
Bielefeld. Hans P. (Name geändert) ist ein bekanntes Gesicht in der ostwestfälischen Medienlandschaft. 40 Jahre lang begeht der Bielefelder zum Teil schwere Straftaten. Erstmalig in Haft muss er als Jugendlicher im Jahr 1962, viele weitere Aufenthalte in Gefängnissen, Erziehungsanstalten und psychiatrischen Einrichtungen folgen.
Seine schlimmste Tat begeht er im Jahr 1996. Beim gemeinsamen Trinken tötet er einen seiner Trinkkumpanen. Ausgangspunkt des Streits ist einmal mehr der Alkohol. Dieser zieht sich wie ein roter Faden durchs Leben von Hans P., der alkoholkrank ist und im Vollrausch regelmäßig straffällig wird.
Wer ist dieser Mann, der sich komplett verändert zeigt, wenn er betrunken ist? Viele der Hintergründe kennt Carsten Ernst. Er begleitet den Bielefelder mehr als 20 Jahre lang als Strafverteidiger in vielen Prozessen. Bis ins Jahr 2021. Dann verliert Hans P. den Kampf gegen den Krebs und stirbt in einem Aachener Gefängnis. Ernst ist zu Gast in der aktuellen Podcast-Folge und gibt Einblicke in das Leben eines Verbrechers, der über Jahre hinweg zwei Gesichter hat.
Der Fall Hans P. - alle Fakten im Überblick
- 40 Jahre lang begeht der Bielefelder Hans P. unter Alkoholeinfluss zum Teil schwere Straftaten. Knapp 30 Jahre verbringt er insgesamt in Gefängnissen, Erziehungsanstalten und psychiatrischen Einrichtungen.
- Weil er aufgrund seines extremen Alkoholkonsums oft nicht komplett schuldfähig ist, endet seine Zeit im Gefängnis regelmäßig vorzeitig. Er trinkt drei Flaschen Korn am Tag, erreicht Werte von über vier Promille.
- Im Jahr 1996 ereignet sich sein schlimmstes Verbrechen. Er erschlägt einen Trinkkumpanen im Vollrausch mit einer Eisenstange und entsorgt die Leiche in einem Müllcontainer in Bielefeld-Quelle.
- Ein weiterer Totschlag kann im Jahr 2001 nur knapp von einem Trinkgefährten verhindert werden, diesmal nutzt er eine Schnapsflasche als Tatwaffe und verletzt einen anderen Mann schwer.
- Nach einem Sexualdelikt wird er 2016 schuldig gesprochen und soll diesmal im Gefängnis bleiben. Im Jahr 2021 verliert der 75-Jährige den Kampf gegen den Krebs und stirbt in der Aachener Justizvollzugsanstalt.
Hans P. zeigt zwei verschiedene Gesichter
Hans P. gerät früh in Kontakt mit Alkohol. Seine Eltern hätten bereits seinen Schnuller in Alkohol getunkt, damit er ein ruhiges Kind ist, erfährt Ernst in einem der vielen Gespräche mit dem Straftäter. Insgesamt verbringt der Bielefelder knapp 30 Jahre seines Lebens in Gefängnissen und Erziehungsanstalten. Erstmalig in Haft muss er als Jugendlicher nach einigen Diebstählen.
Zwischen 1965 und 1967 lebt Hans P. einige Jahre in Frankreich, auch dort kommt er für zehn Monate ins Gefängnis. Noch schlimmer wird es Mitte der 1980er-Jahre. Nach dem Scheitern seiner Ehe gerät er komplett auf die schiefe Bahn, schlimme Straftaten folgen.
Besonders auffällig sind dabei die zwei Gesichter des Bielefelders. „Im nüchternen Zustand habe ich ihn als eloquent und nachdenklich empfunden“, sagt Ernst. Allerdings betont der Strafverteidiger, wie sehr sich das unter Alkoholeinfluss verändert. Dann sei ein hohes Streit- und Gewaltpotenzial bei Hans P. vorhanden, Situationen mit ihm eskalieren immer wieder.
Hans P. wird wegen Totschlags verurteilt
Im Jahr 1996 ereignet sich der wohl schlimmste Vorfall rund um den Bielefelder. Er ist gemeinsam mit einem Trinkkumpanen unterwegs. Als sich der Alkohol dem Ende neigt, beschuldigen sich beide, dem jeweils anderen zu viel weggetrunken zu haben. Hans P. greift zur Eisenstange und schlägt elfmal auf seinen Trinkgefährten ein. Dieser stirbt noch an Ort und Stelle und wird vom Bielefelder in einem Müllcontainer in Bielefeld-Quelle entsorgt.
Fünf Jahre nach dem Totschlag seines Trinkgefährten kommt es 2001 zu einem ähnlichen Vorfall. Wieder eskaliert ein Streit mit einem Kumpanen, Hans P. schlägt im Rausch mehrfach mit einer Schnapsflasche zu. Das Opfer überlebt diesmal schwer verletzt, weil ein anderer Trinkkumpane im letzten Moment eingreift.
Zwar wird Hans P. regelmäßig für seine Taten verurteilt, eine vollumfängliche Schuld bekommt er aufgrund des extremen Alkoholkonsums in der Regel jedoch nicht zugesprochen. Nachgewiesene Werte von über vier Promille sind beim Bielefelder keine Seltenheit. Bereiche, in denen andere Menschen schon lange auf der Intensivstation liegen würden, bestätigt auch Ernst. Ein Verbrauch von drei Flaschen Korn sind Normalität im Tagesablauf des Straftäters.
Die Therapien von Hans P. bleiben erfolglos
Vor Gericht werden viele Gutachten von verschiedenen Sachverständigen eingeholt, um die Gefährlichkeit von Hans P. einschätzen zu können. Zwar wird eindeutig kommuniziert, dass Gefährdungspotenzial besteht, er wird sogar als „tickende Zeitbombe, die oft explodiert“, beschrieben. Trotzdem kommt Hans P. immer wieder aus dem Gefängnis oder aus verschiedenen Erziehungsanstalten und psychiatrischen Einrichtungen.
Therapien führen bei ihm nicht zum Erfolg, der Alkohol bleibt sein ständiger Begleiter. Irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem ihn die Einrichtungen in der Region nicht mehr aufnehmen wollen, weil er ein zu großes Risiko darstellt. „Man kann sagen, dass Hans P. therapieresistent war“, sagt auch Ernst.
Nachdem zum wiederholten Male eine Sicherheitsverwahrung nachträglich aufgehoben wird, bezieht der Bielefelder ein Haus am Bielefelder Südring in Brackwede, welches eigentlich abgerissen werden soll. Andere Menschen ziehen aufgrund der Gefahr, die von ihm ausgeht, nicht ein. Polizeibeamte überwachen die Ruine rund um die Uhr, trotzdem gelingt es Hans P. auch weiterhin, sich Alkohol zu besorgen und Straftaten zu begehen.
Hans P. verliert den Kampf gegen den Krebs
Der Schlusspunkt seiner kriminellen Karriere ist ein Sexualdelikt im Jahr 2010. Gemeinsam mit einer Frau und einem anderen Mann betrinkt sich Hans P., die Frau nimmt außerdem Heroin zu sich. Als sie auf der Couch wegtritt, vergreifen sich die beiden Männer an ihr.

Die vergewaltigte Frau hat an die Tat keine Erinnerung, der Trinkgefährte von Hans P. filmt sie jedoch mit seinem Handy. Erst Jahre später werden die Aufnahmen zufällig gefunden und es kommt zur Anklage. Im Jahr 2016 wird der zu dem Zeitpunkt 70-Jährige zu einer erneuten Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Er soll diesmal so lange im Gefängnis bleiben, bis keine Gefahr mehr von ihm ausgeht.
Doch soweit kommt es nicht. Der Bielefelder erkrankt an Krebs. Zunächst ist er in der Justizvollzugsanstalt in Werl inhaftiert, wird später nach Aachen verlegt. Dort verliert Hans P. im Jahr 2021 den Kampf gegen die Krankheit und verstirbt im Alter von 75 Jahren.