Wie teuer und gravierend schon Gewalt ist, die nur angekündigt und nicht ausgeführt wurde, zeigen etliche Urteile in Deutschland. So verurteilte das Verwaltungsgericht Aachen im Januar 2020 einen Schüler zur Übernahme der Polizeieinsatz-Kosten in Höhe von 38.919 Euro. Er hatte in vier Fällen Amokläufe an Schulen und auf einem Sommerfest per E-Mail angekündigt. Die Summe setzte sich zusammen aus den Stundensätzen für die bei allen vier Vorfällen eingesetzten Polizeibeamten, die ebenfalls im Urteil detailliert dargelegt sind. So erhält ein Beamter im höheren Dienst 73 Euro pro Stunde, ein Beamter im gehobenen Dienst 58 Euro. Lesen Sie auch: Studie – Ein Drittel aller Tiktok-Challenges schädlich für Jugendliche 2020 wies das Verwaltungsgericht Hannover die Klage eines minderjährigen Schülers ab, der die Einsatzkosten für einen von ihm angekündigten Amoklauf nicht tragen wollte. Der zum Tatzeitpunkt 15-jährige Schüler hatte im Januar 2019 einen anonymen Instagram-Account eingerichtet, in dem er bedrohliche Posts über seine Schule veröffentlichte. Dort postete er einen Countdown, der auf den Kursschluss seines Lateinkurses herunter zählte. Obwohl er minderjährig war, entschieden die Richter, dass er die Einsatzkosten in Höhe von 864 Euro zu tragen hatte. So heißt es im Urteil: &bdquo;Seine Minderjährigkeit entbindet ihn nicht von der Zahlungspflicht, weil es ihm nicht an der Einsichtsfähigkeit fehlt.“ Lesen Sie auch: &bdquo;Das entgleitet uns“ – Amokdrohungen an OWL-Schulen nehmen zu“

Meistgelesen