60.000 Bücher unter Arsen-Verdacht: So ist der Stand an der Uni Bielefeld

Bielefeld. 60.000 historische Bücher und Zeitschriften aus der Bibliothek der Universität Bielefeld mussten im Februar für die Ausleihe gesperrt werden. Der Grund: Die alten Druckwerke könnten giftiges Arsen enthalten. Jetzt soll der historische Bestand geprüft werden, doch das ist ein langwieriges Vorhaben. Lesen Sie auch: Giftige Lektüre: Universität Bielefeld will 60.000 Bücher entfernen Alleine das Separieren von möglicherweise mit Arsen belasteten Büchern sei aufwendig und kostet viel Zeit, teilt die Universität Bielefeld auf Nachfrage dieser Redaktion mit. Die ersten 10.000 der zu überprüfenden Bücher werden voraussichtlich bis Ende dieser Woche aus dem Bestand genommen und eingelagert sein, heißt es weiter. Ein genaues Testverfahren müsse dann noch festgelegt werden. Auch andere Uni-Bibliotheken, darunter Düsseldorf, Siegen oder Duisburg-Essen, kündigten an, ihre historischen Bestände einer Prüfung unterziehen zu wollen. Wohl auch, weil die möglicherweise belasteten Druckwerke in den Freihandbibliotheken offen zugänglich sind. Arsen kann giftig und krebserregend sein – eine Gefahr für unwissende Leserinnen und Leser. Bibliotheksverband gibt vorsichtige Entwarnung Nun gibt der Deutsche Bibliotheksverband (dbv) jedoch eine vorsichtige Entwarnung. Nach ersten Untersuchungen konnte bei sachgerechtem Gebrauch bisher weder für Nutzende noch für Mitarbeitende in den Bibliotheken eine höhere Belastung festgestellt werden, heißt es in einer Stellungnahme. Generell sei derzeit davon auszugehen, dass die Gefahr bei der Benutzung von historischem Bibliotheksgut gering ist. Von der Arsen-Belastung betroffen sein könnten Bücher mit grünen Einbänden oder grünen Buchschnittfärbungen aus den Jahren zwischen 1800 und 1900. Damals wurde die giftgrüne Färbung, das sogenannte &bdquo;Schweinfurter Grün“, mit dem gesundheitsschädlichen Halbmetall gemischt. Verdächtige Bücher besser nicht ablecken &bdquo;Ein solches Buch abzulecken, ist sicherlich keine gute Idee, aber das tut ja auch niemand“, formuliert Reinhard Altenhöner, Vize-Bundesvorsitzender des Verbandes. Wer sich dagegen an klar kommunizierte &bdquo;Regeln des Kontaktmeidens“ halte, könne weitgehend ungefährdet mit den historischen Beständen arbeiten, ist er überzeugt. Lesen Sie auch: Nach Bielefeld: Nächste Uni-Bibliothek in NRW prüft Tausende Bücher auf Arsen Aktuell sei völlig unklar, wie viele Bücher aus der Zeit tatsächlich betroffen sind – und wie hoch die Belastung im Ernstfall überhaupt ist. Panik und ausufernde Maßnahmen hält Altenhöner nicht für nötig: &bdquo;Die Mengen, die im Staub oder am Buch auftreten, sind nach unseren bisherigen Erkenntnissen nicht hoch, sodass wir davon ausgehen, dass man bei Einhaltung bestimmter Regeln keiner Gefahr ausgesetzt ist.“ Bibliotheken und Archive brauchen eigene Schutzkonzepte Für die betroffenen Bibliotheken bedeutet das jedoch nicht weniger Arbeit. Laut dbv obliegt es den jeweiligen Einrichtungen, eine eigenständige Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen und geeignete Vorkehrungen zu treffen. Beispielsweise seien Schutzhandschuhe und Händewaschen beim Umgang mit den belasteten Büchern angebracht. Je nach Belastung seien ebenfalls ein Mund-Nase-Schutz oder eine Schutzbrille, bei intensivem Kontakt auch ein Schutzanzug sinnvoll. Auch andere Bibliotheken und Archive in Ostwestfalen-Lippe haben reagiert. In der Lippischen Landesbibliothek werden möglicherweise betroffene Bücher derzeit nicht zum Lesen herausgegeben, erklärt Christine Rühling, Leiterin im Bereich Handschriften und Alte Drucke sowie Bestandserhaltung. &bdquo;Wir haben das Problem erkannt, es muss aber auch händelbar bleiben“, sagt sie. Große Herausforderung für betroffene Einrichtungen Die etwa 19.200 Druckwerke aus dem 17. bis 19. Jahrhundert stehen in der Lippischen Landesbibliothek nicht zusammen in einem Regal, sondern sind auf unterschiedlichste Magazine verteilt. Von einer Gesamtanalyse, wie an der Uni Bielefeld, wolle man absehen, auch weil sie nicht frei zugänglich sind. &bdquo;Die Mitarbeiter sind auf entsprechende Sicherheitsvorkehrungen geschult“, versichert Rühling und erklärt, dass bei verdächtigen Büchern, wenn möglich, auf eine digitalisierte Version zurückgegriffen wird. Bisher seien nur wenige Verdachtsfälle gesammelt worden, eine Überprüfung stehe noch aus. &bdquo;Archivare sind es gewohnt, auch mit gefährlichen Materialien zu arbeiten“, sagt Ingrun Osterfinke von der Evangelischen Kirche von Westfalen, wo man über eine Archivbibliothek mit historischem Buchbestand verfügt. Bisher sei es der Schimmel gewesen, der Sicherheitsvorkehrungen erforderlich gemacht habe. Das krebserregende Arsen sei eine andere Dimension. &bdquo;Jeder Handgriff an den Büchern sollte daher erst abgewogen werden“, erklärt Osterfinke. Bis Mitte April sind die Magazine, in denen etwa 3.300 möglicherweise betroffene Druckwerke stehen, auch für Mitarbeitende vorerst gesperrt. Derzeit arbeite man an einem Schutzkonzept.

Meistgelesen