Rechtsruck in Ostwestfalen-Lippe: Das sind die AfD-Hochburgen der Region

Bielefeld. Es gehört für viele zu den bitteren Erkenntnissen dieser Europawahl: Die EU rückt nach rechts. In Deutschland ist es die &bdquo;Alternative für Deutschland“, die über Zulauf jubeln durfte. Auch in Ostwestfalen-Lippe können die Rechtspopulisten starke Zugewinne verbuchen. Doch wo in der Region haben die Menschen besonders häufig ihr Kreuz bei der AfD gemacht? Was sind mögliche Ursachen? Und welche Rezepte gibt es gegen den Rechtsruck? Bundesweit kam die Partei, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall geführt wird, auf 15,9 Prozent der Stimmen – ein Plus von rund fünf Prozent im Vergleich zur Europawahl im Jahr 2019. In einigen OWL-Kommunen findet die Partei deutlich mehr Unterstützer. Ganz vorne stehen in der Region die Gemeinde Augustdorf im Kreis Lippe (27 Prozent, +14,2), die Stadt Espelkamp im Kreis Minden-Lübbecke (22,5 Prozent, +9,7) und der Bielefelder Stadtbezirk Sennestadt (21,4 Prozent, +9,6). Auf Ebene einzelner Ortschaften konnte die AfD teils noch deutlich bessere Ergebnisse einfahren. So im Detmolder Stadtteil Hakedahl/Herberhausen. Hier erringen die Rechten sogar 50,5 Prozent der Stimmen – wohlgemerkt bei einer unterdurchschnittlichen Wahlbeteiligung von 34,4 Prozent. Unzufriedenheit als Ursache für AfD-Ergebnisse Für den Bürgermeister der Stadt Espelkamp, Henning Vieker (CDU), war das Ergebnis in seiner Kommune teils erwartbar. &bdquo;Wenn die AfD bundesweit Stimmen gewinnt, dann geht das an Espelkamp natürlich nicht vorbei“, sagt er. Man wisse, in welcher Bevölkerungsstruktur die AfD besonders stark ist. &bdquo;Und die haben wir auch hier vor Ort“, versucht er, die 22,5 Prozent der Stimmen für die AfD zu erklären. Dass sich das Thema kommunal lösen lasse, bezweifelt Vieker derweil. &bdquo;Das Ergebnis zeigt die Unzufriedenheit mit der Bundesregierung, beispielsweise mit der Wirtschaftspolitik oder der ungeklärten Migrationsfrage. Gegen das Erstarken von Rechts hilft nur eine bessere Politik in Berlin.“ .responsive23-x5Cu2oMXkaeEyaFG-choro-map { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-x5Cu2oMXkaeEyaFG-choro-map { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-x5Cu2oMXkaeEyaFG-choro-map { padding-top: 142.86%; } } Das unterstützt Sennestadts Bezirksbürgermeister Lars Nockemann (SPD). Er sieht die eigene Partei in der Verantwortung, deren Handeln er im Bund und in der Ampel als Hauptursache für das Wahldebakel festmacht. Auch Veith Lemmen stimmt zu. &bdquo;Viele Menschen sind zu Recht frustriert, weil der Staat zunehmend schlechter funktioniert und für sie weniger zum Leben bleibt“, sagt der Bürgermeister der Stadt Werther. Unter den Kommunen im Kreis Gütersloh gibt es hier mit 9,4 Prozent die wenigsten AfD-Unterstützer. Für Lemmen, der auch der OWL-SPD vorsitzt, tragen die vielen &bdquo;Möglichkeiten des Austauschs“ und ein &bdquo;großartiges ehrenamtliches Engagement der Stadtgesellschaft in Vereinen, Initiativen und Organisationen“ dazu bei, &bdquo;dass antidemokratische und nationalistische Kräfte in Werther wenig Nährboden haben.“ Auch in Augustdorf werde viel getan, betont Bürgermeister Thomas Katzer (SPD). Vor gut zwei Jahren sei zum Beispiel ein runder Tisch ins Leben gerufen worden, um den Austausch zwischen Alteingesessenen und neuen Bürgern zu fördern. In der lippischen Gemeinde mit ihren rund 10.000 Einwohnern seien 60 Nationen beheimatet, sagt der 65-Jährige. &bdquo;Wir leben in einem guten Miteinander.“ Und dennoch haben hier im Vergleich der OWL-Kommunen die meisten Menschen die AfD gewählt; eine Partei, die erst kürzlich unter dem Stichwort &bdquo;Remigration“ von sich Reden machte. Die Ursachen für den Rechtsruck sieht Katzer nicht vor Ort, sondern in Berlin. Von der Bundesregierung wünscht er sich weniger offen ausgetragenen Streit. Streit um Rezept gegen den Rechtsruck Nach einem Rezept gegen Frust und Protest an der Wahlurne gefragt, hebt auch Norbert Kersting neben den Bildungseinrichtungen die Bedeutung von Vereinen hervor. Hier wie auch in Schulen müssen nach Ansicht des Politikwissenschaftlers an der Universität Münster immer wieder die Vorzüge und Werte des freiheitlichen Lebens in Deutschland hervorgehoben werden. Grundsätzlich sei es ein Fehler der demokratischen Parteien, die Agenda der Rechten zu übernehmen, die vor allem auf das Thema Migration abheben und es nach Sicht des Wissenschaftlers größer machen, als es ist. Die Frage der Einwanderung sei wichtig, so Kersting. Man hätte aber viel stärker auf andere große Themen setzen sollen: Klimawandel, Wirtschaft, Frieden, Soziales und Digitalisierung etwa. Geht es um Migration, sei die Gefahr groß, dass die Menschen sich für das Original entscheiden – die AfD – und nicht für die Kopie, so Kersting. Aufgedeckt: AfD-Wahlkämpfer aus OWL in &bdquo;Reichsbürger“-Gruppe aktiv Kommentar: Warum Skandale die AfD-Wähler kaum beeindrucken Frank Schäffler sieht das anders. Der Bundestagsabgeordnete aus Bünde und Vorsitzende der FDP in OWL hält es für wichtig, Herausforderungen anzugehen. Dazu gehört für ihn auch der richtige Umgang mit Migration. Es sei eben ein Problem, wenn Kommunen durch Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten überfordert würden. In der Vergangenheit habe sich gezeigt, dass die AfD an Zustimmung verliert, sobald das Thema Migration in den Hintergrund rückt – so nach der sogenannten Flüchtlingskrise 2015/2016. Aus Sicht der frisch gewählten EU-Abgeordneten Verena Mertens (CDU) ist es wichtig, den Menschen zuzuhören. Ohne seien große Themen wie illegale Migration und &bdquo;ein Klimaschutz, der Menschen und Wirtschaft nicht aufs Abstellgleis schiebt“, nicht zu bearbeiten, erklärt die Paderbornerin. Kersting: AfD tut, als sei sie die Mehrheit Für Politikwissenschaftler Kersting ist es davon ab wichtig, die Verhältnisse klarzustellen. So habe die AfD rund 16 Prozent bei der Europawahl erzielt. &bdquo;Das heißt, sie ist eigentlich eine Minderheit, tut aber oft so, als wäre sie die Mehrheit“, sagt der Wissenschaftler etwa mit Blick auf das Auftreten in den sozialen Medien. &bdquo;Das heißt, dass der Rest deutlich machen muss, dass er die Positionen der AfD nicht teilt.“

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