Scharfe Kritik am Klinikatlas aus den Krankenhäusern in OWL

Berlin/Bielefeld. Die Orientierung im deutschen Gesundheitssystem ist schwierig, weshalb sich Patienten nach Empfehlungen sehnen, die ihnen im Fall einer Erkrankung den Weg zu den besten Krankenhäusern weisen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat mit dem Klinikatlas einen &bdquo;übersichtlichen Wegweiser durch den Krankenhaus-Dschungel in Deutschland“ angekündigt, der vor allem bei Patienten große Erwartungen geweckt hat. Nun ist er seit einer Woche online und die Ernüchterung ist groß – bei Patienten, aber auch in den Krankenhäusern. So auch in OWL. Zum Start können Patienten derzeit folgende Informationen für jedes der 1.700 Krankenhäuser in Deutschland abrufen: Die Fallzahlen des Krankenhauses und je Fachabteilung und Behandlungsanlass, die Bettenanzahl, die Zahl der Pflegekräfte, den Pflegepersonalquotienten sowie die Notfallstufen und ausgewählte Zertifikate. Nach Angaben der Deutschen Stiftung Patientenschutz fehlen damit im Klinikatlas entscheidende Angaben, die Patienten bei der Wahl eines Krankenhauses dringend benötigen. &bdquo;Die Qualität der Patientensteuerung in der Klinik wird nicht erfasst und nach wie vor mangelt es an verbindlichen Leitlinien und Bewertungsfaktoren“, moniert Vorstand Eugen Brysch. Die Stiftung kritisiert zudem, dass der Klinikatlas zum Teil auf veraltete Daten zurückgreift. Für OWL wird beispielsweise das Krankenhaus Rahden (Kreis Minden-Lübbecke) aufgeführt, das in diesem Jahr jedoch geschlossen wird. Zudem ist der Klinikatlas laut Brysch nicht patientenfreundlich, weil viel Vorwissen vorausgesetzt wird. Praxistest zeigt diverse Schwachstellen Im Praxistest wird das an mehreren Stellen deutlich: Sucht beispielsweise ein Lungenkrebs-Patient in Bielefeld nach einem Krankenhaus in seiner Heimatstadt, werden ihm sechs Standorte von den drei Trägern Klinikum Bielefeld, evangelisches Klinikum Bethel und Katholische Hospitalvereinigung angezeigt. Diese sechs Standorte kann der Patient miteinander vergleichen. Die Informationen werden in Form eines Tachometers dargestellt, in Grün für einen überdurchschnittlich guten Wert und Rot für einen schlechten. Zuerst werden die Fallzahlen und der Pflegepersonalquotient angegeben. Zwei der sechs Standorte erhalten den Hinweis &bdquo;Mindestmenge erfüllt“, obwohl sie mitunter weniger Fallzahlen aufweisen als Kliniken ohne den Hinweis. Der Pflegepersonalquotient bezieht sich auf das gesamte Krankenhaus, weshalb der Patient nicht erfährt, wie die Pflegesituation in der Onkologie ist. Zudem wird die Stufe der Notfallversorgung für jeden Standort angegeben. Stufe 1 - Basis Notfallversorgung, Stufe 2 - Erweiterte Notfallversorgung und Stufe 3 - Umfassende Notfallversorgung. Wann für einen ein Notfall welche Versorgungsstufe nötig ist, wird nicht erklärt und auch nicht der Zusammenhang eines Notfalls in der Behandlung von Lungenkrebs. Krankenhäuser kritisieren Personalangaben Der Kritik der Patientenschützer schließen sich auch die Krankenhäuser an. &bdquo;Die Initiative, Patienten bei der Wahl eines Krankenhauses bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen, ist richtig und wichtig, aber das Ergebnis ist eine handwerklich schlecht gemachte Betaversion, die Patienten aktuell nicht weiterhilft“, erklärt Michael Ackermann, Geschäftsführer des Klinikums Bielefeld. &bdquo;Aufgrund der Nutzung einer fehlerhaften Datenlage zu Personalzahlen und der lückenhaften Darstellung der Angebote von Krankenhäusern führt der Klinikatlas vor allem zu Verwirrung bei den Patienten“, sagt Thorsten Kaatze, Vorsitzender Geschäftsführer des Evangelischen Klinikums Bethel. Kritisch sehen die Klinikchefs vor allem die Angabe des Pflegepersonalquotienten. Nach Angaben Lauterbachs ergibt sich der Quotient aus der Zahl der Behandlungsfälle und der Pflegekräfte sowie dem Schweregrad der Behandlungsfälle. Ein niedriger Quotient deute auf eine gute Personalausstattung hin. Offiziell beschreibt der Quotient das Verhältnis der Anzahl der Vollzeitkräfte in der Pflege in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen zu dem Pflegeaufwand eines Krankenhauses. &bdquo;Dieser Quotient bildet die Realität nicht ab, weil das gesamte Entlastungspersonal nicht mit einberechnet wird und auch die Fortschritte in der Digitalisierung ignoriert werden“, erklärt Kaatze. Ackermann kritisiert zudem, dass Fachabteilungen nicht immer zuverlässig aufgelistet werden, sodass vorhandene Abteilungen nicht angezeigt werden oder geschlossene Abteilungen weiter aufgeführt werden. So fehle beispielsweise für das Klinikum Bielefeld die Rheumatologie. &bdquo;Das ist eine der Folgen davon, dass Gesundheitsminister Lauterbach das Portal ohne Abstimmung mit den Krankenhäusern veröffentlicht hat.“ Klinikchefs raten Patienten zuZweitmeinungen Die Kritik, dass Krankenhäuser Vergleichsportale grundsätzlich ablehnen, können die Bielefelder Klinikchefs nicht nachvollziehen. &bdquo;Wir vergleichen uns an vielen Stellen und sperren uns nicht dagegen. Wir fordern aber Vergleiche, die Patienten unterstützen und nicht verwirren, doch dafür fehlt aktuell noch die Datengrundlage, weil Äpfel mit Birnen verglichen werden“, sagt Kaatze. &bdquo;Deshalb ist der Klinikatlas ein guter Anfang, doch bis er Patienten bei der Kliniksuche wirklich unterstützen kann, ist es noch ein weiter Weg.“ Portale für die Krankenhaussuche gibt es schon länger, unter anderem von der Deutschen Krankenhausgesellschaft und den Krankenkassen. Empfehlungen sprechen die Klinikchefs jedoch für keines der Portale aus. &bdquo;Wichtig ist auch weiterhin, dass sich Patienten mit dem Arzt ihres Vertrauens austauschen und sich Zweitmeinungen einholen, damit sie bestmöglich versorgt werden“, rät Ackermann.

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