Hochwasser, Tornados und Co.: Kommt die Pflichtversicherung für Hausbesitzer?

Immer öfter kämpfen Hausbesitzer in Deutschland mit den Folgen von extremen Unwetterereignissen – auch in NRW und OWL. Zum Jahreswechsel 2023/2024 traten im Norden und Süden der Region zahlreiche Flüsse über die Ufer, und im Mai 2022 zog ein Tornado durch Paderborn. Das Problem: Viele Hauseigentümer sind nicht gegen solche Naturkatastrophen versichert, oder sie haben sogar Klauseln in ihren Policen, die eine mögliche Haftung ausschließen. Vor dem Hintergrund der teilweise katastrophalen Hochwasserlage in Bayern und Baden-Württemberg im Frühsommer 2024 sieht NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) nun Bundeskanzler Scholz (SPD) in der Pflicht, eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden einzuführen. Laut dem bayerischen Ministerpräsident Markus Söder solle mit einer solchen Pflichtversicherung verhindert werden, dass einige sich nicht versichern wollen und andere wegen eines zu hohen Risikos keinen Vertrag von den Anbietern erhalten. Die wichtigsten Antworten zur Elementarschadenversicherung Zustimmung kommt dafür aber nicht von allen Seiten. Im Gegenteil: Die Debatte erhitzt die Gemüter. Ist eine Elementarschadenversicherung wirklich die Lösung? Für welche Hausbesitzer in OWL würde sie sich lohnen? Und: Wie viel würde sie kosten? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick. Was ist eine Elementarschadenversicherung und welche Schäden deckt sie ab? Die reguläre Gebäudeversicherung zahlt für Sturm und Hagelschäden, nicht jedoch bei Hochwasser. Elementarpolicen sind ein Zusatzbaustein zur Gebäudeversicherung, der weitere von den Naturelementen verursachte Gefahren abdeckt – daher der Name. Aber auch eine Elementarpolice deckt nicht alle denkbaren Wasserschäden ab. Strömt etwa Grundwasser durch den Abfluss im Waschkeller nach oben ins Wohnhaus, zählt das in der Regel als Baumangel. Eine Versicherungspflicht für Elementarschäden gibt es nicht. In extrem hochwassergefährdeten Gebieten finden Hauseigentümer in der Regel auch keinen Versicherer, bei dem sie eine Elementarpolice abschließen könnten. Welche Orte in OWL sind von möglichen Naturkatastrophen betroffen? Während viele Naturkatastrophen fast überall vorkommen können, treten Überflutungen nur in bestimmten Gegenden auf. Nämlich vor allem in der Nähe von Seen, Flüssen und Bächen. Die Hochwasserrisikokarte des Landes Nordrhein-Westfalen zeigt, dass in allen Städten und Kreisen von Ostwestfalen-Lippe häufig, also im Schnitt alle zehn bis 20 Jahre, Hochwasser zu erwarten sind. Nicht jedes Gewässer tritt dabei über die Ufer, wohl aber die größeren Flüsse, wie die Weser, die Werre, die Else, der Heubach und die Ems. In Steinheim im Kreis Höxter etwa wird in den nächsten Jahren ein neues Hochwasser erwartet. Allein im vergangenen Jahrhundert kam es gleich dreimal dazu: 1946, 1968 und 1998. Bei Letzterem überboten sich Zeitungen und Jahresmagazine im Anschluss mit ihren Schlagzeilen: &bdquo;Albtraum-Hochwasser“, &bdquo;Jahrhunderthochwasser“ und &bdquo;Das schlimmste Hochwasser in der Geschichte Steinheims“ sind nur einige der Titel. Lesen Sie auch: So sah OWL beim Weihnachtshochwasser 2023 von oben aus Die Gefahr, dass es bald zu ähnlichen Ereignissen in Steinheim kommt, ist nicht unbegründet. Noch immer sind knapp 200 Menschen allein durch die Emmer von einem mit hoher Wahrscheinlichkeit regelmäßig auftretenden Hochwasser bedroht. Das zeigt die NRW-Hochwasserrisikokarte. Betroffen wären vor allem Bewohner an der Straße Am Kuhkamp, der Schiederstraße, der Höxterstraße und der Heubachstraße. Lesen Sie auch: Warum den Menschen im Kreis Höxter ein neues Jahrhundert-Hochwasser droht In Paderborn zog am 20. Mai 2022 ein Tornado durch die Stadt und hinterließ auf einer Breite von 300 Metern und einer Länge von fünf Kilometern eine Schneise der Verwüstung. Umgestürzte Bäume, abgedeckte Häuser, kaputte Autos und auch zahlreiche Verletzte und Schwerverletzte waren die Folge. Selbst zwei Jahre später sind noch immer Spuren des Wirbelsturms zu erkennen. Längst nicht alle Bäume, etwa im Paderquellgebiet oder im Geißelschen Garten, sind nachgepflanzt worden. Lesen Sie auch: Paderborn aus der Luft: Das ganze Ausmaß der Tornado-Katastrophe Warum wird über eine Pflichtversicherung diskutiert? Nur etwa die Hälfte der in Deutschland stehenden privaten Gebäude ist elementarversichert. Bisher sprangen nach Flutkatastrophen regelmäßig Bund und Länder ein (etwa 2013 und 2021) – mit Milliardenkosten für die Allgemeinheit. Die Bundesländer wollen für die Versicherungslücken nicht länger gerade stehen und fordern daher den Bund auf, eine Versicherungspflicht einzuführen. &bdquo;Der Kanzler muss jetzt endlich ins Handeln kommen und Verantwortung übernehmen“, sagt etwa Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Was spricht für eine Pflichtversicherung? Ohne finanzielle Hilfe würde etlichen bisher nicht versicherten privaten Hauseigentümern im Falle einer schweren Überschwemmung der Ruin drohen. Da dies für den Staat allein extrem teuer ist, wollen die Länder die Versicherer in die Pflicht nehmen. Nach einer aktuellen Umfrage der R+V-Versicherung sind 55 Prozent der Hausbesitzer dazu bereit, selbst mehr Geld in die Hand zu nehmen, um ihr Hab und Gut zu schützen. Gleichzeitig fordern allerdings auch 87 Prozent mehr Investitionen von Seiten des Staates. Was spricht gegen eine Pflichtversicherung? Das Gegenargument läuft im Kern darauf hinaus, dass es der Allgemeinheit nicht zuzumuten sei, wenn eine Vielzahl von Hauseigentümern ihre Risiken auf die Allgemeinheit abwälzt – und die Kosten damit für Millionen Menschen in die Höhe treibt. Außerdem fürchtet die Versicherungsbranche, dass Staat und Bürger nach Einführung einer Pflichtversicherung am Hochwasserschutz sparen würden, denn es müsste am Ende immer die Versicherung zahlen. &bdquo;Dabei bleiben staatlicher und individueller Hochwasserschutz auf der Strecke“, sagt Hauptgeschäftsführer vom Gesamtverband der Versicherer, Jörg Asmussen. Generell gegen eine Pflichtversicherung sind, neben den Versicherern, auch Hauseigentümerverbände und Bundes-Justizminister Marco Buschmann (FDP). Eine Versicherungspflicht würde für viele Haushalte &bdquo;mit drastischen finanziellen Mehrbelastungen verbunden“ sein, erklärt eine Sprecherin. Was würde eine Pflichtversicherung für Versicherte kosten? Die Höhe des Beitrags für eine Elementarschutzversicherung variiert, je nachdem, um was für ein Gebäude es sich handelt, wo es steht und wie sich das Schadensrisiko in den zurückliegenden Jahren entwickelt hat. Das Problem: Steht beispielsweise ein Haus in einem Hochrisikogebiet, kann es für Eigentümer schwer werden, überhaupt eine Versicherung zu bekommen. Wenn, dann würde sie sehr teuer werden, heißt es von der Verbraucherzentrale. Laut der deutschen Versicherungsbranche können die Kosten pro Einfamilienhaus zwischen 100 und 2.000 Euro pro Jahr variieren. Fest steht aber auch: 92,4 Prozent aller Adressen in Deutschland waren bisher noch nie von einer Überflutung betroffen, was einen niedrigen Beitrag bedeuten würde. Wichtig: Eine Elementarschadenversicherung kann in der Regel in Kombination mit einer Gebäude- und Hausratversicherung abgeschlossen werden. Lesen Sie auch: Sechs Tipps bei Starkregen: Bielefelder Experten sagen, wie man Haus und Besitz schützt Dürfen in Deutschland bald an bestimmten Orten keine Häuser mehr gebaut werden? In vielen Bundesländern darf derzeit noch in Überflutungsgebieten gebaut werden. &bdquo;Das ist weder im Sinne der Klimaresilienz noch der Daseinsvorsorge und dazu unglaublich teuer langfristig gesehen“, sagt Christian Kuhlicke, Professor am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. &bdquo;Denn die Extremwetterereignisse werden sich häufen und man wird sich künftig häufiger fragen: Lohnt es sich überhaupt, das an Ort und Stelle wiederaufzubauen – oder siedelt man um?“ NRW hat dem bereits einen Riegel vorgeschoben und in festgelegten Überschwemmungsgebieten den Bau von Häusern verboten. Welche Bausteine, unabhängig von einer Versicherung, können noch vor Hochwasser schützen? Ein wesentlicher Baustein ist die technische Anpassung: Deiche, Schutzwände, aber auch bessere Drainagen in den Städten, sodass Wasser ablaufen kann (Stichwort: Schwammstadt). Bis all diese Maßnahmen umgesetzt sind, dauert es allerdings noch, und da die Aufgabe in der Regel von den Kommunen übernommen werden, kann es regional zu großen Unterschieden kommen. Für den Einzelfall sind zudem Vorwarnsysteme wichtig. Um die Bürger in Höxter rechtzeitig zu warnen, arbeitet die Stadt derzeit an einer Hochwasser-App. Mit Sensoren werden alle zehn Minuten die Wasserstände der Emmer und des Heubachs gemessen. Noch müssen allerdings weitere Daten gesammelt werden, bevor die App final veröffentlicht werden kann. Zur Themenseite: Hochwasser in OWL Welche Versicherungen sollten Eigentümer von Häusern und Wohnungen unbedingt haben? Die Wohngebäudeversicherung Mit ihr sind unter anderem Schäden durch Feuer, Blitzschläge, Explosionen, Sturm (ab Winterstärke 8) und Hagel, sowie geplatzte Wasserrohre abgesichert. Die Versicherung kann auch in Kombination mit der erweiterten Naturgefahrenversicherung abgeschlossen werden. Dann werden auch Kosten etwa für Beschädigungen am Nebengebäude, einen möglichen Abriss des Gebäudes und den Neubau übernommen. Die Elementarschadenversicherung Sie schützt vor bösen Folgen bei Starkregen, Überschwemmungen, Rückstau, Hochwasser, Lawinen, Erdbeben und Vulkanausbrüchen. Allerdings muss der Versicherte in der Regel eine vertraglich festgelegte Selbstbeteiligung zahlen. Die Haftpflichtversicherung Wer in seiner eigenen Immobilie wohnt, kann haftbar gemacht werden, für Besucher, die auf glattem Boden in der Wohnung ausrutschen, Passanten, die auf dem Grundstücke aufgrund von Glatteis stürzen, als auch, wenn Blumenkästen nicht richtig befestigt sind und etwa ein Auto beschädigen. Eine Haftpflichtversicherung übernimmt den dabei entstandenen Schaden. Die Haus- und Grundbesitzer-Haftpflichtversicherung Sie gilt für all diejenigen, die ihre Immobilien vermieten. Auch dann ist der Eigentümer dafür verantwortlich, dass Dritte keinen Schaden nehmen. Die Versicherung zahlt etwa in Fällen, wenn Passanten aufgrund loser Gehwegplatten oder vereister Gehwege stürzen, aber auch wenn Bäume umstürzen. Die Hausratversicherung Mit ihr werden alle beweglichen Gegenständen im Haus oder der Wohnung abgesichert – und ist somit nicht nur etwas für Eigentumsbesitzer, sondern auch für Mieter. Zu den Gegenständen zählen neben Möbeln auch Kleidung und Elektrogeräte. Die Versicherung kommt unter anderem für Schäden durch Feuer, Blitzschlag, Explosionen, Einbrüche, Sturm (ab Windstärke 8) und Hagel auf. Mit Material der dpa und des RND

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