Entschädigung nach Behandlungsfehlern: Das müssen Betroffene wissen

Bielefeld. Fehler passieren jedem, doch bei Ärzten können sie schwerwiegende Folgen haben. Führen Behandlungsfehler zu Schäden, haben Betroffene und in Todesfällen auch Angehörige Anspruch auf Entschädigung. Im Fall der vierjährigen Emily Janke aus Bünde (Kreis Herford), die Neujahr 2023 im Klinikum Herford starb, führen ihre Eltern den Tod auf Behandlungsfehler zurück und forderten deshalb vom Krankenhaus eine Entschädigung in fünfstelliger Höhe. Die Haftpflichtversicherung ist der Forderung außergerichtlich nachgekommen und hat die Summe gezahlt. Doch so läuft es im Fall vermuteter Behandlungsfehler nicht immer. Worauf Betroffene achten müssen, erklärt der Bielefelder Rechtsanwalt Florian Hunold. Was ist ein Behandlungsfehler? Ein Behandlungsfehler liegt nach deutschem Recht vor, wenn eine medizinische Behandlung nicht dem allgemein anerkannten fachlichen Standard entspricht, der zum Zeitpunkt der Behandlung besteht. Unterlaufen können sie Ärzten, aber auch Pflegern und anderen Kräften im Gesundheitswesen. Unterschieden wird dabei nach Angaben von Rechtsanwalt Florian Hunold, der in der Bielefelder Kanzlei Kraft, Geil und Kollegen Medizinrechtsfälle betreut, zwischen Fehlern bei der Aufklärung, Befunderhebung, Diagnosen sowie Operationen und anderen Behandlungen. Wie oft kommt es zu Behandlungsfehlern? In Deutschland werden Behandlungsfehler nicht zentral erfasst. Der Medizinische Dienst (MD), der im Auftrag der Krankenkassen arbeitet, geht davon aus, dass es in etwa einem Prozent aller Krankenhausfälle zu Behandlungsfehlern kommt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes behandeln Krankenhäuser pro Jahr 17 Millionen Fälle. Hinzu kommen jährlich 550 Millionen Behandlungsfälle in Arztpraxen. 2022 gab es in Deutschland nach Angaben des MD 2.700 nachgewiesene Behandlungsfehler mit Folgeschäden. Rückschlüsse auf die allgemeine Fehlerhäufigkeit können aus diesen Zahlen nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden Stefan Gronemeyer jedoch nicht gezogen werden, da vielen Fehlern nicht nachgegangen wird oder sie nicht bemerkt werden. &bdquo;Die Zahlen zeigen nur einen sehr kleinen Ausschnitt des tatsächlichen Geschehens. Die Dunkelziffer liegt deutlich höher“, sagt Gronemeyer. Wie gehen Betroffene vor, wenn Sie einen Behandlungsfehler vermuten? Im ersten Schritt rät Hunold Betroffenen dazu, ihre Patientenakten anzufordern. &bdquo;Darauf hat jeder Patient Anspruch. Praxen und Kliniken müssen die Akten zur Verfügung stellen.“ Hunold erlebt jedoch immer wieder, dass Patienten ihre Akten nicht erhalten, sondern mit einem Arztbrief abgespeist werden. &bdquo;In solchen Fällen sollten Betroffene einen Anwalt einschalten.“ Liegt die Patientenakte vor, können Betroffene die Akte laut Hunold selber prüfen und sich Hilfe bei einem Anwalt suchen. Die Verbraucherzentrale NRW verweist zudem auf Unterstützungsmöglichkeiten durch die Krankenkassen und die Gutachterkommissionen der Landesärztekammern. In OWL ist die Ärztekammer Westfalen-Lippe zuständig. &bdquo;Ergibt die Prüfung der Akte Auffälligkeiten, kann für den Nachweis ein Privatgutachten helfen“, erklärt Hunold. Auch hier bieten Kassen und Ärztekammern Hilfe an. Wann haben Betroffene Anspruch auf Entschädigung? &bdquo;Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld haben Patienten, wenn sie einen vorwerfbaren Behandlungsfehler nachweisen können, wenn ein Schaden entstanden ist und wenn der Schaden auf den Fehler zurückzuführen ist“, erklärt Hunold. Zahlungen von Schmerzensgeld oder im Fall von Todesfällen Hinterbliebenengeld, können, wie im Fall von Emily Janke, aber auch ohne Prozess gezahlt werden. &bdquo;Ziel jedes Falles ist zunächst eine außergerichtliche Einigung, um einen teuren und langwierigen Prozess zu verhindern, der für Betroffene sehr belastend sein kann.“ Fordern Betroffene aufgrund eines Behandlungsfehlers Schadensersatz, Schmerzens- oder Hinterbliebenengeld, verhandeln die Anwälte beider Seiten laut Hunold zunächst außergerichtlich über die Entschädigung. &bdquo;Wird man sich einig und die Betroffenen stimmen zu, zahlt die Haftpflichtversicherung der Klinik oder des Arztes. Dann ist die zivilrechtliche Aufarbeitung des Falls abgeschlossen. Zu einem Prozess kann es dann nicht mehr kommen.“ In den meisten Fällen erkennen die Versicherer mit Zahlungen jedoch keine Schuld an. &bdquo;Die Haftpflichtversicherer wägen ab, ob sie das Risiko eines Prozesses eingehen und entscheiden dann, ob und wie viel sie zahlen.“ Ist außergerichtlich keine Einigung möglich, können Betroffene laut Hunold Klage erheben. &bdquo;Der Anwalt des Betroffenen muss dann bereits im Antrag angeben, wie hoch die Entschädigung mindestens sein sollte. Davon kann das Gericht aber abweichen.“ In solchen Prozessen werde in der Regel ein Gutachter bestellt, der den Fall aus medizinischer Sicht prüft. &bdquo;Danach besteht dann erneut die Möglichkeit einer Einigung“, erklärt Hunold. Klappt das nicht, fällt das Gericht nach Angaben des Anwalts ein Urteil. &bdquo;Kommt das Gericht zu dem Schluss, dass es einen Behandlungsfehler und einen Schaden gab und dass der Fehler zu dem Schaden geführt hat, dann verurteilt das Gericht die beschuldigte Klinik oder Arzt zur Zahlung der Entschädigung.“ Dagegen können die Beklagten aber Rechtsmittel einlegen. Wie hoch sind Entschädigungen? &bdquo;Die Höhe von Schmerzensgeld ist in Deutschland nicht gesetzlich festgelegt, daher ist die Bestimmung der Höhe nicht einfach“, erklärt Hunold. Zur Orientierung gebe es jedoch eine Liste mit Urteilen zu verschiedenen Schadensfällen. &bdquo;Abhängig ist die Höhe unter anderem von der Schwere des Schadens und der Dauer der Schmerzen.“ Für das Hinterbliebenengeld ging der Gesetzgeber bei Verabschiedung des Gesetzes von einem Durchschnittswert von 10.000 Euro pro Angehörigem aus. &bdquo;Doch das ist keine verbindliche Vorgabe“, sagt Hunold. Hinzu komme bei Todesfällen durch Behandlungsfehler, dass Angehörige das Schmerzensgeld des Verstorbenen erben können. In den USA und anderen Ländern werden laut Hunold deutlich höhere Schmerzens- und Hinterbliebenengelder gezahlt. &bdquo;Das liegt daran, dass diese Entschädigung in Deutschland ausschließlich der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion dient. In den USA kommt noch die Sühnefunktion dazu, also eine Bestrafung.“

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